Über die Sinnhaftigkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Weihnachten liegt zwar hinter uns, aber noch nicht so lange, dass man auch in einer völlig verkommerzialisierten Welt nicht doch noch ein eher christliches Thema anschneiden könnte. Wie haben die Menschen im Paradies gelebt? Wovon haben sie sich ernährt? War alles frei verfügbar – bis auf diesen vermaledeiten Apfelbaum? Nur pure Lust am gottgefälligen Leben ohne Fron und Tadel? Diese und ähnliche Fragen haben die mittelalterlichen Scholastiker und frommen Gelehrte Jahrhunderte lang intensiv beschäftigt.
Die Zeit des Paradieses endete – wie wir alle wissen – im Desaster und in Vertreibung. Seither heißt es für die Menschen: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verdienen.“ Zwar hat die Menschheit es durch einen endlosen Strom von technischen und sozialen Erfindungen bis heute geschafft, den mit der Arbeit verbunden Schweiß zu minimieren beziehungsweise ganz abzuschaffen, der Zwang, eine bezahlte Tätigkeit zum Broterwerb auszuüben, ist jedoch geblieben. Unabhängig, wie die jeweilige Wirtschaftsordnung ideologisch geprägt ist, ob kommunistisch-sozialistisch oder kapitalistisch-marktwirtschaftlich: Der Zwang zur Arbeit als Mittel zum Überleben ist in jeder Wirtschaftsverfassung Grundsubstanz.
Und genau dieser Zustand sollte nach Meinung mancher „realer Utopisten“ von fern (Silicon Valley, Finnland) und nah (Boss der Drogerie-Kette dm, Mitglieder der Regierung von Schleswig-Holstein) nunmehr abgeschafft und durch eine völlig neue Wirtschaftsordnung ersetzt werden. Sie alle plädieren für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Soll heißen: Einkommen für jedermann, mit oder ohne Arbeit. Der Ausdruck Paradies wird dabei bewusst vermieden.
In der Tat, die Idee ist berückend. Und keine Erfindung der Neuzeit. Schon Nobel-Ökonom Milton Friedmann hielt das bedingungslose Grundeinkommen für eine gute Idee, denn er war der Meinung, dass Leute immer dann arm sind, „wenn sie kein Geld haben“. Wie wahr! Richard Nixon griff diese Idee auf, scheiterte aber damit aber im Kongress, weil den Demokraten seine Idee nicht weit genug ging.
In der Tat hat die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens durchaus charmante Seiten. Zum einen geht die Vorstellung um, durch Digitalisierung und zunehmende Computerisierung unserer traditionellen Arbeitswelt würde die strukturelle Arbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft erheblich steigen. Und diese Menschen müssten dann ohnehin von der restlichen arbeitenden Gesellschaft finanziell aufgefangen werden. Warum sich also nicht gleich den Umweg über mühsame Arbeitsbeschaffungsprogramme, Sozial- und Arbeitsämter und Ähnliches ersparen und jedem, ohne Ansehen der Person, ein Grundeinkommen garantieren?
Andere durchaus ernstzunehmende Ökonomen, etwa Thomas Straubhaar, gehen noch weiter und wollen durch das Grundeinkommen alle steuer- und abgabenfinanzierten Sozialleistungen wie gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung, Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Wohn- und Kindergeld ersetzen. In der Tat: Die Garantie eines angemessenen Grundeinkommens hat etwas Verführerisches. Und überall, wo dieses Modell probeweise bei kleinen Gruppen ausprobiert wurde, ergaben sich durchaus positive Anreiz-Effekte und nicht – wie vielfach erwartet – Trunksucht und Müßiggang.
Dennoch: Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens wird sich nicht durchsetzen. Zum einen muss die Gesellschaft für Härtefälle wie Schwerbeschädigte weiterhin einspringen. Zum anderen würde sie Myriaden von Steuerberatern nebst Personal sowie alle in der öffentlichen und privaten Verwaltung der Sozialleistungen Tätigen über Nacht arbeitslos machen. Ein Zustand, den keine Partei oder demokratisch gewählte Regierung überleben würde. Das bedingungslose Grundeinkommen ist und bleibt eine „reale Utopie“.