Tayfun Korkut, Michael Frontzeck und Robin Dutt schienen in der Bundesliga gescheitert. Nun sind sie alle zurück. Sogar die Fans waren skeptisch. Doch jetzt sind sie ziemlich erfolgreich.
Wer Ende Januar darauf gewettet hätte, dass Tayfun Korkut, Michael Frontzeck und Robin Dutt noch in dieser Saison Vereine in der 1. und 2. Fußball-Bundesliga übernehmen würden, der hätte wohl viel Geld verdienen können. Alle drei galten in Deutschland als gescheitert, verbrannt, als Auslaufmodelle, die es schwer haben würden, im deutschen Profi-Fußball noch mal gute Jobs zu bekommen. Doch dann wurden alle drei als vermeintliche Retter verpflichtet: Korkut am 29. Januar beim Erstligisten VfB Stuttgart, Frontzeck am 1. Februar beim Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern und Dutt am 12. Februar beim Lauterer Liga-Rivalen VfL Bochum. Ihnen schlug große Skepsis entgegen. Doch die bisherigen Ergebnisse sprechen für sie.
Die ruhige Art, die den dreien oft als fehlende Emotionalität und Begeisterungsfähigkeit ausgelegt wurde, verhalf ihnen offenbar nun zu den neuen Jobs. Denn ihre neuen Clubs steckten nicht nur in akuter Abstiegsgefahr, bei allen dreien herrschte auch große Unruhe. Und in dieser Phase hofften die Vereine auf die ruhige Art und die Erfahrung von Korkut, Frontzeck und Dutt.
In Stuttgart schien dieser Schuss im ersten Moment völlig nach hinten loszugehen. Die Entlassung von Aufstiegs-Trainer Hannes Wolf war für viele überraschend und unnötig. Manager Michael Reschke rutschte in die Rolle des Sündenbocks, und die Nachricht von Korkuts Verpflichtung sorgte bei vielen VfB-Anhängern für Entsetzen. Zwar ist der ehemalige türkische Nationalspieler gebürtiger Stuttgarter und lebte während seiner Vereinslosigkeit unweit des VfB-Stadions. Doch seine vorherige Vita galt als wenig verheißungsvoll.
Bei seiner ersten Cheftrainer-Aufgabe in Hannover legte Korkut 2014 ein gutes Kalenderjahr hin, im April 2015 wurde er nach letztlich 13 Spielen in Folge ohne Sieg entlassen. 14 Monate wartete er daraufhin auf einen neuen Job, den er schließlich vor der Saison 2016/17 beim Zweitligisten Lautern antrat. Nach der Hinrunde mit vier Siegen aus 17 Spielen trat Korkut zurück. Drei Monate später schien er die Treppe hinaufzufallen, wurde überraschend Nachfolger des entlassenen Roger Schmidt bei Bayer Leverkusen. Der habe Korkut „einen kleinen Schrotthaufen hinterlassen", gab Nationalspieler Julian Brandt später ungewöhnlich offen zu. Schmidt hatte die Bayer-Profis mental und taktisch überfordert, verwirrt und ausgelaugt, Korkut konnte den Hebel erst ganz am Ende der Saison umlegen. So rettete er Bayer zwar vor dem Abstieg, doch erst unter ihm war das Team in die wirklich gefährliche Zone abgerutscht.
Korkuts mäßige Bilanz
Korkut, der stets den Einfluss der drei Weggefährten und Weltmeister-Trainer Joachim Löw, Carlos Alberto Parreira und Vicente del Bosque betont, wurde zwar ausdrücklich als Übergangslösung verpflichtet. Dass Bayer ihn nicht weiterbeschäftigte, war aber schon ein Statement. Denn Assistent Xaver Zembrod durfte bleiben, und Bayer hatte keinen Trainer in der Hinterhand. Es dauerte fast einen Monat, bis Heiko Herrlich als Nachfolger präsentiert wurde. Dass sie in Leverkusen, wie bei allen anderen Stationen zuvor, Korkuts menschliche Vorzüge lobten, schien da ein schwacher Trost.
Die VfB-Fans wollten es denn auch erst gar nicht glauben, als ihr Verein Korkut als neuen Trainer präsentierte. Unter der Bekanntgabe auf Twitter gab es Hunderte Kommentare, keiner war wirklich positiv. Einen „Tayfun der Empörung" sah die „Stuttgarter Zeitung" aufziehen. Beim ersten Training unter dem neuen Coach waren 250 Fans am Trainingsplatz – die alle demonstrativ und beharrlich schwiegen, statt zu klatschen oder aufmunternde Worte auszusprechen. Es herrschte eine fast schon gespenstische Stimmung.
Doch Korkut spielte seinen größten Vorzug aus – er blieb ruhig. Holte mit dem VfB beim 1:1 in Wolfsburg zum Auftakt einen Punkt. Und gewann mit den Schwaben hinterher viermal in Folge. Anfang März waren die zuvor bedrohten Schwaben als zweitbestes Rückrunden-Team einem Europacup-Platz näher als der Abstiegszone – und Korkut obenauf.
