Ob entspannende Verrenkungen, China-Tees und -ölchen oder ayurvedische Massagen – was heilt und guttut, weiß auf Mauritius jedes Kind. Wissen über Fitness, Medizin und Seelenwohl gehört für die Tropeninsulaner im Indischen Ozean seit jeher zum Alltag. Nun entdecken Wellnessreisende das immergrüne, immer warme Gesundheitsparadies.
Wenn ich am Meer bin, auf die Wellen schaue und sie rauschen höre, geht es mir einfach gut. Kein Gefühl von Stress, kein Gedanke an Probleme", sagt Shakti. Er ist 30, Taxifahrer und lebt dort, wo andere Urlaub machen – auf der Insel Mauritius.
Auf der Küstenstraße geht es um das Tropen-Eiland, vorbei an Palmen, blühenden Bougainvillea-Blumenbäumen, pittoresken Fischerdörfern und endlos weiten Zuckerrohrplantagen. Zwischen den oft bunt bemalten Häusern, Gärten, Palmenhainen blitzt es türkis und dunkelblau, bis Wiesen, Felder, der nächste Hafen oder Strand den Blick auf Ozean oder Lagunen freigeben. Im Inselinneren, bis obenhin begrünt, ragen die Spitzen der Vulkane in den ewigen Sommerhimmel. Eine Landschaft, die wohl jedes noch so hoffnungslose Stress- und Hektik-Opfer runterbringt und zu guter Laune animiert.
Shaktis Autoradio dröhnt. Um nicht schreien zu müssen, dreht er es ein kleines bisschen leiser. „Die Natur macht deinen Kopf frei und deinen Körper stark. Du musst sie nur in dich hinein lassen", belehrt er seinen Fahrgast aus dem fernen Deutschland und überholt mit seinem neuen Benz, laut hupend, einen Wagen, dessen Lenker sich offenbar ans Tempolimit 80 halten wollte. Der kleine Elefantengott am Spiegel schlenkert unfreiwillig zwischen ein paar Plastikblumen-Girlanden hin und her.
Tempel aller Religionen
Ganesha sei Dank, funktionierten beim entgegenkommenden Fahrzeug die Bremsen. Wie gut, dass es 330 Millionen hinduistische Götter gibt! Da hat immer irgendeiner Zeit zum Aufpassen. Der nach wie vor relaxte Taxifahrer macht die Bollywood-Musik nun wieder laut und saust in bester Laune mit seinem Gast durchs Wellnessparadies. Dass selbst jungen Einheimischen wie Shakti die wohltuende Wirkung ihrer Insel bewusst ist, spricht dafür, dass „Healthy Mauritius" keine Erfindung von Marketingstrategen ist. Zur Werbung lässt sich dieses Image dennoch gut benutzen.
„Früher hatten wir fast ausschließlich französische Gäste, die hier Beach- und Party-Urlaub machten. Heute kommen Leute aus aller Welt, aber nicht, um nur in der Sonne zu liegen", erklärt Kevin Ramkaloan. Seinen britischen Akzent hat sich der junge Direktor des staatlichen Fremdenverkehrsamtes beim Studium zugelegt. Das Gespräch findet im „Lambic" statt. Die stylische Speise-Bar mit Biersorten aus aller Welt könnte sich ebenso gut in Berlin oder Melbourne befinden. Doch Ort dieser Handlung ist Port Louis, Hauptstadt einer kleinen Insel mitten im Indischen Ozean.
Hier verblüffen die Kontraste. Steinerne Zeugen der Kolonialzeit, Tempel und Gotteshäuser aller Religionen, Bürohochhäuser, Lebensmittelmärkte und Designerläden, Straßenküchen, elegante Restaurants, der alte Hafen und die mondäne Caudan Waterfront mit dem Blue-Penny-Museum – benannt nach den dort gezeigten Exemplaren von Blauer und Roter Mauritius, den berühmtesten Briefmarken der Welt.
Auch wenn es den Besucher bald wieder zurück in die tropische Natur zieht: Einen Tagesausflug wert ist die mauritische Big City allemal – nicht zuletzt, weil sie ein Hotspot aller Inselethnien ist. „Unser kulturelles Erbe hat großes Potenzial", verrät Kevin seinem Gegenüber und nimmt einen großen Schluck aus seiner Cola Zero.
„Meditation gehört zum Tagesablauf"
So friedlich, wie sich die Insel heute zeigt, so wechselvoll ist ihre fast 500-jährige Kolonialgeschichte. Bevor Mauritius zusammen mit Rodrigues und weiteren Mini-Eilanden im Jahr 1968 ein unabhängiger Staat wurde, quetschten es Portugiesen, Niederländer, Franzosen wie auch Briten zu ihrem eigenen Vorteil aus. Der positive Nebeneffekt: Jede der Besatzungsmächte trug ihr Scherflein bei zum bunten Multikultimix von heute, ebenso wie die einst als Sklaven entführten Afrikaner oder als Billigarbeitskräfte angelockten und ausgebeuteten Inder und Chinesen. Deren Nachkommen bilden jetzt den größten Teil der Bevölkerung. Rund die Hälfte von ihnen sind Hindus.
