Das Saarland profitiert von aktuellen Urlaubstrends wie Kurztrips und Wanderurlaube. 2016 knackte die Übernachtungszahl die Drei-Millionen-Marke. Die Strategie: Emotionale Geschichten wie die vom „Orscholzer Tütchen backen" vermarkten das Saarland als liebenswert-familiäres Reiseziel.
Es sind ehrgeizige Ziele, die sich die Tourismus Zentrale des Saarlandes gesetzt hat: Bis 2025 soll die Anzahl der Übernachtungen auf 3,3 Millionen im Jahr steigen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 1,2 Prozent. So fordert es zumindest die Tourismusstrategie des Saarlandes. Immerhin habe man die Drei-Millionen-Marke 2016 geknackt, und auch 2017 dürfte trotz Wetterkapriolen noch ganz gut ausfallen, zeigt sich Geschäftsführerin Birgit Grauvogel von der Tourismus Zentrale optimistisch für die Zukunft.
Dass das wahrlich nicht ganz einfach zu vermarktende Produkt „Saarland" sich in der Tourismusbranche mittlerweile gemausert hat, liegt am veränderten Freizeit- und Reiseverhalten der Menschen. Wochenendtrips mit zwei oder drei Übernachtungen, themenbezogene Aufenthalte mit den Schwerpunkten Natur, Kulinarik, Wellness, Indus-triekultur oder Outdoor-Aktivitäten wie Wandern oder Radfahren sind en vogue, und da kann das Saarland im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands punkten. Außerdem spiele die Anfahrtszeit für Kurztrips eine wichtige Rolle, erzählt Grauvogel weiter. Gäste aus Luxemburg, Belgien oder aus den Nachbarregionen Rheinland-Pfalz bis hin zur Rheinschiene kommen gerne mal schnell für kurze Zeit ins Saarland.
Wurden die deutschen Mittelgebirgslandschaften wie der Hunsrück früher als langweilig angesehen und von der großen Mehrheit der Deutschen eher links liegen gelassen, hat sich auf diesem Gebiet einiges getan. Nicht nur die Älteren mit einem erhöhten Anspruch an Komfort und Sicherheit, sondern auch die Jüngeren entdecken auf einmal die Vorzüge, die zum Beispiel das Saarland bietet. Alternative Übernachtungsmöglichkeiten wie der „Cloefhänger" inmitten von Bäumen, „Glamping", glamouröses Camping oder Übernachten im Weinfass sind außergewöhnlich. Begleitet werden solche Aktionen mit Einträgen im reiseblog.saarland oder auf facebook.com/urlaubimsaarland. „Es sind die emotionalen Geschichten, die in den sozialen Netzwerken aufhorchen lassen und eine eigene Fangemeinde anziehen", erklärt Susanne Renk von der Tourismus Zentrale die Strategie.
Anfahrtszeit spielt eine wichtige Rolle
Ein großes Ziel ist es, die Menschen zum Wiederkommen zu bewegen. „Saarland to stay" heißt deshalb die Devise im Gegensatz zur herrschenden „To-go-Mentalität". Kleine Geschichten, wie die vom „Tütchen backen in Orscholz", sollen helfen, das Saarland als angenehm familiär und liebenswert zu vermarkten. Dass dazu heute Facebook, Instagram und Bloggs als moderne Kommunikationsmittel genutzt werden und die Tourismus Zentrale nicht nur auf das klassische Marketing setzen, sei ein absolutes Muss, um „das Bett zum Gast" zu bringen, sagt Birgit Grauvogel.
Längst ist auch in den Köpfen der politisch Handelnden die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im Saarland angekommen. 33.000 Beschäftigte, 100 Millionen Euro Wertschöpfung durch Steuern, 2,8 Prozent als Beitrag zum gesamten saarländischen Volkseinkommen stehen auf der Habenseite der Tourismusbranche im Saarland. Damit das künftig mehr wird, bleibt noch viel zu tun. Denn das wichtigste Ziel der Tourismus Zentrale ist und bleibt es, die Betriebe der Branche in Zukunft wettbewerbsfähig zu halten. Und deshalb werben die Verantwortlichen verstärkt um mehr Wertschätzung des Tourismus bei der saarländischen Bevölkerung.