Ähnlich heftige Reaktionen wie Korkut nun erlebte Michael Frontzeck schon gleich bei seiner ersten Trainer-Station. 2006 wurde er nach dem dritten Spieltag Cheftrainer des Aufsteigers Alemannia Aachen. Der damalige Sportchef Jörg Schmadtke begründete die Installation mit den Worten: „Ich mache ja gern Dinge, die nicht jeder auf dem Zettel hat." Frontzeck erlebte direkt ein Jahr, in dem alles drin war. Er wurde zu Beginn als Ex-Gladbacher von den Alemannia-Fans angefeindet und vor dem Rückspiel von Borussen-Anhängern. Er schlug mit der Alemannia zweimal den FC Bayern – und stieg am Ende trotz einer tollen Ausgangsposition noch ab und wurde entlassen.
Es folgten wenig oder bestenfalls halbwegs erfolgreiche Stationen in Bielefeld, Mönchengladbach, St. Pauli und Hannover – und immer wieder lange Wartepausen. 20 Monate zwischen Gladbach und St. Pauli, 17 zwischen St. Pauli und Hannover (wo er Nachfolger von Korkut war) und nun schließlich fast 26 Monate bis zum Engagement in der Pfalz. Geschadet hatte seinem Ansehen vor allem die Zeit bei seinem Heimatverein in Gladbach, wo er das Team als abgeschlagener Tabellenletzter an Lucien Favre übergab, der es anschließend souverän rettete und mit dem fast selben Kader bis in den Europacup durchstartete.
Auch die Umstände von Frontzecks Einstieg in Lautern waren ungewöhnlich. Vorgänger Jeff Strasser war beim ersten Rückrunden-Spiel in Darmstadt als medizinischer Notfall in ein Krankenhaus gebracht worden. Es wurden Herzrhythmusstörungen diagnostiziert, Strasser musste eine Pause einlegen. Frontzeck galt eigentlich als Interimslösung, bekam dann aber einen Fixvertrag bis 2019, der auch im Falle des Abstiegs gilt. Auch er wurde zunächst belächelt, auch er gewann und gewann. Vier der ersten sechs Spiele unter Frontzeck entschieden die Pfälzer für sich – von den 19 davor hatten sie gerade mal zwei gewonnen. Aus zehn Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz hatte Frontzeck innerhalb von diesen sechs Spielen fünf gemacht. Und stellte nach dem furiosen 4:3 gegen Union Berlin fest: „Der Betze brennt lichterloh."
Dutt kehrte auf die Bank zurück
Der Rückstand wäre sogar noch knapper gewesen, hätte Robin Dutt nicht zumindest sein drittes Spiel mit Bochum gewonnen. Bei seinem Einstieg beim VfL gab es viele Parallelen zu Korkut und Frontzeck. Auch Dutt schien verbrannt nach einigen missglückten Engagements. Hatte er zu Beginn noch beachtliche Erfolge mit den Stuttgarter Kickers und dem SC Freiburg gefeiert, so scheiterte er in Leverkusen und Bremen, war als Sportvorstand in Stuttgart einer der Hauptverantwortlichen für den überraschenden Abstieg 2016. Gefördert wurde das kritische Bild des in Köln geborenen und im Schwabenland aufgewachsenen Sohns eines Inders und einer Deutschen durch seine Unentschlossenheit.
Nach dem missglückten Engagement in Leverkusen wurde er 2012 Sportdirektor des DFB, sprach von einer „unglaublich reizvollen Aufgabe". Und trat nach nicht einmal einem Jahr zurück. Weil er zur Erkenntnis gekommen war, dass nur Sportdirektor sein solle, „wer mit Leib und Seele Funktionär sein möchte – und keiner, in dem ein Trainer schlummert". Also wurde Dutt wieder Trainer. In Bremen. Weil er „wieder den Rasen riechen" wollte. Nach 16 Monaten wurde er entlassen. Um in Stuttgart wieder ins Management zu wechseln. Auf die Frage in einem Interview des „Weser-Kuriers", ob es den Trainer Dutt damit nicht mehr geben werde, sagte er: „Davon gehe ich schwer aus. Momentan ist das völlig unvorstellbar!" Und erklärte freudig, er könne nun bei „entscheidenden Themen Einfluss nehmen". Doch in Stuttgart wurde er nach dem Abstieg entlassen. Und heuerte nach einem Zwischenjob als E-Sports-Berater in Bochum an. Als Trainer. Als bereits vierter in einer Saison, in die der VfL mit dem Ziel Aufstieg gegangen war und sich im knüppelharten Abstiegskampf wiederfand.
Dutt soll den VfL retten, doch er begann mit einer 0:1-Niederlage in Heidenheim. Es folgten immerhin ein 0:0 gegen Nürnberg und ein 1:0 in Ingolstadt, vier Punkte also gegen Aufstiegskandidaten. Dennoch bleibt die spannende Frage, wie lange Dutt diesmal Trainer bleibt. Und ob er danach wieder vom gut riechenden Rasen hinter den Schreibtisch wechselt.