Ihr Hauptheiligtum Ganga Talao ist die wichtigste hinduistische Pilgerstätte außerhalb Indiens. Der gleichfalls als Grand Bassin bekannte Bergsee befindet sich ganz in der Nähe von Chamarel, der „Siebenfarbigen Erde". Während man das rätselhafte Aussehen dieser gelb-orange-rot-braun-lila-blau-grünen Hügellandschaft mit chemischen Prozessen erklären kann, ist der mit Süßwasser gefüllte Vulkankrater Ganga Talao weitestgehend unerforscht. Laut Hinduglauben soll er direkt mit dem heiligen Ganges verbunden sein. Rund um ihn herum sind Tempel, Opferschreine und Figuren aufgebaut. Bis vor Kurzem wurden sie allein von dem 33 Meter hohen Shiva überragt. Nun ist der Götterkönig nicht mehr Single, denn seine ebenso lange Kollegin Durga Maa Bhavani leistet ihm seit wenigen Monaten Gesellschaft – allerdings auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Unzählige farbenprächtige Tempel von Hindus und Tamilen prägen das Bild vieler Orte auf Mauritius – ebenso wie Kirchen und Moscheen. Neben der Architektur profitiert vor allem die mauritische Küche von der Mischung der Kulturen. Aber auch die überlieferten Heil- und Gesundheitslehren von Ayurveda bis zur traditionellen chinesischen Medizin liefern einen reichen Fundus.
„Für die Menschen hier gehören Entspannungsübungen und Meditation zum Tagesablauf. Viele wachsen in ihren hinduistisch oder buddhistisch geprägten Familien quasi damit auf", sagt Henrio Thomas, dessen Vorfahren aus Südindien stammen. Sein Wissen und Können als Yoga-Lehrer gibt er gerne an die Gäste des „Oberoi" weiter und hilft ihnen, das Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele auszuloten.
Wie etliche andere mauritische Hotels hat sich das Luxusresort an der Turtle Bay im Nordwesten der Insel dem Wellnessgedanken verschrieben. Dabei geht es längst nicht nur um Spa-Spaß und Naturkosmetik. Publikumsfavorit ist Yoga unter freiem Himmel (sprich: mit Meerblick unter Palmen). Fortgeschrittene verwandeln sich zu menschlichen Knoten, während Anfänger (wie der Autor) sich zunächst mühen, auf einem Bein zu stehen, ohne umzufallen und dabei das Luftholen nicht zu vergessen.
Henrio zeigt allen, wo es lang geht mit all den Körperteilen und was man damit tut. Fit wie ein Turnschuh ist der hagere 53-Jährige. Das spornt an. Sein Rezept: „kein Alkohol, kein Nikotin, kein Fleisch und wenig Zucker." Yoga macht er selbst nur einmal täglich. Wichtig sei der richtige Beginn des Tages. „Ich stehe jeden Morgen um 5 Uhr auf, trinke einen Liter Wasser und bringe meinen Kreislauf mit Atemübungen in Schwung", erzählt er den Kursteilnehmern.
Natürliche Heilkraft des Meeres
Mit seiner Lebensweise ist der Yoga-Mann für viele ebenso ein Vorbild wie Dr. Siddick Maudarbocus. Der international bekannte Arzt leitet das ganzheitliche Wellness- und Gesundheitszentrum „Les Mariannes". Das in D’Epinay, ganz in der Nähe des Botanischen Gartens von Pampelmousses befindliche Refugium wirkt nüchtern, fast wie ein Krankenhaus. Doch das ist den Besuchern nach der ersten Rückenmassage meistens einerlei. Ohne lange Erklärungen kommt die Therapeutin mit ihren Fingern gleich zum Punkt und schickt die eine oder andere hässliche kleine Verspannung darunter direkt zum Teufel.
Auf die natürliche Heilkraft des Meeres setzt das „Sea Spa" im „Long Beach Hotel". Seine Thalassotherapien waren vor einigen Jahren die ersten, die im Indischen Ozean angeboten wurden. Die Wirkung der hier angebotenen Massagen etwa wird durch Meeresalgen verstärkt. Riecht nicht wirklich lecker, hilft aber sicher um so mehr. Wohlgefühl auf sanften Wellen verspricht Rajshree Harry. Die schöne Fitnesstrainerin zeigt ihren Schülern im „Paradis Beachcomber Hotel" einen derzeit sehr angesagten Wellnesstrend: Sup-Yoga (Yoga auf dem Stand-up-Paddling-Brett). In dieser neuen Wellness-Disziplin punktet Mauritius zu jeder Jahreszeit, denn selbst wenn man als Ungeübter schnell mal die Balance verliert, fällt man dank Tropenklima nur ins badewannenwarme, klare Wasser der Lagune.