Es kann nur einen Super-Bowl-Sieger geben. Doch die vergangene NFL-Spielzeit hat noch mehr Gewinner hervorgebracht. Für andere dagegen war es eine Saison zum Vergessen.
Vor dem Höhepunkt der Saison am 2. Februar in Florida blickt FORUM auf das vergangene Spieljahr zurück, das in der National Football League nicht nur Gewinner hervorgebracht hat, sondern auch Verlierer zurückließ.
Gewinner: Lamar Jackson
In der heutigen NFL muss ein Quarterback sehr viel mehr beherrschen als nur ein gutes Passspiel. Was die modernen Spielführer auszeichnet, ist ihre Fähigkeit, selbst mit dem Ball zu laufen, wenn sich gerade keine geeignete Anspielstation findet. Niemand verkörpert dieses neue Ideal so gut wie Lamar Jackson von den Baltimore Ravens. Der 23-Jährige warf in dieser Saison 36 Touchdown-Pässe, weitere siebenmal trug er den Ball selbst in die Endzone. Dabei waren seine Laufstatistiken besser als die der meisten Runningbacks. Einst war er für seine Spielweise belächelt worden – er sei ein Runningback, der Quarterback spiele. Mit seinen herausragenden Zahlen in dieser Saison hat Jackson die Kritiker zum Schweigen gebracht. Nur die Krönung blieb aus: Nach der besten Bilanz in der regulären Saison scheiterten die Baltimore Ravens in der zweiten Play-off-Runde an den Tennessee Titans.
Verlierer: Tom Brady
Sechsmal hat Tom Brady den Super Bowl gewonnen und die New England Patriots im vergangenen Jahr noch einmal auf den Thron geführt. In dieser Saison sah der 42-Jährige im Vergleich zur neuen Quarterback-Generation aber ziemlich alt aus. Zum ersten Mal seit 2008 wurde Brady nicht für den Pro Bowl nominiert, das alljährliche All-Star-Treffen der NFL. Lediglich 24 Touchdowns standen am Ende für ihn zu Buche, so wenige wie seit 2006 nicht mehr, und auch sein Quarterback-Rating war das schlechteste seit sechs Jahren. Die Quittung ereilte den Titelverteidiger bereits in der ersten Play-off-Runde gegen Tennessee, als Bradys entscheidender Pass neun Sekunden vor dem Ende vom Gegner abgefangen wurde. Damit verloren die Patriots erstmals seit 2012 wieder ein Play-off-Heimspiel. Doch Brady will so nicht abtreten. Die Gerüchte über ein mögliches Karriereende zerstreute er: „Ich muss noch etwas beweisen", sagte er. Ob er indes weiter für die Patriots spielt, ist offen – sein Vertrag dort läuft nach dieser Saison aus.
Gewinner: Gardner Minshew
Noch ein Quarterback, über den in dieser Saison viel geredet wurde. Als Sechsrunden-Pick des diesjährigen Talente-Drafts schien Gardner Minshew nicht gerade prädestiniert für eine große NFL-Karriere, zumal die Jacksonville Jaguars im Sommer mit Nick Foles einen ehemaligen Super-Bowl-Sieger an Land gezogen hatten. Foles unterschrieb in Florida einen 88 Millionen Dollar schweren Vierjahresvertrag, doch er verletzte sich gleich im ersten Spiel an der Schulter. Neuling Minshew sprang ein und überzeugte die Fans nicht nur mit seinem Spiel, sondern auch mit seinem 70er-Jahre-Schnauzbart und seinen extravaganten Outfits. Minshew ist längst Kult, das musste auch Foles neidlos anerkennen. Am elften Spieltag kehrte er zwar noch einmal für drei Spiele zurück, doch danach beorderten ihn die Coaches wieder auf die Bank. Mit Minshew und seiner bemerkenswerten Fähigkeit, die Schwachstellen der gegnerischen Verteidigung blitzschnell zu erkennen, werden die Jaguars in Zukunft noch jede Menge Spaß haben.
Verlierer: Antonio Brown
Die Pittsburgh Steelers wussten schon, warum sie Antonio Brown im Frühjahr 2019 an die Oakland Raiders abgaben. Mit diversen Eskapaden hat sich der Wide Receiver in dieser Saison selbst disqualifiziert. Zunächst setzte er alles daran, auch von seinem neuen Team gleich wieder vor die Tür gesetzt zu werden, da er ganz offensichtlich keine Lust hatte, für Oakland zu spielen. Nach monatelangen Diskussionen hatten die Raiders noch vor dem ersten Spieltag genug und lösten den Vertrag wieder auf, woraufhin Brown bei den New England Patriots anheuerte. Doch nach mehreren Klagen wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung wurde er auch dort bald wieder entlassen und kämpft seitdem um seinen Platz in der Liga. Ob ihm ein anderer Club noch einmal eine Chance gibt, ist zumindest fraglich.
