Er gilt bis heute – 110 Jahre nach seinem Tod – als größter einheimischer Humorist und ist der meistzitierte Versschmied der deutschen Sprache. Seine satirischen Bildergeschichten machten ihn weltberühmt und sorgten dafür, dass Wilhelm Busch als Vater des schwarzen Humors angesehen wird.
Wie wollte man den deutschen Humor definieren, wenn es Wilhelm Busch nicht gegeben hätte?" Während der französische Star-Illustrator Tomi Ungerer nur diese rhetorische Frage in den Raum stellte, hatten frühere Prominente versucht, die Rolle des vor 110 Jahren verstorbenen Dichters, Zeichners und Künstlers genauer zu beschreiben. „Wilhelm Busch, insbesondere der Schriftsteller Busch", sagte Albert Einstein einmal, „ist einer der größten Meister stilistischer Treffsicherheit. Ich denke – außer vielleicht Lichtenberg – hat es keinen Ebenbürtigen in deutscher Sprache gegeben." Oder Gerhart Hauptmann: „Wilhelm Busch ist der Klassiker deutschen Humors, und das will in gewissem Sinne auch sagen, des deutschen Ernstes. So verehre ich ihn als eine der köstlichsten Emanationen deutschen Wesens."
Heinrich Christian Wilhelm Busch wurde am 15. April 1832 in Wiedensahl, einem kleinen Ort bei Stadthagen im heutigen Niedersachsen, als erstes von sieben Kindern des Dorfkrämers Friedrich Wilhelm Busch und dessen Ehefrau Henriette geboren. Nach drei Jahren in der Dorfschule wurde er 1841 als Neunjähriger zu seinem Onkel Georg Kleine, Pfarrer des Dorfes Ebergötzen bei Göttingen, in Obhut gegeben. Ausschlaggebend dafür könnte gewesen sein, dass im heimischen Elternhaus wegen der schnell wachsenden Geschwisterzahl kein ausreichender Platz mehr vorhanden war. Auch wird vermutet, dass der Vater seinem ältesten Sohn eine bessere Ausbildung ermöglichen wollte. Denn Wilhelm erhielt von seinem Onkel Privatunterricht, an dem auch sein neuer und lebenslanger Freund Erich Bachmann, der gleichaltrige Sohn des örtlichen Bäckermeisters, teilnehmen durfte. Nicht wenige Biografen und Busch-Kenner sehen in der frühen Entfremdung von seiner Familie und dem Gefühl der Heimatlosigkeit die Ursache für Wilhelms späteres eigenbrötlerisches Junggesellentum, für seine Melancholie, sein von Selbstzweifeln geprägtes Wesen sowie sein pessimistisches Welt- und Menschenbild.
Maschinenbau-Studium abgebrochen
Ende 1846 zog Wilhelm Busch mit der Familie Kleine nach Lüthorst um, heute ein Stadtteil des südniedersächsischen Dassel. Ein Jahr später begann er auf Wunsch des Vaters ein Maschinenbaustudium an der Polytechnischen Schule zu Hannover. Nach fast vier quälenden Jahren bat Wilhelm seine die Ausbildung finanzierenden Eltern, den ungeliebten Maschinenbau aufgeben und zum Studium der Kunst wechseln zu dürfen. Womöglich hatte der Zeichenunterricht bei seinem Onkel bei ihm das Interesse an der Kunst geweckt. Nach einem Jahr an der Kunstakademie Düsseldorf, wo Busch nicht wie erhofft gleich in die Fortgeschrittenen-Klasse aufgenommen wurde, zog es ihn weiter an die Königliche Akademie der schönen Künste in Antwerpen. Die Werke der großen flämischen und holländischen Maler des 16. und 17. Jahrhundert, besonders Rubens, Rembrandt oder Franz Hals, beeindruckten ihn einerseits. Andererseits führte dies dazu, dass er an seinen eigenen malerischen Fähigkeiten zu zweifeln begann.
Wegen einer schweren Typhuserkrankung kehrte er 1853 für fünf Monate in sein Elternhaus zurück, wo er während der Rekonvaleszenz eine schriftliche Sammlung mündlich überlieferter Volkslieder, Sagen und Märchen anlegte. Diese wurden allerdings erst nach seinem Tod 1910 unter dem Titel „Ut ôler Welt" veröffentlicht.
Im November 1854 setzte Busch sein Studium an der Königlichen Akademie der Künste in München fort. Zwar versuchte er sich auch an der Isar noch ernsthaft in der
Malerei. Doch interessanter, anziehender und für seinen kommenden Lebensweg von entscheidender Bedeutung sollte das lustige Leben der Münchner Künstlerszene sein. Vor allem die feuchtfröhlichen Sitzungen des Künstlervereins „Jung-München", bei denen sich Busch mit Malergrößen wie Franz von Lenbach anfreundete. In diesem Umfeld entpuppte sich Busch bald schon als Meister des flinken Zeichenstifts, indem er für die Vereinszeitung, aber auch für andere Kneipenblättchen oder Theater-Programmzettel Karikaturen entwarf. Die hatten offenkundig auch dem Verleger Kasper Braun gefallen, der Busch daraufhin im Sommer 1858 als Zeichner und Karikaturisten für die von ihm herausgegebenen „Fliegenden Blätter" und den „Münchener Bilderbogen" verpflichtete. Somit verfügte Busch erstmals über ausreichende finanzielle Mittel für seinen Lebensunterhalt und musste nicht – wie kurzzeitig von ihm erwogen – als künftiger Bienenzüchter nach Brasilien auswandern.
