Zwölf Monate um die Welt reisen: ein Traum für viele, aber auch eine Herausforderung. Die Berliner Janine und Andreas haben sich ihr gestellt. Seit Juni ist das Paar unterwegs und hat sich dabei nicht für die klassische Route vieler Globetrotter entschieden. Statt nach Bangkok, Sydney oder Los Angeles führt ihr Weg durch den Kaukasus, den Iran und die Mongolei.
Es ist der Traum vieler Menschen: Ein ganzes Jahr lang Sommer, völlig frei von Vorschriften und Verpflichtungen. Keine Erholung nur am Wochenende, sondern rund um die Uhr das Leben genießen und sich einfach mal nur um sich selbst kümmern. Janine und Andreas haben sich diesen Traum erfüllt. Vor fünf Monaten sind die beiden Berliner aufgebrochen, um den Planeten zu erkunden, und vor Mai 2018 werden sie nicht zurück sein – so lange dauert ihre Weltreise noch. Momentan weilen sie gerade in Südostasien. „Wir können bislang nur Positives berichten", sagt Janine. Kein Horrorhotel, keine Magenverstimmung, keine Diebstähle, stattdessen freundliche Menschen allenthalben. „Bisher zeigt sich die Welt wirklich von ihrer besten Seite."
Für seine Weltreise hat das Paar nicht die klassische Route gewählt: Bangkok, Sydney oder Los Angeles – keine dieser Destinationen liegt auf ihrer Strecke. Stattdessen Länder wie Georgien, Usbekistan, der Iran oder die Mongolei. Bei der Planung achteten sie darauf, dass sie möglichst viel auf dem Landweg erreichen können – weil Janine Flugangst hat, vor allem aber, „weil man auf diese Weise auch viel intensiver mit Land und Leuten in Kontakt kommt", wie die 31-Jährige erklärt. Bewusst hätten sie Länder ausgewählt, über die sie vorher nicht viel wussten oder über die viele Vorurteile herrschen wie etwa im Fall des Irans. „Und in den meisten Fällen wurden wir dann später tatsächlich absolut positiv überrascht."
„Bislang nur Positives"
Vor drei Jahren hatten die beiden die Idee, um die Welt zu reisen. Sie informierten Kollegen, Familie und Freunde über das Vorhaben und legten jeden Monat etwas Geld zurück. Mit 15.000 Euro müsse man pro Person schon rechnen, sagt Janine. Ihr Freund hatte Glück: Bei Andreas Arbeitgeber, der Deutschen Bahn, bestand die Möglichkeit, im Vorfeld der Reise weniger zu verdienen, dafür aber auch während des Sabbatjahres weiter Gehalt zu beziehen. Dagegen musste Janine ihren Job als Eventmanagerin kündigen. Es folgten endlose Behördengänge bei der Arbeitsagentur und der Krankenkasse, zudem musste die Wohnung für die Zeit ihrer Abwesenheit zwischenvermietet werden. „Das ist alles ziemlich viel Stress, aber darüber findet man im Internet nur selten etwas", sagt sie. Sie selbst führt hobbymäßig ebenfalls einen Reiseblog (findinghummingbirds.de), auf dem sie den Daheimgebliebenen regelmäßig von ihren Erfahrungen berichtet.
Über Riga ging es im Juli zunächst in den Kaukasus: nach Georgien, Usbekistan und Aserbaidschan. Vor ihrer Abreise hatten sie extra noch einen Russisch-Kurs belegt, um das Kyrillische lesen und sich unterhalten zu können, doch als sie vor Ort waren, verstanden sie trotzdem kaum ein Wort. „Trotzdem habe ich selten so viel gelacht wie dort", sagt Janine. Manchmal brauche es nicht viele Worte, um sich zu verständigen.
