Israelischen Wissenschaftlern ist es gelungen, Knochen aus Fett herzustellen. Nach der Injektion eines speziell aufbereiteten Gewebes bildete sich bei Patienten mit komplizierten Frakturen innerhalb von zwei Monaten Knochen.
Das grundsätzliche Verfahren der Gewebezüchtung aus körpereigenen Zellen, Tissue Engineering getauft, ist längst kein medizinisches Neuland mehr. Damit verbunden war und ist die Vision, mithilfe von Zellen eines Patienten Knorpel, Knochen, Gefäße, Nerven oder gar ganze Organe herzustellen und unter Vermeidung jeglicher Abstoßreaktionen als vollwertigen Ersatz für geschädigte oder verletzte Gewebe zu verwenden. In der Zahnheilkunde beispielsweise werden aus dem Beckenkamm entnommene Stammzellen bereits genutzt, um bei Bedarf den Kieferknochen wieder aufzubauen.
2012 hatte ein israelisches, im Bereich der regenerativen Medizin tätiges Unternehmen namens Bonos Biogroup mitgeteilt, dass es ihm gelungen sei, in vorklinischen Studien menschliche Knochen aus körpereigenem Fett zu produzieren.
Nun trat das Unternehmen mit der sensationellen Nachricht an die Weltöffentlichkeit, dass sein neues Verfahren im Laufe der vergangenen sechs Monate bereits bei drei Patienten mit schwierigen Knochenverletzungen als Teil einer klinischen Studie erfolgreich getestet worden sei. Den Patienten wurde im Labor gezüchtetes Knochengewebe aus körpereigenen Zellen implantiert.
Klinische Studie war erfolgreich
Nach Angaben des hiesigen Gewebezüchtungs-Fachmanns Joachim Nickel vom Universitätsklinikum Würzburg wurde Vergleichbares noch niemals zuvor zur Behandlung einer komplizierten Knochenfraktur versucht. „Die Alternative bei einer solchen Knochenfraktur ist, dass man einem Patienten an einer gesunden Stelle des Körpers Knochen entnimmt, meistens vom Beckenkamm, und an die defekte Stelle transplantiert. Doch der Beckenkamm liefert nicht x-beliebig Material", erklärt Nickel. Zudem müsse man bei dieser Transplantation immer eine Verletzung einer zweiten Körperstelle mit möglichen Komplikationen in Kauf nehmen. Bei dem israelischen Verfahren wurde den Patienten zunächst Fettgewebe abgesaugt. Aus diesem wurden anschließend bestimmte Stammzellen entnommen und in eine Nährflüssigkeit gegeben. Nährflüssigkeit samt Stammzellen kamen danach in ein Behältnis namens Bioreaktor, in dem unter optimalen Bedingungen, sprich unter Simulation von Temperatur und ph-Wert wie im menschlichen Körper, innerhalb von zwei Wochen menschliches Knochengewebe gezüchtet werden konnte. Bei der Operation im Krankenhaus im nordisraelischen Afula wurde dieses Gewebe von Chefarzt Nimrod Rozen mit einer Spritze an die betroffene Köperstelle injiziert. Um das Gewebe zu stabilisieren, wurden die umliegenden Muskeln entsprechend angelegt.
Innerhalb von zwei Monaten entwickelte sich das Gewebe an der beschädigten Stelle zu einem Knochen, der sich mit den angrenzenden Knochenstücken verband. Nach vier bis sechs Monaten habe das neu implantierte Knochenstück sogar Mark gehabt und der Knochen habe sich ganz wie natürliches Gewebe verhalten, das etwa bei Jugendlichen normal mitwachsen könne, berichtet Schai Meretzki, Chef des Herstellers Bonus Biogroup. „Weil jeder Patient einen Knochen bekommt, der aus seinen eigenen Zellen geschaffen wurde, besteht nicht die Gefahr einer Immunabwehr", erklärt der Experte.
Zu Forschungszwecken hat das israelische Unternehmen im Labor schon Knochenstücke von mehr als zehn Zentimetern Länge herstellen können. Bei der Implantation sollte die zu füllende Knochenlücke allerdings maximal fünf Zentimeter groß sein, weil Muskeln und Nerven nicht mehr zulassen würden, sagt Chefarzt Rozen. Bei der letzten OP konnte bei einem 44-jährigen Patienten, der sich bei einem Fahrradunfall das Schienbein gebrochen hatte, das trotz Einsetzen eines Nagels nicht mehr zusammengewachsen war, eine Lücke von vier Zentimetern erfolgreich geschlossen werden.
Es besteht keine Gefahr einer Immunabwehrreaktion
Nach Angaben von Joachim Nickel kommt es gar nicht so selten vor, dass eine Fraktur Probleme beim Verheilen verursacht. Bei jedem zehnten Bruch in der westlichen Welt könne das neue Verfahren erhebliche Vorteile bringen und eingesetzt werden. Bonus Biogroup verweist darüber hinaus auf Einsatzbereiche wie Knochenverluste infolge von Infektionen oder Tumoren sowie auf brüchige Knochen infolge des Alterungsprozesses (Osteoporose).
Marktreif ist das Verfahren noch nicht. Meretzki hofft, in drei bis vier Jahren mit dem Knochenprodukt auf den Markt gehen zu können. Chefarzt Rozen träumt allerdings schon davon, in 15 Jahren vollständig im Labor gezüchtete Hüftgelenke einsetzen zu können.
Auch Alicia El Hadsch, Professorin für Zellentwicklung an der britischen Keele University (Newcastle), lobt diese Erfindung: „Die Neuigkeit, der aufregende Aspekt dieser Arbeit ist, dass eine kommerzielle Firma diese Zellen in Kombination mit einem neuen Bio-Material benutzt, um eine individuelle Behandlung für einen Patienten anzubieten."