Der 1. FC Nürnberg ist zum achten Mal in die 1. Bundesliga aufgestiegen und sorgt damit im Umfeld für eine Rieseneuphorie. Der Club steuert dem entgegen und gibt sich zurückhaltend, auch weil die Finanzen nichts anderes zulassen.
Scharen von Club-Fans feierten ihre Aufstiegsmannschaft am Vereinsgelände Valznerweiher bis in die Morgenstunden, doch dem Rausch der Bundesliga-Rückkehr folgte beim 1. FC Nürnberg bald der Kater der nüchternen Lagebeurteilung. „Wir werden ganz klein sein", sagte Sportvorstand Andreas Bornemann über die Rolle des FCN in der höchsten deutschen Spielklasse.
Kreativität ist nun bei den Verantwortlichen des 1. FC Nürnberg gefragt. Als die Aufstiegsparty in vollem Gange war, wurde hinter den Kulissen schon fleißig gearbeitet. Während eine ganze Region derweil in Euphorie versinkt, könnte ein Tag für die Kaderplaner des FCN gut und gerne mehr als 24 Stunden haben. „Wir werden einen kleinen, feinen Kader basteln", kündigte Erfolgstrainer Michael Köllner an. Sinnvolle Ergänzungen und Verstärkungen für seine Mannschaft werden gesucht. Mit eigenen Worten: „Wir werden sympathische Spieler holen, die viel Qualität haben, aber noch interessant und spannend sind." Für dieses Unterfangen haben die Mittelfranken aber gerade mal vier Millionen Euro eingeplant. „Was den Etat betrifft, werden wir uns ganz hinten einreihen müssen. Wir haben aber auch in den letzten Jahren gezeigt, dass wir einen Umbruch hinkriegen und vielleicht wieder in der Lage sind, etwas gegen das größere Geld zu bewirken", sagte Sportvorstand Andreas Bornemann. „Im internationalen Fußball ist das nicht mehr viel."
Den entwöhnten Anhängern ist dieser Umstand freilich egal, die Freude über die Rückkehr ins Oberhaus überstrahlt in dieser Zeit alles. Sie träumen von Duellen gegen Bayern München und freuen sich auf Schalke 04, mit denen der Club eine Fan-Freundschaft pflegt. „Der Aufstieg war der große Traum der ganzen Stadt, jetzt ist er wahr geworden", sagte Kapitän Hanno Behrens und machte sich danach auf den Weg zum groß angekündigten Party-Marathon. Zwar legte Trainer Michael Köllner eine Regenerationseinheit auf den Montag nach dem Aufstieg, Kapitän Hanno Behrens hatte dazu aber eine ganz eigene Meinung: „Der kann alleine trainieren." Selbst Bornemann wollte zumindest schauen „was die Theke hergibt."
Am letzten Spieltag bestand für die Nürnberger sogar noch die Möglichkeit, den Meistertitel einzutüten. Im ersten Moment sah auch alles danach aus, der Club führte frühzeitig mit 2:0 und schien früh in Richtung Meisterschaft unterwegs zu sein – schließlich hätte ihnen auch ein Unentschieden gereicht. „Mit tut es vor allem für die Mannschaft leid, zumal es am Anfang mit 2:0 in die richtige Richtung ging. Aber Düsseldorf hat auch noch einmal alles ausgepackt. Wichtig aber ist vor allem, dass wir wieder die Bundesliga in Nürnberg haben", sagte Michael Köllner nach dem Spiel bei „Sky". „Wir wollten schon gewinnen, aber ich werde wohl erst heute Abend fassen können, was hier abgeht", meinte der Nürnberger Coach mit Blick auf die Abertausende von Fans, die anschließend mit den Club-Akteuren den Aufstieg auf dem Rasen des Max-Morlock-Stadions feierten – und das, obwohl ihnen Düsseldorf in der Nachspielzeit den Meistertitel vor der Nase wegschnappte. Das war egal – der Club ist zurück in der Ersten Liga. Darauf haben die Fans viel zu lange warten müssen.
Nur vier Millionen Euro eingeplant
Seit dem Abstieg in der Saison 2013/14 mussten die Club-Anhänger auf Bundesligafußball warten. Auch in der Zweiten Liga wurden sie nicht immer verwöhnt. Im ersten Jahr nach dem Abstieg hatte die damalige Mannschaft durchaus Probleme, um sich an den Fußball in der Zweiten Liga zu gewöhnen und wurde Neunter. Ein Jahr später führte der damalige Trainer René Weiler seine Mannschaft auf den dritten Platz. In den beiden Relegationsspielen gegen Eintracht Frankfurt erkämpften sich die Mittelfranken zwar ein 1:1-Unentschieden, im Rückspiel musste der FCN sich aber mit 0:1 geschlagen geben. Nachdem denkbar knapp der Aufstieg in die Bundesliga verpasst wurde, sollte die kommende und vorletzte Saison eine noch turbulentere werden – im negativen Sinne. Mit gerade einmal 42 Punkten rettete sich der FCN vor einem möglichen Abstieg in die dritte Liga. Mit einem Aufstieg in dieser Saison hatten demnach die wenigsten Fans gerechnet. Nach den ersten fünf Spieltagen war die Ausbeute mittelmäßig: zwei Siege, zwei Niederlagen und ein Unentschieden. Doch spätestens nach einer Serie von elf Spielen ohne Niederlage biss sich Nürnberg an der Spitze der Tabelle fest. Nur um dann erneut Federn zu lassen und fünfmal ohne Sieg zu bleiben. Nach einem entscheidenden schwierigen Auswärtsspiel war dann klar: Der Aufstieg, nach dem sich die ganze Region gesehnt hatte, ist in greifbarer Nähe. Aufgrund der vorangegangenen miserablen Saison war die Erlösung aber umso größer.
