Paradiesvogel hat man ihn genannt oder Flaneur. Er hat dies nie als eine Herabsetzung begriffen. Denn er hat mit seinen Talenten sein Leben lang das Mögliche wie das Unmögliche ausprobiert. Die Rede ist von Michael Naumann. Er war nacheinander Redakteur, Privatdozent, Honorarprofessor, Auslandskorrespondent, Verleger, Bürgermeister-Kandidat (in Hamburg), Staatsminister für Kultur und Medien (unter Gerhard Schröder), Chefredakteur und schließlich Gründungsdirektor der Barenboim-Said-Musikakademie.
In seiner Autobiografie lässt er ein Stück deutsche Zeitgeschichte lebendig werden. Der Leser blickt hinter die Kulissen des „Spiegel" und der „Zeit", begegnet dem ehrfurchtgebietenden, ewig angetrunkenen Rudolf Augstein, ist dabei, wenn Marion Gräfin Dönhoff mit über 200 Kilometer pro Stunde über die Autobahn fährt, erlebt den mehrsprachigen Wladimir Putin und erfährt, wie Oskar Lafontaine Naumann gegen Schröder einspannen wollte – kurz bevor er zurücktrat. Der Autor scheut sich auch nicht, auf eine frühe Form von Fake News einzugehen.
Als Verleger hatte er keinen guten Start. Die Lektoren des Rowohlt-Verlags protestierten dagegen, dass ihn die Holtzbrinck-Gruppe als Geschäftsführer einsetzte. Doch er blieb zehn Jahre und führte den Verlag in neue Höhen. Über diese Zeit hätte man gerne noch mehr erfahren, gerade auch über die Autoren, die er betreute. Aber das Buch, das in kurze und kürzeste Kapitel eingeteilt ist, eilt weiter.
Der Leser hetzt von Station zu Station. Das führt zu einer Fülle von Eindrücken, wie etwa von Helmut Schmidt, dem Herausgeber der „Zeit", eine Position, die auch Naumann innehatte. Zu Schmidt passe keineswegs das Klischee des Alles- oder Besserwissers. „Er hörte zu, lenkte ein, korrigierte und erfreute sich an kritischen Einwänden." Und sein Herzschrittmacher habe hervorragend funktioniert – meistens habe er erst um zwei Uhr nachts Schluss mit der Arbeit gemacht.