Als Katharine Hepburn vor 15 Jahren hochbetagt starb, verlor Hollywood seine mit vier Oscar-Auszeichnungen bis heute erfolgreichste Schauspielerin. Die Diva hatte sprichwörtlich die Hosen an, wodurch sie auch eine Ikone der Frauenemanzipation wurde.
Katharine Hepburn richtete ihr Leben weitgehend nach folgender These aus: „Wenn man immer nur tut, wozu man Lust hat, ist wenigstens ein Mensch auf der Welt glücklich." Zusätzlich sollte sie als ebenso selbstbewusste wie durchsetzungsfähige Frau das tradierte weibliche Rollenbild in der Gesellschaft infrage stellen. Sie hat sich nie den Männern untergeordnet, sie höchstens clever benutzt oder mit ihnen gespielt, um letztlich fast immer zu bekommen, was sie wollte. Das setzte andererseits den Verzicht auf ein Familienleben voraus. „Nur wenn eine Frau sich entscheidet, keine Kinder zu haben", sagte Hepburn, „kann sie wie ein Mann leben. Genau das habe ich getan."
Schon als Mädchen präsentierte sie sich in weiten Hosen und großen Pullovern als Tomboy mit kurzen Haaren und legte sich selbst den Spitznamen Jimmy zu, während sie von ihrem näheren Umfeld als Kate, Kath oder Kathy angesprochen wurde. Kleider und Röcke hasste sie zeitlebens, nannte sie süffisant nur ihre Berufsbekleidung. Im Alltag lief sie ungeschminkt und in Hosen herum, mit Vorliebe in Jeans, und zwar schon zu Zeiten, als dies noch alles andere als schick war. Glamour und öffentliches Auftreten als Star waren ihr zuwider, bei keiner Oscar-Gala war sie anwesend, selbst Restaurantbesuche waren ihr ein Graus.
Als die mit vier Oscar-Triumphen und zwölf Nominierungen für den Academy-Award noch immer erfolgreichste Schauspielerin der Filmgeschichte am 29. Juni 2003 auf dem Familienlandsitz in Old Saybrook/Connecticut im stolzen Alter von 96 einem Krebsleiden erlag, hatte Hollywood seine letzte Diva verloren. Sie hatte sich mehr als 60 Jahre im Film-Business behaupten können, war selbst im fortgeschrittenen Alter mit anspruchsvollen Rollen gefragt. Das American Film Institute würdigte die Lebensleistung, indem es Katharine Hepburn zum größten weiblichen Filmstar des amerikanischen Kinos kürte.
Erste Hauptrolle wurde zum Fiasko
Katharine Houghton Hepburn wurde am 12. Mai 1907 in Hartfort/Connecticut gewissermaßen mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Sie war das zweite Kind einer wohlhabenden, liberal-intellektuellen New-England-Familie, die einen adligen Stammbaum bis ins 15. Jahrhundert zum dritten Ehemann der schottischen Königin Maria I. vorweisen konnte. Der Vater Thomas Norval Hepburn arbeitete als leitender Urologe am Hartfort Hospital in Connecticut. Nebenbei war er leidenschaftlicher Grundstücksinvestor, Spekulant und später umsichtiger Verwalter des Vermögens seiner Töchter. Die Mutter Katharine Martha Houghton Hepburn hatte sich nach einem abgeschlossenen Jurastudium der Suffragetten-Bewegung angeschlossen und wurde zu einer glühenden Verfechterin der Frauenrechte.
Mit 13 Jahren wurde Katharine durch den Tod ihres älteren Bruders, der erhängt aufgefunden wurde, so sehr aus der Bahn geworfen, dass sie nicht mehr die öffentliche Schule besuchen konnte, sondern zu Hause Privatunterricht erhielt. Auf Wunsch der Eltern nahm sie am Bryn Mawr College in Philadelphia ein Studium auf, das sie 1928 mit einem Abschluss in Geschichte und Philosophie beendete. Auf dem College hatte sie nebenbei ihre Leidenschaft fürs Theaterspielen weiter gepflegt. Ihre 1928 getroffene Entscheidung, Schauspielerin werden zu wollen, wurde von der Familie nicht gerade mit Begeisterung aufgenommen, aber immerhin wurde ihr ein Empfehlungsschreiben für den in Baltimore ansässigen Produzenten Edwin H. Knopf besorgt. Knopf vermittelte ihr 1928 die ersten Bühnenauftritte, im Stück „Die Zarin" spielte sie eine Hofdame, bei „The Big Pont" war sie nur als Ersatz eingeplant, musste aber plötzlich bei der Premiere die Hauptrolle spielen – was in einem Desaster endete. Katharine leierte ihren Text vor lauter Nervosität immer schneller herunter, bis niemand mehr ein Wort verstehen konnte. Dies war letztlich auch ein Stück weit ihrer ungeschulten schrillen Stimme geschuldet. Die sofortige Entlassung als Folge des Desasters nahm Hepburn zum Anlass, Sprach- und Gesangsunterricht zu nehmen. Wenig später bewarb sie sich am Broadway, wo sie im November 1928 im Theaterstück „These Days" debütierte. Die nächsten vier Jahre tingelte sie durch diverse Theater der Ostküste.
