An Louis Olinde hatten zahlreiche Clubs Interesse gezeigt, doch das deutsche Toptalent entschied sich für Alba Berlin. Dort soll er die Zukunft maßgeblich mitgestalten.
Es ist paradox. Nach dem Gewinn des Doubles unkten nicht wenige Experten über eine goldene Ära von Basketballclub Alba Berlin, doch ausgerechnet jetzt muss der Meister und Pokalsieger einen großen Umbruch stemmen. Das Kommen und Gehen fällt in diesem Sommer deutlich stärker aus als in den vergangenen Jahren, was nicht nur für das Teamgefüge eine Gefahr darstellt. Die Neuzugänge müssen auch beweisen, dass sie die Abgänge sportlich kompensieren können. Eine andere Wahl hatte Alba offenbar nicht. Topspieler wie Martin Hermannsson (Valencia), Landry Nnoko (Belgrad) und Rokas Giedraitis (Vitoria-Gasteiz) passten nicht mehr ins Gehaltsgefüge, sie verdienen bei ihren neuen Clubs deutlich mehr. Alba wurde quasi zum Opfer seines eigenen Erfolgs. „Die Spieler haben in den letzten zwei Jahren ihren Marktwert verdoppelt oder verdreifacht“, erklärte Alba-Manager Marco Baldi. Und dann sind solche Profis für Alba – Stand jetzt – nicht mehr zu halten. „Wir können schon sagen, dass wir ein Ausbildungsverein sind“, sagte Baldi dem RBB, „wenn auch auf allerhöchstem Niveau.“
Club wurde Opfer des eigenen Erfolgs
Die Aufgabe ist nun also, ein neues Meisterteam zu formen. Neue Hermannssons auszubilden. Große Hoffnungen ruhen dabei auf Louis Olinde. Der 22-Jährige war der vielleicht begehrteste Jungprofi auf dem deutschen Spielermarkt, Alba erhielt den Zuschlag. Der Forward wechselt von Brose Bamberg nach Berlin, hier soll ihm in den kommenden drei Jahren der Sprung vom Talent zum Star gelingen. Alle im Club seien „sehr froh“ über die Verpflichtung, sagte Sportdirektor Himar Ojeda. „Viele Teams wollten Louis in diesem Sommer verpflichten, und wir freuen uns sehr, dass er sich unserem Programm angeschlossen hat.“ Alba hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sich junge Profis in dem Umfeld hervorragend entwickeln können. Diesen Weg soll nun auch Olinde gehen. „Mit 22 Jahren ist noch viel Entwicklungspotenzial bei ihm vorhanden“, so Ojeda.
Schon jetzt gehört Olinde zu den gestandenen Spielern der Basketball-Bundesliga (BBL) auf seiner Position. Vor allem in der Defensive zeigte der 2,06 Meter große Nationalspieler bei seinem Ex-Club Bamberg große Stärken, hier setzte er seine Sprungkraft und Athletik glänzend ein. Wie wichtig er trotz seiner jungen Jahre für Bamberg war, zeigte sein Fehlen beim Finalturnier in München: Ohne den an der Schulter verletzten Olinde schied der frühere Serienmeister im Viertelfinale aus. Noch ausbaufähig ist Olindes Offensivspiel. Seine persönliche Bilanz in 21 Hauptrundenspielen der Vorsaison (im Schnitt 6,8 Punkte, 5,3 Rebounds, 1,0 Assists und 1,0 Blocks) ist auf dem Papier nicht gerade furchteinflößend für die Gegner. Doch bei Fastbreaks überzeugte Olinde mit flinken Beinen und schneller Auffassungsgabe. Noch wichtiger: Wegbegleiter bescheinigen dem gebürtigen Hamburger einen großen Lernwillen und einen ausgeprägten Trainingseifer. Das Talent geerbt hat er vermutlich von Vater Wilbert, der in den 80er-Jahren in Göttingen eine echte Basketball-Legende war. Aus diesem Gesamtpaket, davon sind die Alba-Bosse überzeugt, kann Trainer Aíto García Reneses einen kommenden Star formen. Der 73 Jahre alte Spanier, den Bundestrainer Henrik Rödl einmal als „ultimativen Lehrer“ bezeichnet hat, hatte in seiner langen Trainerkarriere schon viele NBA-Stars wie Kristaps Porzingis, Juan Carlos Navarro oder Pau Gasol unter seine Fittiche. Das beeindruckt auch Olinde, der sich den Sprung nach Nordamerika zutraut: „Es wäre schon ein echter Kindheitstraum, seinen eigenen Namen dort zu hören.“ Und Reneses soll ihm dabei helfen.
