Lange Zeit blieben die Folgen des Klimawandels für die Meere weithin unbemerkt. Doch seit etwa zehn Jahren machen Wissenschaftler weltweit auf das Problem der Ozeanversauerung infolge steigender Kohlendioxid-Emissionen aufmerksam.
In der Diskussion rund um den Klimawandel drehte sich lange Zeit fast alles nur um die globale Erwärmung und die daraus resultierenden Folgen für unser Ökosystem. Und obwohl wir auf einem blauen Planeten leben, sprich zwei Drittel der Erde von Wasser bedeckt sind, wurden bislang die Auswirkungen der Klimaänderungen für die Landmasse wesentlich intensiver erforscht als für die Weiten der Ozeane und die darin anzutreffenden Lebensgemeinschaften. Erst seit rund zehn Jahren haben Wissenschaftler weltweit das gravierende Problem der Ozeanversauerung ausgemacht, die inzwischen wie die Erderwärmung zu den größten Menschheitsherausforderungen des 21. Jahrhunderts gezählt wird. Das maritime Ökosystem wird durch die rasant zunehmende Ozeanversauerung in seinem bisherigen Bestand grundlegend bedroht – und Zusammenbruch natürlicher Nahrungsketten, Artensterben, Rückgang der biologischen Vielfalt, Abnahme der Fischbestände und Küstenerosionen die Konsequenzen sein könnten. Wobei letztendlich das Kohlendioxid, sprich dessen stetig steigende Konzentration in der Atmosphäre für die Ozeanversauerung verantwortlich ist.
In der Bundesrepublik hat sich – mit 22 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert – der Wissenschaftsverbund Bioacid (Biological Impacts of Ocean Acidification – Biologische Auswirkungen von Ozeanversauerung) zwischen 2009 und 2017 aufwändig mit dieser Thematik befasst. Wobei die mehr als 250 Forscher verschiedener meereswissenschaftlicher Disziplinen aus insgesamt 20 deutschen Instituten rund 580 Fachpublikationen erarbeitet hatten.
Im Zusammenhang mit den Ozeanen gilt es, sich mit einem etwas anderen CO₂-Problem zu befassen. Dass Kohlendioxid generell ein bestimmender Faktor unseres Klimas ist und als Treibhausgas maßgeblich zur Erwärmung der Erdoberfläche und damit auch der Meere beiträgt, kann als bekannt vorausgesetzt werden. Während sich das CO2 in der Atmosphäre weitestgehend chemisch neutral verhält, also nicht mit anderen Gasen reagiert, ist es im Ozean chemisch sehr aktiv. Es löst sich leicht und fast komplett auf (der Effekt ist auch von mit Kohlendioxid versetztem Mineralwasser bekannt), es geht Verbindungen mit anderen Stoffen ein. Was zu einer Absenkung des ph-Wertes und damit einer Versauerung des Meeres führen kann, sofern von den Ozeanen auf Dauer mehr Kohlendioxid aufgenommen werden muss, als an die Atmosphäre wieder abgegeben werden kann.
Ozeane fungieren als CO²-Senke
Die Meere, in denen die Menge an Kohlenstoff 50 Mal größer ist als jene in der Luft, tauschen mittels ihrer Deckschicht, die je nach Region zwischen 50 und mehreren 100 Metern dick ist, ständig Kohlendioxid mit der Atmosphäre aus. Wobei dieser Kreislauf durch Unterschiede im jeweiligen CO₂-Partialdruck unterhalten wird. Sprich: Bei niedrigem atmosphärischem CO₂-Druck gibt der Ozean Kohlendioxid an die Atmosphäre ab, bei höherem CO₂-Druck in der Atmosphäre wird Kohlendioxid im Ozeanwasser gelöst. Der Austausch umfasst gegenwärtig über 90 Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr. Theoretisch könnte es sich dabei um ein Nullsummenspiel handeln. Aber wegen der ständig weiter ansteigenden Kohlendioxid-Konzentrationen in der Atmosphäre speichern die Ozeane inzwischen bis zu 2,2 Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr in ihrem Wasser ab. Wobei Meerwasser mit höheren Temperaturen weniger Kohlenstoff aufnehmen kann als kälteres Wasser.
Die Ozeane fungieren schon über längere Zeiträume als wichtige CO₂-Senke. Seit Beginn der Industrialisierung haben sie rund 30 Prozent allen Kohlendioxids aufgenommen, das durch menschliche Aktivitäten, also anthropogen, in die Atmosphäre gelangt ist. In Zahlen sind das bislang stolze 568 Milliarden Tonnen Kohlendioxid gewesen. Damit haben die Meere den Menschen einen unschätzbaren Dienst erwiesen, indem sie den globalen Klimawandel verlangsamt haben. Aber sie haben sich selbst durch die Versauerung einen erheblichen Schaden zugefügt. Zwar gab es auch in früheren Epochen der Erdgeschichte schon starke Versauerungen des Meerwassers infolge zusätzlichen Kohlendioxids, beispielsweise während des Paläozäns/Eozäns vor rund 50 Millionen Jahren, allerdings lief die Versauerung damals wesentlich langsamer ab. So hatten die Ozeane genügend Zeit, das zusätzliche CO₂ nach und nach in tiefere Schichten abzutransportieren. Heute breitet sich hingegen die Versauerung in rasantem Tempo im Oberflächenwasser der Meere aus, es bleibt gar keine Zeit mehr, um das Gas in lebensferne Ozeanbereiche abdriften zu lassen.
