Im Saarland versuchen dutzende Start-ups ihr Glück. Dabei stehen ihnen „Business Angels" mit Expertise und Kapital zur Seite. Auch ein junges Start-up aus Merzig profitiert davon – die Gründer sind im Rentenalter.
Die einen kennen sie nur als eine Strandplage im Urlaub, für andere stellen sie die Zukunft in der Lebensmittelbranche dar. So wie für Ferdinand Bierbrauer. Ob Mikro- oder Makroalgen – wenn es um die Meerespflanzen geht, kommt er richtig ins Schwärmen: „Algen können Sie nicht mit anderen Pflanzen wie einer Tomate oder Gurken vergleichen." Denn die Meerespflanzen enthalten neben Omega-3-Fettsäuren vor allem Proteine, sind gut verträglich und damit für die Ernährung äußerst wertvoll.
Zusammen mit Bekannten hat der heute 65-jährige Geograf vor zwei Jahren Algae-SL gegründet. Auf die Idee mit der Alge kam Bierbrauer vor einigen Jahren über den saarländischen Weg. „Man kennt jemanden, der jemanden kennt" – buchstäblich am Stammtisch.
Damals hörte er von einer Pilotanlage zur Algenproduktion in Aschaffenburg und war fasziniert: Eine Produktion von Algen, statt unter südlicher Sonne in nördlicher Breite, rund ums Jahr im Reaktor mit wenig Energie verbrauchendem LED-Licht. Ein „technologischer Sprung" eben, wie Bierbrauer das beschreibt.
Von der Anlage profitiert nun auch Algae-SL. Um sein Management-Know-how und seine Kontakte zu erweitern, hat sich Bierbrauer mit einem „Business Angel" zusammengetan – mit Rudolf Krumbholz. Damit gehört Bierbrauers Start-up-Unternehmen in Merzig zu den 35 innovativen Jungunternehmen, die derzeit von dem an der Industrie- und Handelskammer (IHK) angesiedelten Business Angels Netzwerk Saarland (BANS) unterstützt werden. Das Netzwerk im Saarland wurde im Jahr 2000 gegründet. Damals herrschte in der Szene Aufbruchstimmung, viele Technologieunternehmen gingen mit innovativen Ideen auf die Suche nach Kapital, wie sich BANS-Geschäftsführer Dr. Mathias Hafner erinnert (siehe auch folgendes Interview). Als die Dotcom-Blase an der Börse platzte, suchten sich die Business Angels neue Aufgaben. Heute gibt es bundesweit rund 32 Netzwerke.
35 Unternehmen werden unterstützt
Für das Kapitalproblem wurde 2005 als saarländische Lösung ein BANS-Gründerfonds mit ursprünglich 350.000 Euro aufgelegt. Neue Unternehmen können dort Wagniskapital – Kredite in Höhe von jeweils 25.000 Euro, in Ausnahmefällen 50.000 Euro – bekommen. Nach Ansicht von IHK und Wirtschaftsministerium ist das eine Erfolgsgeschichte. Denn die wenigsten Start-ups konnten die Kredite nicht zurückzahlen. Die Ausfallquote ist äußerst gering.
Jetzt sind die Mittel weitgehend ausgeschöpft und das Wirtschaftsministerium will die Mittel noch mal aufstocken. „Die Tatsache, dass der BANS-Gründerfonds weitgehend ausgelastet ist, unterstreicht den Bedarf und die Notwendigkeit des Fonds", heißt es in der Wirtschaftsförderungs-Abteilung des Ministeriums. Staatsekretär Jürgen Barke betont, auch bei einer angespannten Haushaltslage sollten innovative Gründungen nicht an fehlendem Geld scheitern. Auch Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) steht voll hinter den Plänen: „Start-ups verdienen im Rahmen unserer Wirtschaftsförderung ein besonderes Augenmerk." Denn sie würden zu Recht als „Triebfeder für die Wirtschaft 4.0 gelten".
Das saarländische BA-Netzwerk gehöre zu den größeren, wie es sie sonst nur in Ballungsgebieten wie Frankfurt oder Stuttgart gebe, berichtet IHK-Mann Hafner. 50 alte Hasen engagieren sich derzeit im Saarland für Start-ups. Die Besonderheit an der Saar sei, dass weniger das Kapital als das „Mentoring", die Beratung der Jungunternehmen, im Vordergrund stehe.