„Alba spielt mit viel Leichtigkeit, Tempo und Leidenschaft“
Bei Redaktionsschluss war nicht offiziell geklärt, ob der Meistertrainer bei Alba noch eine Saison dranhängt. Doch die Zeichen darauf verdichteten sich. Die katalanische Sportzeitung „L’Esportiu“ hatte schon von einer unmittelbar bevorstehenden Einigung und einem pikanten Detail geschrieben: Angeblich soll es in dem neuen Einjahresvertrag eine Klausel geben, nach der der Cheftrainer nicht zwingend bei allen Auswärtspartien dabei sein müsse. Auf die Reisestrapazen, vor allem in der Euro League, scheint der 73-Jährige gerne verzichten zu wollen. Alba dürfte Reneses in vielerlei Hinsicht entgegenkommen, denn kein anderer Trainer verkörpert die Club-Philosophie so sehr wie der Spanier. Davon will auch Olinde profitieren. „Wie bei Alba in den letzten Jahren junge Spieler erfolgreich eingebunden wurden und mit wie viel Leichtigkeit, Tempo und Leidenschaft Basketball gespielt wurde, hat großen Eindruck bei mir gemacht“, sagte der Nationalspieler. Er spüre bei Alba „optimale Bedingungen, um die nächsten Schritte in meiner Entwicklung zu machen“. Reneses plant mit ihm vorwiegend auf der Small-Forward-Position, doch hin und wieder soll Olinde auch als Power Forward eingesetzt werden. Diese taktische Flexibilität verlangt Reneses von seinen Spielern, dadurch machte zum Beispiel auch Niels Giffey einen großen Entwicklungsschritt. Giffey und Olinde verfügen über ein ähnliches Spielerprofil, der Neuzugang könne vom Kapitän „daher einiges lernen“, glaubt Ojeda.
Ein wichtiger Grund für Olinde, den anderen Interessenten einen Korb zu geben, war Albas Startrecht in der Euro League, die – wie er selbst sagt – „zweitbeste Liga der Welt“ hinter der NBA. Ein weiterer Grund war die mit drei Jahren ungewöhnlich lange Laufzeit seines Vertrages. Sie zeugt von viel Vertrauen in das Talent, das Alba auch den Neuzugängen Simone Fontecchio und Ben Lammers (je drei Jahre) schenkt. Doch nur mit Jungprofis kann Alba den Titel nicht erfolgreich verteidigen, dafür ist durch den Weggang einiger Meisterspieler zu viel Erfahrung verloren gegangen. Deswegen verpflichteten die Berliner auch den 27-Jährigen Maodo Lô. Der Nationalspieler kehrt von Bayern München in seine Heimatstadt zurück. Sein größter Anreiz für den Wechsel sei aber Trainer Reneses gewesen, erklärte Lô. Dessen Spielphilosophie sei „in ganz Europa sehr angesehen“, viele Spieler wüssten Reneses Arbeit „sehr zu schätzen“. Er natürlich auch. Aus der Ferne hat der Sohn der bekannten deutschen Künstlerin Elvira Bach und eines senegalesischen Vaters mit großer Bewunderung die Alba-Entwicklung unter Reneses Leitung verfolgt. „Der Ball bewegt sich schnell, die Spieler sind mit großem Spaß dabei, sogar Enthusiasmus.“
Spaß will auch Olinde in Berlin haben – und das nicht nur auf dem Parkett. „Als Großstadttyp, der in Hamburg aufgewachsen ist“, sagt er, „freue ich mich außerdem sehr drauf, in den kommenden Jahren wieder in einer Metropole wie Berlin zu leben.“