Warum nur fallen so viele Menschen auf Werbeversprechen rein?
Völlerei. Obwohl es so klingt, wurde sie nicht nach einem deutschen Fußballer benannt. Gegen Jahresende ist sie des Deutschen bester Freund: Glühwein, Eierlikör, Plätzchen und Festschmaus nach Festschmaus. Nicht zu vergessen, dass man es an Silvester noch einmal so richtig knallen lässt. Das geht auf den Körper.
Zum Glück schafft die Gesundheitsindustrie Abhilfe. Doch nicht nur versprechen mir Tees, die ich Banause für simple Kräutertees hielt, dass ich mit ihnen „Kraft tanken“ und meine „innere Ruhe“ finden könne. Nein, es geht noch besser: Entschlackung lautet das Zauberwort. Allerdings liegt der „Zauber“ des Wortes vor allem darin, dass wir es nicht mehr hinterfragen.
Bei solchen Gelegenheiten mache ich was ganz Verrücktes: Ich gucke nach, wo es herkommt. Ja, ich kann ein echter Schlingel sein…
Das Wort „Schlacke“ gibt es seit dem 14. Jahrhundert und bezeichnete die Reste, die beim Verbrennen von Kohle und beim Gießen von Metall übrigblieben. Und exakt das bedeutet es bis heute. Es handelt sich also um unnütze Überbleibsel, um wertlosen Ballast. Schlacke! Wie das schon klingt. Bah!
Weitere 500 Jahre später begann man eine Analogie zwischen der Kanalisation und dem menschlichen Körper herzustellen. So entstand nach und nach die Idee, dass sich auch in unserem Inneren Giftstoffe ablagerten, die abtransportiert werden müssten. Bis zu diesem Zeitpunkt war Entschlackung noch schlicht und ergreifend das Reinigen von Hochöfen. Otto Buchinger, seines Zeichens Begründer des Heilfastens, übertrug den Begriff dann auf den menschlichen Körper. Durch das Fasten, so seine Behauptung, könnten Giftstoffe im Körper gelöst und abtransportiert werden.
Die wichtige Information, die er nicht mitlieferte: Der Körper kann sich auch ohne Fasten „entschlacken“. Wäre auch schlimm, wenn nicht. Dafür haben wir so großartige Organe wie Leber und Nieren. Kennen Sie, gell? Aber das ist halb so wichtig. Viel wichtiger hingegen ist, dass wir bis heute in vorhersagbaren Abständen die besten Tipps zur Entschlackung oder – noch besser, weil moderner – zu „Detox“ bekommen. Und die Faszination ist ungebrochen. Von Fastenkuren über Thermalbäder bis hin zu Bitterstoffen und exotischen Teesorten – alle haben ein Ziel: der Schlacke aber sowas von eins auszuwischen!
Man fühlt sich nicht nur besser, nein, „wahre Wunder“ können da geschehen, glaubt man den Marketingversprechen. Sogar – und da geht einem das Herz oder vielleicht auch das Messer in der Tasche auf – von „Entgiftung von Körper und Seele“ ist da die Rede. Herrgott, wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich mir die Kosten für die Psychotherapie doch schenken können, Mensch.
Unweigerlich muss ich an einen umherreisenden Händler denken, der Wundertinkturen und Jugendelixiere feilbietet. Gut, auch Alternativmediziner behaupten nicht, dass es im Körper tatsächlich (echte) Schlacken gibt. Aber, so der Mythos, es lagern sich mit der Zeit Giftstoffe ab, die insbesondere durch Fastenkuren, Darmspülungen etc. „ausgeschwemmt“ werden könnten. Doch es gibt keinerlei wissenschaftliche Belege dafür. Alle regulären Abbauprodukte transportiert jeder gesunde Körper selbst ab.
Und ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und sage: Sollte sich im Körper tatsächlich giftiges Material wie Schwermetalle befinden, helfen auch drei Tage Rohkost und fünf Liter Tee aus Süßholzwurzel, umgerührt mit einem Lapislazuli-Löffel nichts. Wobei: Wenn Vollmond ist, vielleicht…?
Dass gesunde Ernährung an sich sinnvoll ist, soll damit nicht infragegestellt werden. Es gilt: Wo man nur Müll reinkippt, kann nicht mehr als Müll rauskommen. Putzig ist nur der Trend zu überteuerten Entschlackungs-Kuren. Und danach? Machen wir weiter wie zuvor! Bis es wieder Zeit ist, der Schlacke den Kampf anzusagen.
Schlank werden ist mittels Entschlackung also kein Problem. Nur wird eben weniger der Bauch als vielmehr das Portemonnaie schlanker.