Mehr als die Hälfte der Business Angeles sind nicht primär auf der Suche nach Investitionsgelegenheiten, sondern engagieren sich ehrenamtlich mit ihren eigenen Erfahrungen. Denn öfter als „Wagniskapital" sei mangelnde Erfahrung in Produktion und Marketing das Problem für Jungunternehmen, sagt Hafner.
„Ich hab mal zu Hause gefragt, ob man mich als Engel sieht. Man hat die Frage eindeutig verneint. Ich hatte ja die leise Hoffnung …", lacht Rudolf Krumbholz, inzwischen Pensionär und Mitbegründer des Omega-3-Produzenten KD-Pharma in Bexbach. Der 68-Jährige engagiert sich nicht nur finanziell bei Algae-SL. Als Chemiker steht er dem Start-up vor allem mit technischem Rat zur Seite und hat die Kontakte zu seinem alten Unternehmen vermittelt.
Erfahrung statt Wagniskapital
Für Algae-SL sind die Gold wert. Denn nicht nur forscht es mit einer Tochter von KD-Pharma in Überherrn gemeinsam an der Aufsplittung der Algen, sondern das Bexbacher Unternehmen könnte auch zum ersten Großkunden werden. Wenn alles klappt, könne die inzwischen um das Sechsfache erweiterte Versuchsanlage in Aschaffenburg bereits im zweiten Halbjahr KD-Pharma mit Omega-3-Fettsäuren aus Algen beliefern, hofft Bierbrauer.
Und wenn erst ein Großkunde da sei, öffne das den Weg zu weiteren Bankkrediten. Denn das Unternehmen will weiter expandieren und dazu braucht es noch mehr Geld. Allein die Anlage in Aschaffenburg und ihre Aufrüstung koste mehrere Millionen.
Die Produktion und Vermarktung von Omega-3 ist nur ein Standbein von Algae-SL. Das zweite ist die Vermarktung eigener, noch bei Fremdherstellern produzierter, algenhaltiger Lebensmittel und später einmal deren Produktion. In den Regalen von Globus, Rewe oder Edeka stehen bereits Pasta, Gewürze und Brotaufstrich mit dem Label von „Algourmet", demnächst soll auch Hundefutter hinzukommen. Und in der Schublade liegen noch viele andere Ideen der Senioren-Jungunternehmer, vom Burger über Spülmittel bis hin zu Heftpflaster aus Algen-Protein. Auch einen Einsatz in der Kosmetik könne er sich vorstellen, erzählt Hardy Braun. Der Saarländer, auch schon jenseits der 60, kümmert sich vor allem um Marketing und Werbung. Seit 40 Jahren ernähre er sich selbst gesund. Als sein Lebensmotto zitiert er den griechischen Arzt Hippokrates von Kos: „Lass die Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung." Er habe gelernt, dass man mit Algen für den Einklang zwischen Körper, Geist und Seele einiges tun könne.
Dabei haben die Jungunternehmer nicht nur Veganer und Vegetarier im Blick, auch wenn ihre Produkte überwiegend pflanzlich sind. Diese Gruppe der Verbraucher mache aber nur ein Prozent der deutschen Bevölkerung aus, „Flexitarier" – Menschen die sich mal vegetarisch ernähren, aber auch mal Fisch oder Fleisch essen – gebe es dagegen 35 Millionen in Deutschland, weiß Marketing-Experte Braun.
Und Bierbrauer, der in Sachen Vertrieb viel unterwegs ist, sagt: „Wir wollen nicht in die vegane Ecke reingedrängt werden. Das ist ein Nischenmarkt; das wäre für uns fatal." Einmal sei er in einem Supermarkt im Ruhgebiet gewesen, in dem die Algae-Produkte im Veganer-Regal platziert worden waren. Dem Händler habe er gesagt: „Um Gottes willen, hol das da raus und stell das woanders hin."
Das vor zwei Jahren gegründete Start-up hofft vielleicht schon im kommenden Jahr schwarze Zahlen zu schreiben. Dann kann Algae-SL weiter wachsen. Ideen haben die Jungunternehmer, die eigentlich aufs Rentenalter zusteuern, schließlich noch genug.