Gewinner: Michael Thomas und Drew Brees
Es war eine Rekordsaison für den Wide Receiver der New Orleans Saints. Mit 149 gefangenen Pässen stellte Michael Thomas einen neuen NFL-Rekord auf und übertraf die bisherige Bestmarke von Marvin Harrison (143) um sechs Pässe. Vor der Saison war Thomas kurzzeitig in den Streik getreten, um für sich einen besseren Vertrag herauszuschlagen. Mit Erfolg: Er bekommt nun mehr als 100 Millionen Dollar über fünf Jahre, womit er der höchstbezahlte Receiver der NFL-Geschichte und zugleich der erste Nicht-Quarterback mit einem 100-Millionen-Vertrag ist. Doch er ist jeden Penny wert. In der abgelaufenen Spielzeit war Thomas die Lieblingsanspielstation von Saints-Quarterback Drew Brees, mit dem er ein kongeniales Duo bildete. Auch Brees spielte sich in die Geschichtsbücher und überbot mit seinen jetzt 547 Touchdown-Pässen den Rekord von Peyton Manning (539). Im Spiel gegen die Indianapolis Colts brachte er insgesamt 29 von 30 Pässen an den Mann, was einer Passquote von 96,7 Prozent entspricht. Auch in dieser Kategorie war in der NFL-Historie niemand besser.
Verlierer: New Orleans Saints
Individuell lieferten die New Orleans Saints eine herausragende Saison ab. Trotzdem endete die Spielzeit für das Team aus Louisiana erneut mit einer großen Enttäuschung. Durch das 20:26 gegen die Minnesota Vikings scheiterte der Club bei seiner Jagd nach dem Super Bowl bereits in der ersten Play-off-Runde. Wieder einmal war das Ausscheiden hochdramatisch – die Entscheidung fiel erst in der Verlängerung. Schon 2018 lagen sie im Halbfinale ebenfalls gegen Minnesota bis wenige Sekunden vor Schluss in Führung, ehe die Vikings mit dem allerletzten Spielzug noch zum Touchdown kamen und die Partie drehten. Im vergangenen Jahr waren sie gegen die Los Angeles Rams ebenfalls in der Vorschlussrunde aufgrund einer krassen Fehlentscheidung der Schiedsrichter gescheitert. Irgendwie scheint auf den Saints in den Play-offs ein Fluch zu liegen.
Gewinner: Nick Bosa
Wenn man Nick Bosa spielen sieht, kann man es kaum glauben, dass es für den 22-Jährigen seine erste Saison in der NFL ist. Der Verteidiger der San Francisco 49ers hat auf der Position des Defensive Ends auf Anhieb überzeugt und dürfte dafür am Ende der Saison die Auszeichnung als Rookie des Jahres erhalten, als bester junger Spieler der Liga. Seine spielerische Reife ist bemerkenswert.
Die gegnerischen Quarterbacks fürchten ihn; vor allem Carolinas Kyle Allen dürfte immer noch Alpträume haben, nachdem er von Bosa am achten Spieltag gleich dreimal gelegt wurde und dieser auch noch einen seiner Pässe zur Interception abfing. Im Play-off-Spiel gegen Minnesota hätte sich Bosa bei einer ähnlichen Attacke gegen Vikings-Spielführer Kirk Cousins beinahe verletzt, doch der Rookie ist offenbar hart im Nehmen. Nachdem die Fans der 49ers seinen Namen riefen, konnte er schnell wieder aufstehen.
Verlierer: Cleveland Browns
Kein anderer Club in der National Football League hat im vergangenen Jahrzehnt so schlecht abgeschnitten wie die Cleveland Browns. In dieser Saison sollte dann alles besser werden. Mindestens die Play-off-Teilnahme trauten viele Experten der Mannschaft zu, die sich mit Wide Receiver Odell Beckham jr. prominent verstärkt hatte; bei den Buchmachern rangierte Cleveland auf der Liste der möglichen Super-Bowl-Teams sogar auf Platz acht. Doch am Ende war alles wie immer. Die Browns konnten die hohen Erwartungen nicht einmal ansatzweise erfüllen und verpassten erneut die Endrunde.
Negativer Tiefpunkt war die peinliche Pleite gegen Tabellenschlusslicht Cincinnati am letzten Spieltag. Oder vielleicht doch die Partie gegen Pittsburgh, als Verteidiger Myles Garrett Steelers-Quarterback Mason Rudolph den Helm vom Kopf riss, damit ausholte und seinen Gegenspieler am Kopf traf? Nicht nur diese Aktion sorgte für Kopfschütteln. Beckham Jr. und der hochgejubelte Quarterback Baker Mayfield enttäuschten, zudem wirkte Trainer Freddie Kitchens an der Seitenlinie oft hilflos und überfordert und wurde zum Saisonende gefeuert. Seit nunmehr 16 Jahren – länger als jeder andere NFL-Club – warten die Browns nun schon auf eine Play-off-Teilnahme. Kein Wunder dass schon länger Gerüchte kursieren, dass Spieler nach den Partien zum Gegner gehen, um einen Wechselwunsch zu äußern.