Für ihre Forschungen zur Radioaktivität wurde Marie Curie 1903 als erste Frau mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet. 1911 erhielt sie zudem den Nobelpreis für Chemie – damit ist sie eine von nur vier Menschen, denen eine Ehrung in verschiedenen Kategorien zuteil wurde.
Wer die Pierre-und-Marie-Curie-Kollektion in der Pariser Nationalbibliothek besuchen will, um dort das Leben der berühmten Wissenschaftlerin zu studieren, der tut das auf eigenes Risiko. Am Eingang muss ein Haftungsverzicht unterzeichnet werden, und Schutzkleidung ist ohnehin vorgeschrieben. Denn die Dokumente strahlen bis heute, selbst ihr altes Kochbuch ist auch 80 Jahre nach ihrem Tod immer noch radioaktiv verseucht. Marie Curie und ihr Mann hantierten mit radioaktiven Elementen, von denen damals noch keiner ahnte, wie schädlich sie sind. Oft trug sie die Ampullen mit den gefährlichen Stoffen in ihrer Brusttasche herum, einige bewahrte sie auch in der Schublade ihres Schreibtischs auf und erfreute sich an dem schwachen Licht, das sie im Dunkeln abgaben. „Ich gehöre zu denen, die die besondere Schönheit des wissenschaftlichen Forschens erfasst haben. Ein Gelehrter in einem Laboratorium ist nicht nur ein Techniker, er steht auch vor den Naturvorgängen wie ein Kind vor einer Märchenwelt", sagte sie.
Am Ende wurde sie ein Opfer ihrer eigenen Forschungen. Marie Curie starb 1934 an einer sogenannten aplastischen Anämie, einer seltenen Erkrankung des Knochenmarks – ausgelöst höchstwahrscheinlich von der Strahlung, der sie jahrezehntelang ausgesetzt war. Der Wissenschaftshistoriker Horst Kant hat es in der „Zeit" einmal so formuliert: „Marie Curie hat ihre Wissenschaft rücksichtslos gelebt. Bis zum Schluss." Sie selbst sagte schon lange vor ihrem Tod: „Man muss daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muss man erreichen, koste es, was es wolle."
Element Polonium nach Curies Heimat benannt
Marie Curie wurde vor 150 Jahren, am 7. November 1867, als Maria Salomea Sklodowska in Warschau geboren. Schon früh interessierte sie sich für Physik und Chemie, bereits mit Mitte 20 führte sie erste eigene Experimente durch. Studieren durfte sie in Polen nicht: Frauen waren zu jener Zeit an den dortigen Universitäten nicht zugelassen. Weil die finanzielle Situation des Vaters ein zweites Auslandsstudium nicht zuließ – ihre Schwester Bronia studierte bereits in Paris –, arbeitete Curie zunächst einige Jahre als Hauslehrerin. Erst 1891 konnte sie sich die Zugfahrt nach Paris leisten. An der Sorbonne schrieb sie sich für ein Studium der Physik und Mathematik ein.
In Frankreich durften Frauen zwar studieren, aber auch dort waren sie an der Universität eher die Ausnahme – erst recht in den naturwissenschaftlichen Fächern. Unter den 9.000 Studierenden an der Sorbonne waren im Jahr 1891 gerade einmal 210 Frauen, und von den mehr als 1.825 Studenten an der Faculté des sciences waren nur 23 weiblich. Marie Curie hatte schlechtere Vorkenntnisse als ihre französischen Kommilitonen, hinzukam die Sprachbarriere. Doch sie war eine äußerst strebsame Studentin. Oft arbeitete sie bis spät in die Nacht hinein. Der Lohn: Die Physikprüfungen schloss sie 1893 als Beste ab, den Abschluss in Mathematik machte sie ein Jahr später als Zweitbeste.
Auch privat fand sie in Paris ihr Glück. 1894 lernte sie dort den Physiker Pierre Curie kennen und verliebte sich in ihn. 1895 heirateten die beiden, 1897 kam die erste Tochter zur Welt: Irène. Auch sie sollte später Wissenschaftlerin werden und wie ihre Eltern einen Nobelpreis bekommen. Die zweite Tochter Ève wurde 1904 geboren.
Gemeinsam mit ihrem Mann widmete sich Marie Curie der Erforschung der Radioaktivität. Ihr Doktorvater Henri Becquerel hatte sie 1896 entdeckt, als er beim Versuch, Röntgenstrahlung durch Fluoreszenz zu erklären, zufällig feststellte, dass Uransalz fotografische Platten auch ohne Belichtung zu schwärzen vermochte. Es konnte sich also nicht um Fluoreszenz handeln; stattdessen musste in Uraniumsalzen eine Strahlung existieren, die nicht zum Spektrum des sichtbaren Lichts gehört. Becquerel nannte sie zunächst Uranstrahlen.
