Das Saarland soll Vorreiter in Sachen Digitalisierung werden – auch für Unternehmen. Damit die an den Früchten der Forschung teilhaben können, existieren schon jetzt zahlreiche Transferstellen zwischen Hochschulen und der Wirtschaft. Jochen Flackus, Parteichef der Linken, bringt nun eine Plattformlösung zur Effizienzsteigerung ins Gespräch.
Eine Internetplattform, auf der Bürger sämtliche Amtsangelegenheiten regeln können. Roboter, die in Unternehmen neben Angestellten arbeiten. Software, die aufgrund intelligenter Datenanalyse Produktionsengpässe voraussagt. Oder Lernsoftware, die Inhalte durch Virtual Reality erlebbar macht: Die digitale Evolution in allen Teilen der Gesellschaft schreitet voran, auch im Saarland. Die saarländische Landesregierung ist sich dessen durchaus bewusst, auch, dass sie nicht zentral steuerbar ist. Die Digitalisierung des Saarlandes sei eine Querschnittsaufgabe. Auf diesem Standpunkt steht die saarländische Landesregierung. Heißt: Auf politischer Ebene beschäftigt sich jede Regierungsbehörde mit dieser Zukunftsaufgabe, mit eigenen Leuten, eigener Expertise.
Gleiches gilt für Industrie und Wirtschaft – viele Unternehmen gehen sehr unterschiedlich mit der Digitalisierung um, oft herrscht noch Skepsis vor. Damit auch die Vorsichtigen unter den Unternehmen zukunftsfest werden, suchen sie den Kontakt zu denjenigen, die jetzt schon daran forschen: Hochschulen, Start-ups, anderen digitalisierten Unternehmen. Dieser Kontakt läuft über die Technologietransferstellen im Saarland, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Expertenwissen vor allem für Unternehmen verfügbar zu machen. Und davon gibt es jede Menge – acht, um genau zu sein. Hinzukommen der Digitalisierungsrat der Landesregierung mit Unterausschüssen und streng genommen auch der Inkubator für Informatik der Max-Planck-Gesellschaft in Saarbrücken – eine bunte Landschaft an Transferstellen mit sehr unterschiedlichen Ausrichtungen, Technologiebereichen und Wissen.
„Technologietransfer läuft über Köpfe"
Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD werden nun weitere Zentren, Foren und Netzwerkstellen geplant. Die Linke im Landtag spricht deshalb von einer fortschreitenden „Zersplitterung" der Technologie-Transferlandschaft im Land und fordert, stattdessen Kompetenzen zu bündeln und den gesamten Transfer in dieser Hinsicht auf den Prüfstand zu stellen. Jochen Flackus, neuer Linken-Chef im Saarland, kennt sich als Ex-Geschäftsführer des Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) mit dem Technologietransfer aus. Seine Idee: ein Portal für alle Unternehmer, die sich für neue Technologie und Ideen aus saarländischer Forschung und Entwicklung interessieren.
„Im Prinzip haben wir jetzt schon zu viele Transferstellen", so Flackus. Die größte Transferstelle, Saarland Innovation und Standort (Saaris), sei derzeit durch ein Gutachten auf dem Prüfstand, um die Arbeitsbereiche zwischen der Industrie- und Handelskammer und Saaris rechtlich schärfer zu trennen – ein guter Ansatzpunkt, um über die gesamte Transferlandschaft nachzudenken, findet der Linken-Chef. Technologietransfer, das weiß Flackus aus Erfahrung, „läuft über Köpfe", das heißt persönliche Gespräche zwischen dem Unternehmer und der für ihn passenden Institution, sei es Forschung, Entwicklung oder Beratung. Das Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0, unter Leitung des ZeMA, wäre durch die Verbindung von Ingenieurwissenschaften und IT für ihn ein passendes Portal, das Unternehmer an die richtige Stelle vermitteln könnte. Doch Digitalisierung geht weiter, denn sie reicht in den Handel, das Handwerk, Dienstleistungen, Medizin und vieles mehr. Diese Kompetenzen bleiben den einzelnen Transferstellen jedoch erhalten.
„Die Digitalisierung sollte nicht durch zahllose Berater- und Transferstellen gesteuert werden. Das Saarland hat gute Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die eine solche Portalstelle gemeinsam betreiben könnten", so Jochen Flackus. Beispielsweise fehle es in Unternehmen an Know-how und Zeit, um Förderanträge zu stellen. „Statt also neue Stellen zu schaffen, sollten wir uns die bestehenden ansehen, ein Anforderungsprofil der saarländischen Wirtschaft erstellen, Technologiefelder definieren und dadurch Doppelstrukturen vermeiden. So könnte man auch Kosten einsparen."
Für Wirtschafts-Staatssekretär Jürgen Barke (SPD) wäre ein solches Portal unter dem Gesichtspunkt des Marketings denkbar, doch die Prioritäten liegen für ihn woanders. „Die Firmen brauchen vor allem Marktzugang", fasst Barke seine Eindrücke aus Unternehmen und vor allem Start-ups zusammen. „Geld ist genügend da. Und wenn Unternehmen auf der Suche nach Wissen und Technologie passend zu ihren Bedürfnissen sind, stehen wir bereit." Das Wirtschaftsministerium und hier insbesondere die gerade neu geschaffene Digitalisierungsabteilung sei die Plattform, die Unternehmen nutzen, um an die richtige Technologie-Transferstelle vermittelt zu werden. Zudem sei Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger auch Präsidentin des Vereins Saarland Innovation und Standort (Saaris) insofern liefen viele Fäden ohnehin bereits im Ministerium zusammen.
DiNet soll Fördermittel in Unternehmen bringen
Wenn die vorhandenen und künftigen Transferstellen effizienter arbeiten sollen, müsse man außerdem Wettbewerb und Doppelstrukturen vermeiden. Eine Diskussion über Transferstellen findet er nicht zielführend, besser auf die Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnittene Investitionen dagegen schon. „Wir haben derzeit 3.000 Gewerbeabmeldungen im Land, etwas weniger Neuanmeldungen. Dagegen müssen wir etwas tun. Viele Unternehmer brauchen keine Millionen, sondern höchstens eine Anschubfinanzierung von wenigen Zehntausend Euro für Prototypen oder Ähnliches", sagt Barke. Die Finanzierung und Stabilisierung des Mittelstandes sei die Hauptaufgabe, und dazu gehöre auch der persönliche Kontakt zwischen den Wissensträgern und den Unternehmen, die dieses Wissen brauche. Und dieser laufe in den meisten Fällen über das Wirtschaftsministerium.
Die neue Netzwerkstelle DiNet, die nach Angaben von Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger ohne Zusatzpersonal auskommt, dafür mit 1,125 Millionen Euro aus dem saarländischen Haushalt dotiert ist, soll helfen, die saarländische Wirtschaft und Arbeitswelt zu digitalisieren: zum Beispiel, indem Unternehmen an Bundes- und Landesfördermittel kommen. Auch Landesprogramme wie „Kompetenz durch Weiterbildung" und die „Weiterbildungsberatung Saar" sollen laut Wirtschaftsministerium in den Dienst der Digitalisierung gestellt werden. Der Digitalisierungsdschungel wird immer dichter im Saarland – schwierig also für Unternehmen und Arbeitnehmer, hier den Überblick zu behalten. Doppelstrukturen sollen vermieden werden, hierin sind sich Flackus und Barke einig, doch dies könnte nur durch eine zentrale Steuerung der Transferstellen geschehen. Das Selbstbewusstsein dieser Institutionen und der Wettbewerb untereinander um Projekte und Fördermittel wird dies allerdings verhindern.