Als erster Deutscher hat Alexander Gerst bei seiner zweiten Weltraummission das Kommando auf der Internationalen Raumstation ISS übernommen. Der 42-Jährige verbrachte gut sechs Monate im Weltraum.
Zwei Tage dauerte es vom Start von der Erde bis zum Andockmanöver an der Internationalen Raumstation ISS. Am 8. Juni dockte das Raumschiff „Sojus MS-09" mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst an Bord am russischen ISS-Modul „Rasswet" (Morgendämmerung) an. „Es fühlt sich tatsächlich an, wie nach Hause zu kommen", sagte Gerst, der bereits von Ende Mai bis 10. November 2014 schon einmal als Bordingenieur auf der ISS war. Am 6. Juni war der 42-Jährige mit dem russischen Kosmonauten Sergej Prokopjew und der US-Astronautin Serena Auñón-Chancellor vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan gestartet.
300 Experimente auf der ISS
Nach einem Druckausgleich öffnete sich die Verbindungsluke zwischen der Station und der Sojus-Kapsel und machte für den Deutschen und seine zwei Crew-Kollegen den Weg frei in ihr Zuhause in der Schwerelosigkeit. In blauen Overalls schwebten sie an Bord der ISS, wo sie die US-Astronauten Andrew Feustel und Richard Arnold sowie der Kosmonaut Oleg Artjemjew in blauen, weißgeblümten Hawaiihemden empfingen. Gerst ließ als erstes die Maus aus der gleichnamigen TV-Sendung schweben – mit einem weißen Raumanzug. Immer wieder gab Gerst den jungen (und älteren) Zuschauern der „Sendung mit der Maus" in den Folgemonaten Einblicke in sein Alltagsleben auf der ISS und zeigte auch immer wieder interessante Experimente. Stets mit dabei die beiden Hauptprotagonisten der Sendung: die Maus und der kleine blaue Elefant im schicken weißen Raumanzug. Gerst beantwortet zudem live im „Kinderkanal" Fragen junger Zuschauer. Neben den Experimenten für die Maus standen auch rund 300 ernsthafte auf Gersts Agenda, davon 41 Versuche des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Gleich zu Beginn unterstützte er etwa seine beiden US-Kollegen Drew Feustel und Ricky Arnold bei deren wichtigen Wartungsarbeiten. Feustel und Arnold arbeiteten fast sieben Stunden schwerelos in ihren weißen Raumanzügen an der Außenwand der ISS. Unter anderem montierten sie hochauflösende Kameras am Außenposten der Menschheit rund 400 Kilometer über der Erde. Die Kameras sollen künftig beim Andocken neuer US-Raumkapseln der privaten Firmen SpaceX und Boeing zum Einsatz kommen. Gersts Aufgabe bei dem Außeneinsatz sei es gewesen, die Kollegen von innen zu unterstützen, erklärte Schmid. Er beobachtete die Aktivitäten von der Cupola aus und passte auf, dass alles planmäßig ablaufe. Die Cupola ist eine Art Beobachtungsposten mit Rundumblick auf der ISS. Zudem war Gerst bei diesem Einsatz Bindeglied zwischen den Astronauten und der Bodenkontrolle, falls die Kommunikation nicht klar sei.
Gerst selbst hatte auch einen Außeneinsatz. Der zunächst für September geplante Einsatz musste auf Ende November verschoben werden. Er musste dabei Lithium-Ionen-Batterien montieren, um Energie aus den Solarzellen der ISS zu speichern. Die Mission „Horizons" (Horizonte) war bereits Gersts zweiter Einsatz im Weltraum.
Mahner aus dem Weltall
2014 hatte er als twitternder „Astro-Alex" viele Fans in Deutschland gewonnen. Seine beliebten Nachrichten in den sozialen Netzwerken entstehen übrigens so: Wenn er etwas Interessantes sehe, mache er Fotos und notiere seine Gedanken dazu, schilderte Gerst. „Technisch gehen wir natürlich nicht ins Internet und laden jedes Mal selbst Sachen bei Twitter, Instagram oder Facebook hoch, denn wir müssen arbeiten." Vielmehr schaue er sich abends seine Bilder und Notizen an. „Das schicke ich in einer E-Mail an mein Team, und die stellen das ein", sagte Gerst.
In den Wochen und Monaten auf der ISS meldete sich Gerst auch dieses Mal immer wieder zu Wort. So schickte er Anfang August etwa Bilder vom vertrockneten Rheinland: „Schockierender Anblick. Alles vertrocknet und braun, was eigentlich grün sein sollte." Oder Anfang November berichtete er vom dramatischen Rückgang zahlreicher Gletscher binnen vier Jahren seit seinem letzten ISS-Einsatz.
Anfang Oktober übernahm Gerst dann planmäßig das Kommando auf der ISS – als erster Deutscher in der 20-jährigen Geschichte der Raumstation. Er übernahm das Kommando, weil die drei Raumfahrer Oleg Artemjew, Drew Feustel und Ricky Arnold von der ISS zur Erde zurückkehrten und sicher in der Steppe von Kasachstan landeten. Am 20. Dezember kehrte Gerst selbst von seiner Mission zur Erde zurück. Die Rückkehr wurde mit Spannung und auch einiger Nervosität begleitet, denn Anfang Oktober gab es einen ungeplanten Zwischenfall, der auch eine rechtzeitige Rückkehr Gersts infrage stellte.
Die Sojus-Trägerrakete, eigentlich das bewährte Arbeitspferd der russischen Weltraumfahrt, war am 11. Oktober um 14.40 Uhr Ortszeit (10.40 Uhr MESZ) in Baikonur abgehoben. Nach Angaben von Experten traten schon beim Brennen der ersten Raketenstufe Probleme auf. Die Nasa sprach von einer „Anomalie" an der Stufe. Deswegen zündete die zweite Stufe nicht, sondern die Rakete löste sich auf. Die Kapsel „Sojus-MS10" mit dem russischen Kosmonauten Alexej Owtschinin und seinem US-Kollegen Nick Hague ging in eine flachere Flugbahn über. Es folgten bange Minuten bis zur Notlandung etwa 400 Kilometer vom Startpunkt entfernt. „Die Besatzung ist gelandet. Alle leben", gab schließlich Dmitri Rogosin, Leiter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, auf Twitter Entwarnung. Owtschinin und Hague wurden nach Baikonur geflogen.
An der Raumkapsel „Sojus-MS09", mit der Gerst zur ISS kam, war bereits zuvor ein kleines Loch entdeckt worden. Zwar konnte das Leck geschlossen werden, doch die Ursache ist ungeklärt.