Martin Luther King war einer der prominentesten Anführer der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung im Kampf für die Rassengleichheit zwischen Schwarzen und Weißen. Seine „I have a dream"-Rede ist eine der bekanntesten Reden der Geschichte. Am 4. April 1968 wurde King erschossen, offiziell von einem rassistischen Einzeltäter. Doch bis heute gibt es Zweifel an dieser Version.
Martin Luther King war ein Mann mit Visionen, und so würde es nicht überraschen, wenn er vielleicht wirklich geahnt hatte, dass ihm bald etwas Schlimmes zustoßen würde. Einen Tag vor seinem Tod beendete der amerikanische Bürgerrechtler seine Rede jedenfalls mit den Worten: „Schwierige Tage liegen vor uns, aber das macht mir jetzt wirklich nichts aus. Denn ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen." Eine Anspielung auf eine Passage im Alten Testament, in der Moses kurz vor seinem Tod vom Berg Nebo aus das gelobte Land sieht, das zu erreichen ihm selbst jedoch versagt bleibt. Man darf den Satz also durchaus als prophetische Todesahnung deuten, die einen Tag später Wirklichkeit wurde. Am Abend des 4. April 1968 stand Martin Luther King zusammen mit einigen Mitstreitern auf dem Balkon des Lorraine Motels in Memphis, um den Ablauf einer Veranstaltung zu planen, als er von einer Kugel tödlich getroffen wurde. Er erlag noch an Ort und Stelle seinen Verletzungen.
Sein Mörder wurde zwei Monate später in London beim Versuch gefasst, sich nach Rhodesien abzusetzen, dem heutigen Simbabwe. Sein Name: James Earl Ray, ein notorischer Krimineller, der sein halbes Leben hinter Gittern verbracht hatte. Erst wenige Monate vor dem Attentat war er aus dem Gefängnis geflohen.
Ray will nicht alleine gehandelt haben
Nach Angaben der Polizei soll Ray allein gehandelt haben und mit einem Gewehr aus dem Badezimmerfenster einer Pension gegenüber des Motels den tödlichen Schuss auf Martin Luther King abgegeben haben. Doch ähnlich wie beim Mord an US-Präsident John F. Kennedy viereinhalb Jahre zuvor gibt es bis heute Zweifel an der offiziellen Version. So wurden Rays Fingerabdrücke zwar am Gewehr identifiziert, nicht aber in dem Raum, aus dem er angeblich geschossen haben soll. Das FBI konnte zudem keinen eindeutigen Nachweis liefern, dass die Kugel, mit der Martin Luther King getroffen wurde, überhaupt aus diesem Gewehr abgefeuert wurde. Auch stellt sich die Frage, wie Ray ganz allein seine Flucht mit professionell gefälschten Papieren organisiert hat.
Vor Gericht wurden all diese Fragen nie behandelt. Denn gleich zu Beginn des Prozesses hatte Rays Verteidiger angekündigt, sein Mandant werde sich schuldig bekennen, wenn ihm dafür im Gegenzug die Hinrichtung erspart bleibe. Die Richter willigten ein und statt zum Tode wurde Ray zu 99 Jahren Haft verurteilt. Allerdings bestand er darauf, nicht allein gehandelt zu haben. Stattdessen behauptete er, Teil einer Verschwörung gewesen zu sein. Eine Aussage, auf die von den Richtern jedoch niemand näher einging.
Selbst die „New York Times" kommentierte nach der Urteilsverkündung: „Der verkürzte Prozess gegen James Earl Ray ist ein schockierender Vertrauensbruch für die amerikanischen Bürger, weiß wie schwarz". Und auch der Beobachter der britischen „BBC" meinte: „Während er zum eigenen Schutz in Einzelhaft genommen wird, bleiben bohrende Fragen zurück. Nicht, ob der Gerechtigkeit genüge getan wurde, sondern ob die Wahrheit gesagt worden ist. War er Teil einer Verschwörung? Anklage und Verteidigung sagen Nein. Ray macht klar, dass er das anders sieht. Er wurde nicht ins Kreuzverhör genommen. Die Öffentlichkeit weiß im Grunde nicht mehr, als sie vor diesem verkürzten Prozess gewusst hat."