Das sind für sie bisher die schönsten Erlebnisse: die Begegnungen mit den Menschen. Das galt ganz besonders für den Iran. „Ich habe noch nie eine solche Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit erlebt und mich noch an keinem anderen Ort je so willkommen gefühlt", sagt Janine. Einmal wollten sie und ihr Freund bloß eine Sim-Karte für ihr Telefon kaufen. Der Verkäufer fragte sie, ob er ihnen noch seine Stadt zeigen dürfe, stundenlang führte er sie herum, lud sie sogar zu sich nach Hause ein. Und von solchen Erlebnissen gab es unterwegs viele. „Das Leben hat uns mehr als einmal einen Engel an die Hand gegeben", sagt Janine und ergänzt: „Wenn wir zurück sind, dann habe ich mir vorgenommen, in Berlin auch etwas von dieser Herzlichkeit an Touristen zurückzugeben."
„Irgendeine Tür öffnet sich immer"
Im Iran gab es die Herausforderung, dass EC- und Kreditkarten nicht funktionierten – die Globetrotter mussten das Geld, das sie benötigten, vollständig in bar mitnehmen. Übernachtungen im Voraus zu buchen, ging ebenfalls nicht, weil die iranischen Hotels nicht an die gängigen Buchungsplattformen angeschlossen sind. Vieles lässt sich auf einer Weltreise aber ohnehin nicht planen. Aus dem Iran wollte das Paar eigentlich weiter nach Turkmenistan und Kirgistan, doch es gab Probleme mit dem Visum. Weil sie das Land verlassen mussten, buchten sie stattdessen für den nächsten Tag einen Flug nach Dubai. „Es war ein irres Gefühl, so spontan über sein Leben zu entscheiden", sagt Janine – auch wenn ihnen die Wüstenmetropole letztlich nicht gut gefiel. Sie schätzt diese Spontaneität, deshalb wäre ein Around-the-World-Ticket, wie es viele Weltreisende gern benutzen, auch nichts für sie. Später in der Mongolei gab es eine ähnliche Situation: Eigentlich wollten die beiden Berliner nach China, doch nach einem Software-Update in der Botschaft wurden bis auf weiteres keine Visa mehr für Ausländer ausgestellt. Statt nach China ging es also nach Südkorea und von dort weiter nach Japan. „Der Zufall spielt auf einer solchen Reise eine große Rolle", sagt Andreas. Er sei mittlerweile gelassener geworden, denn „irgendeine Tür öffnet sich immer, auch wenn es vielleicht eine andere ist, als man ursprünglich dachte."
Den 38-Jährigen hat vor allem die Mongolei beeindruckt – weil das Land ganz anders war, als das Paar es sich vorgestellt hatte. Sie hatten endlose Steppe erwartet, doch sie sahen auch beeindruckende Berglandschaften, tiefe Canyons und Wildpferde, wie es sie so nur noch dort gibt. Es waren so viele bleibende Eindrücke, dass danach erst einmal ein paar Tage Pause im Hotel angesagt waren. „Die sollte man sich unterwegs auf jeden Fall gönnen, um alles zu verarbeiten. Es ist ja doch etwas anderes als eine Pauschalreise", sagt Andreas. In der Mongolei erlebten die Weltreisenden außerdem den frühesten Wintereinbruch ihres Lebens: Am 20. September war der Boden morgens mit Schnee bedeckt, nachdem es tags zuvor noch über 20 Grad gewesen waren. In dieser Situation machte es sich bezahlt, dass Janine eine Wärmflasche mitgenommen hatte. „Das kann ich jedem wirklich nur raten", sagt sie. Wenn es draußen kalt ist, oder wenn der Rücken vom Rucksacktragen schmerzt. Oder einfach nur, um sich ein bisschen wie auf dem heimischen Sofa zu fühlen.
Heimweh haben die beiden noch keines. Auch wenn sie regelmäßig Kontakt zu den Daheimgebliebenen suchen. Im Zeitalter moderner digitaler Kommunikation ist das kein Problem mehr, eher schon die immense Zeitverschiebung. „Entweder müssen wir länger wach bleiben oder die anderen sehr früh aufstehen", sagt Janine. Ihr ist es wichtig, dass nicht nur sie von den Erlebnissen auf der Reise berichtet, sondern auch die Menschen daheim von ihrem Alltag. Denn während für Janine und ihren Freund jeder Tag ein neues Abenteuer ist, geht zu Hause in Berlin das Leben weiter. „Ich möchte nicht zurückkommen und alles verpasst haben", sagt sie. Das wäre dann selbst eine Weltreise nicht wert.