Im Frühjahr 1932 wurde ein Hollywood-Talentsucher auf sie aufmerksam, als sie in „The Warrior’s Husband" am Morosco Theater am Broadway eine langbeinige Amazonenkriegerin im Minirock spielte. David O. Selznick, der junge Produktionschef von RKO-Pictures, machte ihr für eine Nebenrolle im Drama „A bill of divorcement" ein Angebot von 500 Dollar die Woche. Sie antwortete mit der unverschämten Gagenforderung von 1.500 Dollar – und konnte sich damit durchsetzen. Im Juli 1932 traf sie in Kalifornien ein, in Begleitung einer gut betuchten High Society-Lady namens Laura Barney Harding. Schnell wurden daraus Gerüchte über lesbische Neigungen abgeleitet, die später auch im Zusammenhang mit ihrer Sekretärin Phyllis Wilbourn wieder auftauchten. Die Ende Dezember 1928 geschlossene Ehe mit dem reichen Börsenmakler Ludlow Ogden Smith aus Philadelphia bestand nur noch auf dem Papier. Um Affären in den frühen Hollywood-Jahren machte Katharine nicht viel Aufhebens, auch wenn darunter eine Liaison mit dem notorischen Weiberhelden Howard Hughes war.
Abgelehnt für „Vom Winde verweht"
Dass Kate schon für die Hauptrolle in ihrem dritten Film „Morgenrot des Ruhms" im Jahr 1934 ihren ersten Oscar erhielt, dürfte reines Glück gewesen sein. Denn ihre eigenen Unfertigkeiten konnte sie trefflich hinter der Filmrolle der ehrgeizigen und exaltierten Jungschauspielerin verbergen. Der Versuch von RKO, Kate mit ihrem unwiderstehlichen Kratzbürstencharme in den 30er-Jahren zu einem Star an den Kinokassen aufzubauen, sollte allerdings an der Vielseitigkeit der Hepburn scheitern. Sie wollte sich nicht auf ein Klischee oder einen einzigen Typus reduzieren lassen, sondern in jedem Streifen mit einer neuen Facette ihrer Persönlichkeit aufwarten. Den Kritikern gefiel das, dem Publikum überhaupt nicht. Ein Kassenflop folgte dem nächsten. Sogar ihr wohl bester Film, Howard Hawks’ Screwball-Komödie „Leoparden küsst man nicht" mit Cary Grant als Partner, war 1938 ein finanzieller Reinfall. RKO ließ sie fallen und bot ihr nur noch Engagements in B-Filmen an, weil der amerikanische Kinoverband sie an die Spitze einer „Kassengift-Liste" gesetzt hatte.
Kate kündigte die Zusammenarbeit mit RKO auf und kehrte zum Broadway zurück. Mit ordentlich Wut im Bauch, weil es ihr bis zuletzt nicht gelungen war, ihren Produzenten Selznick davon zu überzeugen, ihr die Rolle der Scarlatt O’Hara im Opus „Vom Winde verweht" zu verschaffen. Zwei Jahre später sollte sie wieder in Hollywood triumphieren. Die Komödie „The Philadelphia Story" war am Broadway ein Mega-Erfolg geworden. Kate hatte das Projekt mitfinanziert und sich die Filmrechte gesichert. Metro-Goldwyn-Mayer musste daher für den Streifen „Die Nacht vor der Hochzeit" aus dem Jahr 1940 alle Hepburn-Bedingungen schlucken: Hauptrolle für Kate, Regisseur Cukor, Co-Stars Cary Grant und James Stewart.
Da der Film ein Kassenschlager wurde, ließ MGM Kate auch in dem Film „Die Frau, von der man spricht" freie Hand. Sprich: Sie durfte sich ihren Partner Spencer Tracy selbst aussuchen, mit dem sie insgesamt neun Mal gemeinsam vor der Kamera stehen sollte, und mit dem sie gut 27 Jahre lang trotz Tracys Alkoholsucht eine innige Beziehung führen und den sie aufopferungsvoll die letzten fünf Jahre seines Lebens bis zu seinem Tod im Juni 1967 pflegen sollte. Das letzte gemeinsame Werk „Rate mal, wer zum Essen kommt" brachte Katharine Hepburn 1968 ihren zweiten Oscar ein. Offiziell waren sie und Tracy nie ein Paar, für den gläubigen Katholiken Tracy kam eine Scheidung von seiner getrennt lebenden Frau nicht infrage.
Nach ihrem grandiosen Hollywood-Comeback war Kate für immer obenauf, und plötzlich wurde sie auch vom Publikum geliebt. Sie drehte insgesamt 44 Kinofilme, sollte ab 1973 auch in acht TV-Filmen mitwirken und kehrte zwischendurch auch immer wieder auf die Bühne zurück, wo sie nicht nur in Stücken von Shakespeare, sondern 1969 auch in der Rolle der Modeschöpferin Gabriele Chanel im Broadway-Musical „Coco" begeistern konnte. Den dritten Oscar hatte sie 1969 für „Der Löwe im Winter" erhalten, den vierten Goldjungen bekam sie für das Melodram „Am goldenen See" mit Filmpartner Henry Fonda. An der Seite von Humphrey Bogart bot sie in „African Queen" 1951 die anrührendste Altjungfer-Rolle der Filmgeschichte. Ihr letzter Spielfilm war „Perfect Love Affair" im Jahr 1994.