Man muss nicht über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird. Manchmal ist sogar angemessener, erst gar keine Zeit, Energie und Zeitungszeilen zu verwenden, um gewisse Unsäglichkeiten durch eine Kommentierung unnötig aufzuwerten. Wenn aber mit Knüppeln geworfen wird, wie es jetzt der neue bayrische Ministerpräsident Söder mit seinem Kreuz-Streit getan hat, kann und darf man das nicht einfach durchgehen lassen. Widerspruch gab es zuhauf, zu Recht und in einer Deutlichkeit, die eigentlich Mut machen könnte. Und die Heftigkeit des Widerspruchs hat, zumindest zu einem gewissen Teil, gezeigt, dass das Kreuz offensichtlich nach wie vor eine tiefere Bedeutung hat, als dass man es wie zu Kreuzzugszeiten für Schlachtgetöse missbrauchen lassen kann.
Falsch liegen die, die in der Debatte jetzt eine neuerliche Diskussion um „Leitkultur" wittern. Söder hat nichts anderes versucht als eine bloße Symbol-Debatte, die christliche Jugendverbände zu Recht als den Versuch einer „politisch-nationalen Vereinnahmung" eingeordnet haben.
Ich verfolge seit Jahren Bemühungen um einen „interreligiösen Dialog", zuletzt in neuen Formen im Rahmen der Saarbrücker Kampagne „PatchWorkCity". Das Ziel ist ebenso schlicht wie anspruchsvoll, in Vielfalt und Unterschiedlichkeit respektvoll zusammenzuleben. Das ist weder leicht noch konfliktfrei, hat aber zwei Aspekte als Grundlage: die Würde des einzelnen Menschen (siehe Grundgesetz) und das zentrale nicht nur christliche Gebot der Nächstenliebe. Es ist sicherlich keine Massenbewegung, und es gibt gewiss nicht wenige, die damit nicht viel anfangen können. Aber es ist einer von vielen und vielfältigen Versuchen, wo Menschen das tun, was ich für einen Kernbestand einer Leitkultur halte: Sich selbst vor Ort nach ihren Möglichkeiten für ein respektvolles Miteinander einzusetzen, ohne die unbestreitbaren Konflikte klein oder schön zu reden. Und das ohne Lautsprecher und vielleicht auch deshalb medial nicht so beachtet, wie Söders Getöse unter dem Motto: spalten statt versöhnen. Was man ansonsten denen zu Recht vorwirft, die man gemeinhin als gefährliche Populisten einstuft. Sollte Söders Wahlkampfrechnung am Ende trotzdem aufgehen, frage ich mich, ob Bayern noch zu Deutschland gehört