Ein rundum optimistischer Jahresauftakt sieht gemeinhin anders aus. Die Ministerpräsidentin sieht das Land vor großen Herausforderungen und sich selbst vor der Spekulation über neue Aufgaben. Dazu überlagert ein Finanzskandal beim Landessportverband die politische Agenda.
Manchmal tut es dem Land vielleicht ganz gut, wenn es eine Zeit lang nicht regiert wird. Gesagt hat das einer aus der Runde der Staatssekretäre, schnippisch-schmunzelnd am Rande eines der zahlreichen Neujahrsempfänge. Derzeit sorgt die Staatssekretärsebene dafür, dass nichts anbrennt und zumindest die notwendigen Regierungsgeschäfte reibungslos erledigt werden, während beide Regierungsspitzen, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und ihre Stellvertreterin, Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD), an prominenter Stelle in Berlin ihren jeweiligen Einfluss, zunächst in den aufreibenden GroKo-Sondierungen, geltend machen. Die erste routinemäßige Kabinettssitzung im neuen Jahr fiel folglich dem Berliner Terminkalender zum Opfer.
Vor genau einem Jahr nahm der saarländische Landtagswahlkampf so richtig Fahrt auf. Die anschließende Fortsetzung der Saar-GroKo war nach dem Wahlergebnis ziemlich „alternativlos“. Nur so richtig regieren konnten die alten und neuen Partner bislang nicht. Zuviel hängt von Entscheidungen auf Bundesebene ab, die die Rahmenbedingungen für eine ganze Reihe zentraler Fragen setzen. Der lähmende Zustand dürfte sich noch bis Ostern hinziehen.
Saarland vor nächstem Strukturwandel
Eigentlich könnte das Land mit gewisser Zuversicht in die beiden „Zwischenjahre“ 2018/2019 gehen. Zwar stehen die noch unter dem Haushaltssanierungsdiktat, aber zusätzlich zu der Grundsatzeinigung über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020, die dem Land rund 500 Millionen jährlich und damit Luft zum Atmen bringen, ist auch eine Klärung für das besonders kritische Jahr 2019 erreicht worden. Damit hätte man getreu dem Koalitionsvertragsmotto „mutig gestalten“ in dieses Jahr starten und mit der Umsetzung des versprochenen „Jahrzehnts der Investitionen“ beginnen können.
Umso bemerkenswerter auf den ersten Blick, dass die Ministerpräsidentin bei den beiden traditionellen Anlässen zum Blick ins neue Jahr, dem Neujahrsempfang und ihrem Empfang, ernüchternd feststellt: „Nicht alles ist gut“. Die darauf folgende Auflistung, wo es denn nun im Argen liegt, umfasste dann so ziemlich alle Politik-Bereiche.
Denn – übrigens nicht nur, aber sicherlich auch besonders – im Saarland rächen sich nun die rigiden Sparmaßnahmen an allen Ecken und Enden. Der Personalabbau quer durch die Landesverwaltung erweist sich an vielen Stellen als höchst kontraproduktiv, die Vernachlässigung notwendiger Investitionen ist ohnehin quer durchs Land sicht-, erleb- und spürbar.
Folgen des Spardiktats rächen sich
Hinzu kommt nun eine Herausforderung, die an Schärfe und Dynamik rasant zunehmen wird. Während die Diskussion um den geplanten Anstieg des Grubenwassers (bis zu den Plänen einer kompletten Flutung) mit sorgenvollen Diskussionen und heftigen Auseinandersetzungen zeigen, dass der letzte große Umbruch längst noch nicht abschließend bewältigt ist, steht das exportorientierte Automobilland bereits vor dem nächsten Umbruch, dessen Dimension noch nicht wirklich klar ist. Mit dem Brexit bricht das Zielland Nummer eins saarländischer Exporte weg und die Zukunft des Automobilsektors ist ungewiss. Klar ist nur, dass die größten Umbrüche der Branche ausgerechnet in den Bereichen auf uns zukommen, in denen die saarländischen Standorte derzeit ihre Stärken haben, somit der Wandel am schärfsten wird.
Die Defizite im Schulbereich wurden gerade zum Jahreswechsel wieder überdeutlich. Ebenso die ungeklärte Situation im Krankenhausbereich, wo die Schließung in Wadern und die Ankündigung für Dillingen überdeutlich gemacht haben, dass ein abgestimmtes Konzept fehlt.
Auch hier hat jüngst ein Gutachten Erstaunliches präsentiert: Während jahrelang gebetsmühlenartig vom Überangebot und der damit verbundenen Notwendigkeit von Bettenabbau die Rede war, weist es nun in die genau umgekehrte Richtung.
Ganz ähnlich laufen nun auch die Diskussionen dort, wo bislang die Maxime vom Personalabbau als unvermeidbarer Notwendigkeit galt: Polizei und Justiz als sensibelste Bereiche. Aber auch der Verlust von Expertise auf den Fachebenen rächt sich nun, da es statt Abbau mit dem Investitionsjahrzehnt wieder in eine andere Richtung gehen soll.
Als gäbe es nicht ausreichend zu tun, startet das neue Jahr gleich noch mit einem bemerkenswerten Finanzskandal beim Landessportverband.
Fast schon symptomatisch verlief die erste Landespressekonferenz in diesem Jahr mit den Spitzen der Landtagsfraktionen. Für den traditionellen Ausblick auf politische Schwerpunkte von Regierungsfraktionen und Opposition blieb angesichts der Diskussion um Konsequenzen aus dem Skandal, sowohl finanzielle als auch personelle, kaum noch Zeit.
Dabei bleibt keine Zeit zum Ausruhen, warnt die Ministerpräsidentin die illustre Gästeschar ihres Neujahrsempfangs derart eindringlich, dass zumindest bei dem ein oder anderen die Frage auftauchte, ob dahinter mehr als die bislang ohnehin bekannten Herausforderungen stecken.
Eine Zeit lang mag es ohne womöglich politisch übereifrige Regierung ganz nett sein. Es darf nur nicht zu lange anhalten, meint auch zitierter Staatssekretär. Denn ohne Kenntnis künftiger Rahmenbedingungen lassen sich vernünftigerweise kaum Entscheidungen treffen. So standen zwar für die erste Sitzung des Landtags in diesem Jahr zwar einige Anträge zur Diskussion, aber nur ein Gesetzesentwurf. Und der kam weder von Regierung noch einer der sie tragenden Fraktionen, sondern von der Opposition (Die Linke zur Stärkung von Bürgerbeteiligung als Konsequenz aus dem gescheiterten G9-Volksbegehren).