Marie Curie und ihr Mann vermuteten, dass diese Strahlung von einem bisher unbekannten chemischen Element verursacht wurde. Bei der Suche nach diesen Substanzen entdeckten sie 1898 zunächst Polonium, das sie nach Curies Heimat tauften, und kurz darauf ein weiteres radioaktives Element, das sogar noch stärker strahlte und deshalb Radium – „das Strahlende" – genannt wurde. Auch der Begriff der Radioaktivität wurde überhaupt erst von Marie Curie geprägt. „Warum können wir die Elemente nicht einfach als die Strahlenden bezeichnen? Wir können dafür auch ein lateinisches Wort nehmen und sie radioaktive Elemente nennen. Ihre Eigenschaft, Strahlen auszusenden, können wir als Strahlungstätigkeit oder Radioaktivität bezeichnen."
Als Radiologin im Krieg hinter der Front
1903 erhielten Marie und Pierre Curie sowie Henri Becquerel zusammen den Nobelpreis für Physik für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Strahlungsphänomene. Marie Curie war die erste Frau, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Plötzlich war das Paar eine Berühmtheit. Marie Curie stand dabei lange im Schatten ihres Mannes – sie galt eher als seine Assistentin. Als Pierre Curie 1906 starb, weil er unter die Räder eines Lastfuhrwerks geraten war, wäre sie eigentlich die logische Nachfolgerin für seine Professur an der Sorbonne gewesen. Doch es dauerte weitere zwei Jahre, bis sie ihr ordentlich übertragen wurde. Immerhin: Seit November 1906 durfte sie Vorlesungen halten – sie war damit die erste Frau, die an der Sorbonne lehrte. Dagegen blieb ihr eine Aufnahme in die Académie des sciences 1911 verwehrt – weil sie eine Frau war. Die Zeitung „L’Humanité" beschimpfte das Institut daraufhin als frauenfeindlich, andere Medien wie „Le Figaro" befürworteten die Entscheidung. Die Zeitung schrieb, „man solle nicht versuchen die Frau dem Manne gleichzumachen".
Ebenfalls 1911 sah sich Marie Curie weiteren Anfeindungen gegenüber, nachdem bekannt wurde, dass sie und der fünf Jahre jüngere Paul Langevin, ein Schüler ihres verstorbenen Ehemanns, eine Affäre hatten. Langevin war verheiratet, seine Frau drohte Marie Curie sogar mit Mord. Die Wissenschaftlerin wurde als Emanze beschimpft, als Ausländerin, die ein französisches Heim zerstöre, später – als die Presse ihren zweiten Namen Salomea herausbekam – auch als Jüdin.
An ihren wissenschaftlichen Leistungen gab es dagegen nichts zu rütteln. Für ihre weiteren Forschungen und „in Anerkennung ihrer Verdienste um den Fortschritt der Chemie durch die Entdeckung der Elemente Radium und Polonium, durch Isolierung des Radiums und die Untersuchung der Natur und der Verbindungen dieses bemerkenswerten Elementes" bekam sie 1911 den Chemie-Nobelpreis überreicht. Sie war der erste Mensch, dem der Nobelpreis zwei Mal verliehen wurde, was bis heute insgesamt nur vier Mal vorgekommen ist. Und sie war auch die Erste, die in zwei verschiedenen Kategorien geehrt wurde. Das schaffte nach ihr nur noch Linus Pauling, der 1954 den Nobelpreis für Chemie und 1962 den Friedensnobelpreis bekam.
Im Ersten Weltkrieg arbeitete Marie Curie als Radiologin hinter der Front. Sie entwickelte eine mobile Röntgeneinrichtung, mit der verwundete Soldaten in unmittelbarer Nähe der Front untersucht wurden. Insgesamt stattete sie 20 solcher Fahrzeuge aus; zudem entstanden unter ihrer Mitwirkung etwa 200 neue oder verbesserte radiologische Zentren. Am Ausbildungskrankenhaus leitete sie Kurse, bei denen Frauen zu Röntgentechnikerinnen ausgebildet wurden.
Zwölf Jahre für den Völkerbund engagiert
Wenig bekannt ist auch, dass Curie nach dem Krieg zwölf Jahre lang für den Völkerbund tätig war, den Vorläufer der Vereinten Nationen. Von 1922 bis zu ihrem Tod 1934 gehörte sie der Internationalen Kommission für Geistige Zusammenarbeit an und setzte sich in dieser Zeit für die Ausarbeitung von Richtlinien für eine länderübergreifende Vergabe von Forschungsstipendien und einen einheitlichen Urheberschutz für Wissenschaftler und deren Erfindungen ein. „Wir dürfen nicht hoffen, eine bessere Welt zu erbauen, ehe nicht die Individuen besser werden", sagte sie einmal. „In diesem Sinn soll jeder von uns an seiner eigenen Vervollkommnung arbeiten, indem er auf sich nimmt, was ihm im Lebensganzen der Menschheit an Verantwortlichkeit zukommt, und sich seiner Pflicht bewusst bleibt, denen zu helfen, denen er am ehesten nützlich sein kann."