Besuchermagneten sind das Weltkulturerbe in Völklingen, der Baumwipfelpfad an der Saarschleife in Orscholz, der Naturpark Saar-Hunsrück und der Bostalsee. Millionen-Investitionen wie Center Parks am Bostalsee, die qualitativ hochwertige Seezeitlodge in Gonnesweiler oder das geplante Hotel neben der Saarland-Therme in Rilchingen machen deutlich, dass der Tourismus im Saarland eine Wachstumsbranche ist und an Attraktivität zulegt. „Die Investoren außerhalb des Saarlandes glauben an uns", freute sich Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger bei der Vorstellung des Tourismusbarometers.
Luft nach oben gibt es beim Kongress- und Geschäftsreiseverkehr, aber die innerdeutsche Randlage und die damit verbundene unkomfortable Erreichbarkeit des Saarlandes per Flugzeug und Bahn lassen nach wie vor zu wünschen übrig. Dabei spielen Umwelt und Nachhaltigkeit, Weiterentwicklung des ÖPNV sowie E-Mobilität in der Tourismusstrategie eine zunehmend wichtige Rolle. So sollen bis 2025 mindestens 50 Unternehmen aus dem Hotellerie und Gaststättengewerbe nach neuesten Standards zertifiziert werden. Derzeit sind es nur fünf. Verbesserungspotenzial sehen die Tourismusmacher in der Qualitätssicherung bei Service und Dienstleistungen in Kultur, Freizeit und Gastronomie. „Die Gäste müssen überall im Saarland auf ein gewisses Mindestniveau bei Qualitätsstandards treffen", fordert Grauvogel. Ein wichtiges Handlungsfeld sei daher die Attraktivitätssteigerung der Ortsbilder. Hier arbeite man mit den Kommunen und Landkreisen Hand in Hand. „Das Saarland ist zwar klein, lässt sich aber dafür als eine einheitliche Region vermarkten im Gegensatz zu anderen Bundesländern mit vielen unterschiedlichen Regionen und Gebieten."
Qualität sichern und verbessern
Neben dem Kongress- und Tagungswesen sowie den genannten Schwerpunktthemen Natur, Kultur, Kulinarik und Outdoor kommt den Kur- und Reha-Aufenthalten eine wichtige Rolle zu. Sie tragen zu einem erheblichen Teil der gestiegenen Übernachtungszahlen bei. Auch neue Aktionen sind gefragt. In Zusammenarbeit mit der Uniklinik in Homburg hat die Tourismus Zentrale beispielsweise die Aktion „Hören mit Herz" entwickelt, so dass die Belange von Schwerhörigen in Hotels oder bei Besichtigungen Berücksichtigung finden.
Etwa 40 saarländische Gastgeber überreichen außerdem ihren Gästen seit April 2017 die Saarland Card. Diese Gästekarte erlaubt die kostenlose Nutzung des ÖPNV im Saarland und bietet freien oder vergünstigten Eintritt in zahlreichen Einrichtungen im Land. Die Saarland Card hat die FreizeitCARD der Großregion im Prinzip abgelöst, da das bis 2015 mit Interreg-Mitteln geförderte Projekt ausgelaufen ist und sich einige Partner nicht mehr finanziell beteiligen wollten. Die grenzüberschreitende Tourismusvermarktung sei zwar wünschenswert, da sie als Alleinstellungsmerkmal vier europäische Länder auf engstem Raum biete, aber eben auch sehr schwierig, so die Geschäftsführerin der Tourismus Zentrale. Inzwischen seien es zwölf Partner aus Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg, die sich gemeinsam verständigen müssten.
2018 sollen auf jeden Fall die kulturellen Highlights stärker in den Vordergrund rücken. Mit der Eröffnung des Vierten Pavillons, dem Centre Pompidou in Metz und dem Mudam in Luxemburg hat die Großregion drei echte kulturelle Trümpfe in der Hand. Stärker beworben wird im Saarland zudem die Industriekultur wie die Architektur des Saarpolygons. Und viele neue emotionale Geschichten sollen „Saarland to stay" künftig weiter voranbringen.