Das Ozeanwasser ist inzwischen so stark versauert wie seit 20 Millionen Jahren nicht mehr. Was sich auch in Zahlen beziffern lässt. Denn der mittlere ph-Wert des Oberflächenwassers ist seit Beginn des Industriezeitalters von 8,2 um 0,1 Einheiten auf etwa 8,1 gesunken, damit sind die Ozeane noch geringfügig basisch. Was auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade dramatisch erscheinen mag. Da der ph-Wert aber auf einer logarithmischen Skala gemessen wird, auf der eine Einheit einer zehnfachen Veränderung des Säure-Basen-Gehalts entspricht, bedeutet die Veränderung eine Erhöhung des Säuregehalts der Ozeane um 30 Prozent. Für das Ende des 21. Jahrhunderts wird mit einer weiteren Absenkung des ph-Wertes um 0,2 bis 0,4 gerechnet, in der Arktis könnte es sogar zu einem Rückgang um 0,5 Einheiten kommen, weil dort das kalte Wasser die Aufnahme einer entsprechend höheren Menge an Kohlendioxid ermöglicht.
Die Folge ist ein Massensterben
Zum besseren Verständnis sollte man sich die Prozesse vergegenwärtigen, die im Meerwasser bei der Verarbeitung des Kohlendioxids ablaufen. Kohlendioxid und Wasser bilden Kohlensäure, die wiederum in Hydrogen- oder Bicarbonate sowie Wasserstoffionen (H+) zerfällt. Vor allem die Vermehrung der Wasserstoffionen ist problematisch, weil diese mit den normalerweise in Unmengen im Oberflächenwasser vorhandenen Carbonat-Ionen anbändeln und dabei das Carbonat in Bicarbonat umwandeln. Was vor allem für Lebewesen mit Kalkschalen oder Kalkskeletten fatal ist, weil Carbonat ein wichtiger Baustein für alle Kalk bildenden Organismen wie Korallen, Muscheln, Schnecken, Seeigel oder planktische Kalkbildner darstellt. Geht der Carbonatgehalt im Wasser zurück, benötigen diese Organismen mehr Energie für ihre Kalzifikation. Sie produzieren weniger robuste Skelette. Ab einer gewissen Säuremenge lösen sich die Kalkskelette sogar ganz auf. Bei einigen Arten wurden zusätzlich eine Verlangsamung des Wachstums oder eine Abnahme der Fortpflanzungsfähigkeit festgestellt. Besonders die meisten Korallen sind von der Ozeanversauerung betroffen, weil ihr Kalziumkarbonat hauptsächlich aus Aragonit besteht, das sich im Vergleich zum Kalzit, das sich in den Schalen von Muscheln, einigen Korallenarten, Seeigeln oder Seesternen befindet, wesentlich leichter auflöst.
Es gibt allerdings auch Tiergruppen, die offenbar wesentlich robuster auf die Versauerung reagieren. Beispielsweise Krebstiere oder die meisten Fische. Was Wissenschaftler damit erklären, dass Fische beispielsweise sinkende ph-Werte in ihrem Blut durch perfekte Säure-Base-Regulation ausgleichen können. Dennoch legen erste Untersuchungen nahe, dass zumindest Laich und Larven der Fische sehr empfindlich auf die Versauerung reagieren. Als besondere Profiteure der Versauerung haben Wissenschaftler bislang beispielsweise Quallen, giftige Blaualgen und Seegras ausgemacht. Die Versauerung der Meere, die den Ozeanpflanzen dank einer verbesserten Kohlenstoffdioxid-Düngung durchaus zugutekommt, wird auch die geografische Verbreitung wichtiger Gruppen mariner Lebewesen verändern. Unverminderte Kohlendioxid-Emissionen könnten beispielsweise in den nördlichen und südlichen Polarregionen zu einer derart starken Karbonatuntersättigung führen, dass diese Zonen für viele kalkhaltige Lebewesen unbewohnbar werden.
Schon einmal war es infolge der Ozeanversauerung zum größten Massensterben der Erdgeschichte in den Meeren gekommen. Und zwar vor 250 Millionen Jahren, am Ende des Perms, als es infolge der verstärkten Aufnahme von Kohlendioxiden in den Meeren zu einem Aussterben von mindestens 80 Prozent der Tierarten gekommen war. Wobei die damalige Ozeanversauerung 10.000 Jahre lang angedauert hat und sich der Prozess des Massensterbens über 60.000 Jahre hingezogen haben soll. Was die aktuelle Entwicklung betrifft, so dürfte es ungemein hilfreich sein, die vom Menschen verursachten CO₂-Emissionen möglichst schnell zu reduzieren. Denn je stärker der Ozean versauert, desto weniger kann er zusätzliches Kohlendioxid aufnehmen und seine Funktion als CO₂-Senke in bewährter Manier weiterhin erfüllen.