Spießbürgern den Spiegel vorhalten
In rascher Folge verfasste Busch in den folgenden Jahren kleine Geschichten aus Bildern und Versen, in denen er das erprobte, was ihn von allen anderen lustigen Zeichnern unterscheiden sollte. Busch trainierte unermüdlich seinen Sprachwitz und den Witz seines Strichs, reimte seine Verse auf Teufel komm raus und pflegte seine Fähigkeit, eine Geschichte in einer Folge von Zeichnungen zu erklären. Für die ästhetische Technik einer Verbindung von karikaturhaften Zeichnungen mit gereimten Texten gab es in Europa nur wenige Vorbilder. Am nächsten kam Busch diesbezüglich noch dem Schweizer Bilderzeicher Rodolphe Töpffer, dessen „Komische Bilderromane" in den 1820er- und 1830er-Jahren erschienen waren. Im Unterschied zu Töpffer zeigte sich Busch aber als begnadeter Lyriker. Er hatte früh begriffen, dass kommentierte Zeichnungen nur dann funktionieren, wenn sie Tempo hatten. Je spektakulärer die Aktion, desto eindringlicher konnten sie auf den Leser wirken. Von daher kann Busch durchaus als Vater des Comics bezeichnet werden.
Auch Ungewöhnliches wie eine satirische Kleinbürgerkomödie „Einer hat gebimmelt und alle haben gebummelt" oder Libretti für die Operetten „Liebestreu und Grausamkeit", „Hänsel und Gretel" und „Der Vetter auf Besuch" fallen in die Münchner Jahre.
Ab 1864 erschienen dann die großen Bildergeschichten, beginnend mit den vom Verlag Heinrich Richter publizierten „Bilderpossen" und endend mit „Plisch und Plum" 1882, „Balduin Bählmann" 1883 und „Maler Klecksel" 1884. Zuvor waren bereits „Max und Moritz" erschienen. Kaspar Braun, der die Geschichten 1865 verlegte, machten sie zu einem vermögenden und Busch zu einem berühmten Mann. Fortan sollte sich für Busch, den der Historikern Golo Mann als einen „selbstquälerischen, grundgescheiten, mitleidenden Sadisten" charakterisiert hatte, ein Erfolg an den anderen Reihen. Beispielsweise „Hans Huckebein, der Unglücksrabe" 1867, „Der heilige Antonius von Padua" 1870, „Die fromme Helene" 1872, die Knopp-Trilogie zwischen 1875 und 1877 oder „Fipps der Affe" 1879.
Dabei zeigte sich, dass Busch alles andere als ein Kinderbuchautor oder ein stets gut gelaunter Spaßmacher war. Seine Bildergeschichten waren für Busch anfangs nur „Produkte des drängenden Ernährungstriebs", wie er es selbst formulierte. Mit ihnen nahm der angriffslustige Freigeist und originelle Spötter engmaschigen Denkens alle Spießbürger seiner Zeit mit teils makabrem Humor und stets kalt-sezierendem Blick aufs Korn. Als Kunstwerke hätte er sie wohl niemals bezeichnet – trotz meisterhafter Zeichentechnik. Stattdessen pflegte er weiter im stillen Kämmerlein die Malerei, mehr als 1.000 Ölbilder hat Busch bis an sein Lebensende geschaffen. Kein einziges davon wurde ausgestellt oder verkauft. Auch mit seinem 1874 veröffentlichten Gedichtband „Kritik des Herzens" stieß er beim auf seine Bildergeschichten abonnierten Publikum auf wenig Gegenliebe. Gleiches galt für seine beiden Romane „Eduards Traum" 1891 und „Der Schmetterling" 1895.
1898 Rückzug aufs Altenteil
Privat blieb Busch ein Kettenraucher von Gottes Gnaden samt heftigen Nikotinvergiftungen und ein Quartalstrinker. Gebunden hatte er sich nie, zeitlebens scheint er nur platonische Beziehungen mit Damen gehabt zu haben. Sein Werben um die blutjunge Kaufmannstochter Anna Richter scheiterte 1862 am Veto des Vaters seiner Angebeteten. Die glühende Bewunderung für die Frankfurter Bankiersgattin und Kunstmäzenin Johanna Keßler, in deren Umfeld er fast fünf Jahre bis 1872 gelebt und wo er sich eingehend mit dem Werk Arthur Schopenhauers befasst hatte, sollte sich nicht zu einer echten Beziehung entwickeln.
Nach dem Tod seines Schwagers 1878 kehrte Busch nach Wiedensahl zurück und übernahm an der Seite seiner Schwester Fanny Nöldecke die Vaterrolle für seine drei Neffen. Der Umzug zu seinem Neffen Otto Nöldecke nach Mechtshausen am Harz, den Busch 1898 gemeinsam mit Fanny antrat, war so etwas wie der endgültige Rückzug aufs Altenteil. Busch ordnete seine Werke, verfasste 1893 seine Autobiografie „Von mir über mich" und arbeitete noch an Gedichtsammlungen: „Zu guter letzt" erschien 1904, „Schein und Sein" erst postum 1909. In den frühen Morgenstunden des 9. Januar 1908 war Wilhelm Busch im Pfarrhaus in Mechtshausen friedlich entschlafen.