Nun heißt die Wirklichkeit also endlich wieder Bundesliga. Dort müssen auch die Ziele neu justiert werden. In den kommenden Jahren „kann es kein anderes Ziel geben, als die Klasse zu halten", sagte Finanzchef Michael Meeske. Der Club-Etat werde „einer der kleinsten" der Liga sein. Nürnberg plant mit einer Verdopplung des Budgets auf 25 Millionen Euro, auch der Umsatz soll sich bestenfalls auf 80 Millionen verdoppeln. Zum Vergleich: Augsburg oder Mainz kommen auf 95 beziehungsweise 110 Millionen. Zum Bilanzstichtag am 30. Juni 2017 beliefen sich die Verbindlichkeiten der Franken auf knapp 21 Millionen Euro. Mit dem Aufstieg werde „aus einem Sanierungsfall noch kein konkurrenzfähiger Erstligist", schreiben die „Nürnberger Nachrichten". Um mehr Geld zu erlösen, will die Club-Führung die Mitglieder darüber abstimmen lassen, die Lizenzspielerabteilung auszugliedern. Während diese Fragen offen sind, wird auch über sportliche Belange diskutiert. Leistungsträger wie Ewerton, Georg Margreitter, Hanno Behrens oder Mikael Ishak sollen unbedingt gehalten werden. Mit Spielmacher Kevin Möhwald verliert der 1. FC Nürnberg schon einen der Aufstiegshelden an Werder Bremen.
Handlungsbedarf herrscht auf jeden Fall auf der Torwartposition. Thorsten Kirschbaum konnte sich in drei Jahren nicht als Nummer eins bewähren,
auch Fabian Bredlow scheint kein Kandidat für den dauerhaften Platz zwischen den Pfosten. Auch auf den Außenpositionen wäre Verstärkung sinnvoll, genauso wie in der Sturmspitze ein Backup für Ishak. Kevin Stöger (VfL Bochum) oder Niklas Dorsch (FC Bayern München II) könnten im Mittelfeld für neue Impulse sorgen, ansonsten setzt Köllner aber wieder auf den Teamgedanken. „Wir waren ein richtig gutes Team. Was hier passiert ist, werden wir im Leben nicht vergessen und ewig in unseren Herzen tragen", sagt er rückblickend – so soll es auch in der neuen Saison wieder werden. „Wir dürfen den eingeschlagenen Weg nicht verlassen, mit jungen, hungrigen Spielern, die zum Teil aus dem eigenen Nachwuchs stammen, den Weg nach oben zu machen und den Verein dadurch neu aufzubauen. Das werden wir weiterhin leben."
Neben den Spielern ist Aufstiegstrainer Michael Köllner vielleicht sogar das größte Puzzleteilchen in dieser Aufstiegsgeschichte. „Ich habe nur meinen Job gemacht", sagte der 48-Jährige bescheiden über seinen Erfolgsanteil. Als „nicht selbstverständlich" bewertete er, dass die Mannschaft ihm, einem gelernten Zahnarzthelfer, der nie hochklassig spielte, gefolgt sei. Bornemann würdigte Köllner, diesen „absolut besessenen Fußballer", als „wichtigen Baustein". Die enorme Euphorie, die der Aufstieg über Nürnberg hinaus in der Region bereits in den ersten Tagen nach dem 2:0 in Sandhausen auslöste, sorgt bei Köllner derweil für eine gehörige Portion Demut. „Ich habe schon realisiert, wie glücklich die Menschen sind. Im normalen Leben kann man es gar nicht schaffen, Tausenden von Menschen so viel Freude zu machen", so Köllner, der den eingeschlagenen Kurs auch im deutschen Fußball-Oberhaus fortsetzen möchte: „Wir wollen wieder eine sympathische Mannschaft haben, die Spiele gewinnen und aggressiv nach vorne gehen will und auch mit jungen Spielern in die Bundesliga gehen." Und natürlich wird Köllner selbst auch in der Bundesliga weiter Nürnbergs Trainer sein – trotz seiner angemeldeten Zweifel. „Aus Sorge um die Zukunft" habe er seine Bedenken direkt nach dem Aufstieg geäußert. Denn: „Ein ganz wesentlicher Grund für unseren Erfolg waren die Geschlossenheit und Ruhe im Verein. Das brauchen wir auch weiterhin."