Nach einigen Jahren Auszeit sind die Fransen wieder zurück. Von vielen Designern werden sie nicht mehr nur als kleines Schmuckdetail eingesetzt, sondern prägen dank ihrer Opulenz das Erscheinungsbild des jeweiligen Kleidungsstücks ganz entscheidend.
Fransen lösen in der Sommersaison laut der britischen Ausgabe des Magazins „Elle" die Federn des vergangenen Winters als auffälligstes Mode-Detail ab. Sie sind gleichsam omnipräsent. Vielleicht etwas überraschend, weil in den vergangenen Jahren immer wieder mal einige Designer, vor allem auf der Mailänder Fashion Week rund um Emilio Pucci, letztlich ebenso vergeblich wie schüchtern-scheu versucht hatten, das sogenannte Fringing wieder salonfähig zu machen. Daher hatten sich die „Fringes" etwa seit 2013 eine modische Auszeit genommen. Gleichzeitig hatten sie allerdings abseits der Laufstege im Streetstyle längst schon wieder neue Anhängerinnen gefunden. Und zwar ausgehend von den diversen Musik-Festivals mit Coachella an der Spitze. Weil Fransen dort – übrigens gemeinsam mit den Federn – zum festen Bestandteil der angesagten Festival-Robe im Boho-Chic aufgestiegen sind.
Mehr Volumen als frühere Kreationen
Ohne Fransen an Jacken oder Taschen dürfte frau sich hier wohl kaum richtig angezogen fühlen. Zumal der Fringing-Look von den Promi-Ladys, die sich beim jährlichen Coachella Valley Music and Art Festival stets in großer Zahl zum Schaulaufen einfinden, vorbildhaft und in ständig aktualisierter Fassung präsentiert wird. Fast könnte hier von einem Revival des klassischen Cowboy- oder Western-Outfits gesprochen werden, auch wenn die von den weißen Siedlern und Trappern traktierten indianischen Ureinwohner niemals Klamotten mit Fransen oder anderen flatternden Verzierungen getragen hatten – das war nur eine Erfindung der Karl-May-Filme rund um Winnetou und Old Shatterhand. Auf jeden Fall wird seit den seligen Zeiten des Wilden Westens mit dem zappeligen Zierbesatz, der nie still hängen kann und daher alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, Wildheit, Freiheit und Abenteuerlust assoziiert.
Stellvertretend sei an den Kultfilm „Easy Rider" von 1969 und Dennis Hopper alias Billy erinnert, dessen Lederjacken-Fransen ultracool im Biker-Fahrtwind geflattert hatten. Wegen ihrer wenig spektakulären und erwartbaren Form, bestehend aus rechteckigen, gleichlangen Streifen aus (möglichst hochwertigen Materialien wie) Leder, Baumwolle oder Kunstfaser, wurden die Fransen in einer Stil-Kolumne der „Süddeutschen Zeitung" aber auch schon mal als ziemlich bieder bezeichnet, streng aneinandergereiht oder zur Quaste verknotet „irgendwo zwischen dem domestizierten Sado-Maso-Chic von ‚50 Shades of Grey’, verspielter Hippie-Romantik und texanischem Schrotflinten-Patriotismus" angesiedelt.
Von den früheren Fransen-Inkarnationen in der Damenmode wie den Tanzkleidern der Charleston-Ära der Zwanziger Jahre unterscheidet sich der aktuelle Trend vor allem in Format oder Volumen. Häufig sind die Fringes nicht mehr schmückendes (Rand-)Detail, sondern sie sind der eigentliche Eyecatcher oder das Highlight des Kleidungsstücks. Gemäß dem Motto „go big or go home" haben es das Label Calvin Klein und sein Kreativdirektor Raf Simons in Sachen Fransen gleichsam auf die Spitze getrieben und bei Kleidermodellen einen Komplett-Look aus verschiedenfarbigen, übereinander schwingenden Fringes entworfen – angeblich inspiriert von den Pompons, den Tanzwedeln, amerikanischer Cheerleader. Wenig alltagstauglich, dafür aber umso glamouröser.
Das Epizentrum des aktuellen Fringing-Trends war eindeutig die Pariser Fashion Week. Für die britische Ausgabe der „Vogue", die ausführlich auf diesen Mode-Schwerpunkt an der Seine einging, kam das Fransen-Comeback nicht überraschend. Schließlich hätten schon die alten Griechengöttinnen Hera und Athene laut Homer für Fransen geschwärmt. Und auch eine moderne Filmgöttin namens Marilyn Monroe habe sich bereits 1959 im Streifen „Manche mögen’s heiß" in einem schwarzen, fransengesäumten Kleid lasziv geräkelt. Auf den Laufstegen in der französischen Metropole für den Sommer 2018 waren die Fransen laut „Vogue" einfach allgegenwärtig.
Beispielsweise bei Acne Studion als großzügiger Schmucksaum von Häkelkleidern, bei Céline, Paco Rabanne (Silberglitter) oder Balmain als frei schwingende, das gesamte Unterteil der Kleider einnehmende Kaskade, bei Loewe als dekonstruierende Randauflösung von Trenchcoats, bei Each x Other als skurriler seitlicher Schmuck von Hosenbeinen, bei Ellery, Loewe, Balmain oder Nina Ricci als luftiger Flatterbesatz an Tops, bei Dior in der Denim-Variante an Röcken und Jacken. Fransengeschmückte Kleider oder Röcke gab es in Paris auch bei Altuzarra, Sonia Rykiel, Elie Saab, Chanel, Jacquemus, Monique Lhuillier, Nina Ricci, Loewe oder Ellery zu sehen.
In Mailand war der Fransen-Trend bei Röcken und Kleidern von Marco de Vincenzo, Vionnet oder Salvatore Ferragamo zu bewundern. In London zeigten sich beispielsweise Erdem, Antonio Berardi oder Roksanda in ihren Kollektionen sehr fransenaffin. In New York neben Calvin Klein vor allem bei Monse, Bottega Veneta, Edun (Jacken), Diane von Furstenberg, Naeem Khan, John Paul Ataker (Kleider), Ulla Johnson (Jackets) und Marchesa.
Natürlich machen die Fringes diesen Sommer auch vor den Accessoires nicht halt. Wobei die Boots von Saint Laurent und vielleicht auch noch die Flats von Céline das Potenzial zum It-Piece haben dürften. Originell auch die Fringes-Ohrringe von Sachin & Babin. Und natürlich die Vielzahl von Handtaschen, denen die Fransen-Zier einen ganz speziellen Touch verleiht. Hier spielt Balenciaga fraglos mit die erste Geige. Aber es gibt auch tolle Bags aus den Häusern Alexander Wang, Calvin Klein, Versus Versace, Edun oder Michael Kors.