Viele Soldaten nehmen bei ihren Auslandseinsätzen einen Straßenhund auf. Ihn mit in die Heimat zu nehmen, erlaubt jedoch kaum eine Armee. Der Brite Pen Farthing (49) wollte da nicht länger zusehen – und gründete den Verband Nowzad.
Herr Farthing, Ihr Verein hilft Soldaten, Straßenhunde mit nach Hause zu nehmen, die sie bei Auslandseinsätzen aufgenommen haben. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Ich selbst habe 20 Jahre lang in der britischen Armee gedient. Von 2006 bis 2007 war ich in Afghanistan stationiert, in einem entlegenen Ort namens Now Zad. Eines Tages fand direkt vor unserer Basis ein organisierter Hundekampf statt. Nachdem wir ihn unterbunden hatten, war da dieser Hund, der mir nicht mehr von der Seite wich. Ich nannte ihn Now-zad. Viele dieser Straßenhunde hatten ein elendes Leben. Noch nie hatte sich ein Mensch für sie interessiert. So kam es, dass Nowzad und ich uns anfreundeten – er wurde mein Hund.
Warum durften Sie Nowzad nach Ende Ihres Einsatzes nicht mit nach England bringen?
Die Armee hat sehr strenge Regeln. Transportiert werden nur Soldaten und deren Marschgepäck, wozu ein Straßenhund leider nicht zählt. Außerdem fürchtet man sich davor, Krankheiten in die Heimat einzuschleppen. Das ist nicht nur in Großbritannien so, sondern bei den meisten Armeen der Welt. Für viele Soldaten, die sich im Ausland mit Hunden anfreunden, ist das ein Riesenproblem. Was wird aus ihren Hunden, wenn sie von einem Tag auf den anderen nicht mehr da sind? Bei Nowzad war es am Ende so, dass ich ihn in einem afghanischen Taxi außer Landes schmuggeln musste.
Wie genau hilft Ihre Organisation den Betroffenen?
Zunächst einmal betreiben wir eine Hundeklinik und eine Auffangstation in Kabul – die erste überhaupt in dem Land. Dort können Hunde, Katzen und neuerdings auch Esel medizinisch untersucht und geimpft werden. Die Tiere können dort so lange bleiben, bis wir genügend Spenden für einen Heimflug zusammen haben. Auf diese Weise konnten inzwischen 1.000 Veteranen mit ihren Hunden zusammengeführt werden, meist Briten, aber auch viele Amerikaner, Kandier, Australier, Südafrikaner und Europäer. Auch Deutsche waren schon dabei. Die Klinik in Kabul hilft auch den Einheimischen, denn sie steht allen offen. Und sie bietet unseren hochqualifizierten Tierärzten einen Arbeitsplatz, darunter drei Frauen, was immer noch eine Besonderheit in Afghanistan ist.
Warum setzen Sie sich überhaupt dafür ein, die Tiere aus Ihrer Heimat auszufliegen? Immerhin sind sie dort zu Hause, selbst wenn die Lebensbedingungen nicht mit westlichen Standards vergleichbar sind.
Wir sind nicht nur in Afghanistan aktiv, sondern auch im Irak, in Libyen, in Kuwait und der Ukraine. Die Probleme ähneln sich, und die Straßenhunde haben meist nur ein sehr kurzes Leben. Sie sind ständig damit beschäftigt, Futter zu suchen. Sie leiden unter Krankheiten und unter Menschen, die sie nicht gut behandeln. Hinzu kommen extrem kalte Winter und extrem heiße Sommer. Das Gleiche gilt für Katzen, die ebenso unter Tollwut und anderen ansteckenden Krankheiten leiden. Wenn wir diesen Tieren helfen, tun wir also nicht nur ihnen etwas Gutes, sondern letztlich auch den Menschen vor Ort.
Trotzdem ist die Umstellung vom wilden zum domestizierten Leben sicher nicht einfach. Wie hat es bei Nowzad funktioniert?
Am Anfang war er total verängstigt, sobald irgendwelche lauten Geräusche zu hören waren. In Afghanistan war er bei mir gewesen, als wir beschossen wurden – so etwas kann weder ein Mensch noch ein Hund vergessen. Deshalb hatte er an Silvester immer besonders große Angst. Auch bei Fehlzündungen ist er am Anfang immer erschrocken. Doch wir haben zusammen daran gearbeitet und ihn an die Geräusche der Stadt gewöhnt. Mit Leckerchen kann man viel erreichen.
Wie geht es Nowzad heute?
Leider ist er dieses Jahr gestorben. Das macht mich natürlich traurig, aber ich empfinde auch eine große Dankbarkeit, ihn gehabt zu haben. Außerdem lebt sein Erbe in unserer Arbeit weiter. Bei jedem Hund, den wir vermitteln, denke ich an Nowzad.