Später forschten Journalisten nach und hatten unter anderem auch die Gelegenheit, mit James Earl Ray persönlich zu sprechen. Der Journalist William Pepper besuchte ihn zusammen mit Bürgerrechtler Ralph Abernathy, einem engen Begleiter von Martin Luther King, im Gefängnis. „Er war sehr ruhig und verhielt sich ganz anders, als wir es erwartet hatten", wird Pepper im „Deutschlandfunk" zitiert. „Am Ende unseres Gesprächs waren wir überzeugt davon, dass er nicht der Schütze war. Wir wussten nicht, welche Rolle er gespielt hatte, aber wir waren sicher, dass er nicht geschossen hatte. Von Waffen hatte er offenbar überhaupt keine Ahnung." Für Joseph Lowery, einen weiteren Weggefährten Kings, war deshalb klar: „Selbst wenn Ray geschossen haben sollte, war er das Werkzeug anderer Leute."
Die genauen Umstände des Todes von Martin Luther King werden vielleicht nie endgültig aufgeklärt werden. Seine Rolle als einer der größten Anführer der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung ist dagegen unstrittig. Erst durch ihn und seine Worte wurde die Bewegung überhaupt zu einer wirklichen Massenbewegung, die schließlich erreichte, dass die Rassentrennung gesetzlich aufgehoben und das uneingeschränkte Wahlrecht für die schwarze Bevölkerung der US-Südstaaten eingeführt wurde. „Wir alle müssen lernen, wie Brüder zusammenzuleben. Andernfalls werden wir als Narren gemeinsam untergehen", sagte Martin Luther King einmal. Für sein Engagement für die Rassengleichheit wurde er 1964 als bis dahin jüngster Träger der Auszeichnung auch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Bereits 1955 hatte sich King mit der Organisation des sogenannten Busboykotts von Montgomery im US-Bundesstaat Alabama große Verdienste erworben. Nachdem sich die schwarze Bürgerrechtlerin Rosa Parks geweigert hatte, ihren Sitzplatz in einem öffentlichen Bus für einen Weißen freizumachen und dafür festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, boykottierte die schwarze Bevölkerung mehr als ein Jahr lang den öffentlichen Nahverkehr. Der Boykott sollte zeigen, wie groß die wirtschaftliche Abhängigkeit weißer Unternehmer von der schwarzen Bevölkerung war und wie wenig Rechte ihr im Gegenzug dafür eingeräumt wurden. Als er zu Ende ging, wurde er als großer Erfolg wahrgenommen und King bald darauf zum Präsidenten der neu gegründeten Southern Christian Leadership Conference (SCLC) gewählt, die zu einer der treibenden Kräfte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung werden sollte.
1963 organisierte Martin Luther King den „Marsch auf Washington", an dem sich am 28. August 1963 mehr als 250.000 Menschen beteiligten – die bis dahin größte politische Demonstration in der Geschichte der USA. Die Rede, die King vor dem Lincoln Memorial hielt, gilt bis heute als eine der wichtigsten Reden des 20. Jahrhunderts. „I have a dream", rief er der Menge entgegen. „Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenhaltern auf den roten Hügeln von Georgia am Tisch der Bruderschaft zusammensitzen können. Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach ihrem Charakter beurteilt werden."
Massive Ausschreitungen nach Kings Ermordung
Bald ging es Martin Luther King nicht mehr nur um Rassismus und die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung. Er widmete sich der wachsenden Ungleichheit im Land, propagierte einen wirtschaftlichen Wandel und versuchte, für alle benachteiligten Menschen bessere Lebensbedingungen zu erreichen. Für Mitte 1968 war ein zweiter „Marsch auf Washington" geplant, dieses Mal als „Marsch der Armen", der nach Kings Tod jedoch letzten Endes deutlich kleiner ausfiel. Auch war er ab 1967 zu einem ausgesprochenen Kritiker des Vietnamkriegs geworden. Das alles kostete ihn die Unterstützung des Weißen Hauses und machte ihn in den Augen des FBI zeitweise zum „gefährlichsten Mann in Amerika".
Nach der Ermordung von Martin Luther King brachen in über 60 Städten des Landes gewalttätige Ausschreitungen aus.
Seine Witwe Coretta King schrieb dazu in ihren Memoiren: „Obwohl ich die Verzweiflung verstand, mit der die Anführer auf Martins Tod reagierten, so war es doch nicht der rechte Tribut für einen Prediger der Gewaltlosigkeit." Wohlwollend nahm sie dagegen zur Kenntnis, dass sich am Ort des Attentats, im ehemaligen Lorraine Motel, heute das National Civil Rights Museum befindet. Das Museum stellt die Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung dar: von der Ankunft der ersten Schwarzen in den britischen Kolonien im Jahr 1619 bis zu jenem Tag, an dem der Traum von Martin Luther King brutal beendet wurde.