Lockdown und Hygieneregeln machen jedes Studium zu einer Herausforderung. Das gilt insbesondere für künstlerische Studiengänge. FORUM hat mit Lara Magdalena Tacke gesprochen. Sie studiert seit 2015 Theaterregie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst-Busch".
Frau Tacke, Sie haben Kulturwissenschaften und Kunstgeschichte studiert, warum?
In den Geisteswissenschaften habe ich mich nie ganz zu Hause gefühlt. Ich hatte eine große Liebe fürs Theater, und so landete ich bei einer Laientheatergruppe, das machte mir enorm viel Spaß. Dann erzählte mir jemand von der „Ernst-Busch"-Schule. Bei der Aufnahmeprüfung dort habe ich das erste Mal Regie geführt, und da machte es einfach Klick.
Und, haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Das Studium war viel härter als gedacht. Zweieinhalb Jahre kein Privatleben, täglich zehn Stunden in der Schule. Im Grundstudium hat sich alles nur noch ums Theatermachen gedreht. Irgendwann kam ich in einen richtigen Rausch und habe es genossen, mich aber auch dabei immer wieder über veraltete patriarchale Strukturen im Theaterbetrieb geärgert und damit herumgeschlagen.
Ein halbes Jahr waren Sie auch in Kopenhagen?
Zunächst habe ich an der Danish National School of Performing Arts studiert, anschließend war ich drei Monate in Finnland. Die Hochschule fördert das, und ich wollte sehen und erleben, wie in Europa Theater gemacht wird.
Im März vergangenen Jahres rollte die erste Corona-Welle an. Wie war das für Sie?
Da stand ich zwei Wochen vor den Proben zu meinem Diplomstück, Premiere sollte im Mai sein. Es war eine internationale Koproduktion, fünf Schauspieler aus fünf Ländern, der organisatorische Aufwand war Wahnsinn. Dann hieß es plötzlich, keine Zuschauer, und etwas später wurden die Proben gestoppt. Für mich drohte ein Traum zu zerplatzen. Das erste Mal im Leben hatte ich wirklich Zukunftsängste.
Aber im Sommer entspannte sich doch die Situation ein wenig?
Mein Diplom lag erst mal auf Eis. Einige der Schauspielenden mussten abspringen, alles war ungewiss. Theatermacher werden von Leidenschaft getrieben, wir wollten unbedingt spielen. Also suchte ich mir Projekte, die trotz Corona umsetzbar waren. Mit einer Wanderbühne traten wir im Park am Nordbahnhof auf, auf dem Tempelhofer Feld und auch in der Schweiz. Außerdem entwickelten wir Formate für „One on One"-Begegnungen mit Zuschauenden in stillgelegten Technoclubs Berlins.
Wie ging es danach weiter?
Die Schule bot mir für Dezember Aufführungstermine an, aber da rechnete ja noch keiner mit der zweiten Welle. Mein künstlerisches Team stand hinter mir, alle sagten, jetzt lass uns das durchziehen, wir müssen jetzt flexibel sein. Also versuchte ich, die vielen Restriktionen in das künstlerische Konzept einzubetten, sie sichtbar zu machen. Ich konnte mir aber auch aus finanziellen Gründen nicht leisten, länger zu studieren.
Die Proben sollten im Oktober beginnen. Wir buchten Flüge und holten die Schauspielenden, übrigens auch Absolventen, nach Berlin. Sie wohnten zusammen, bildeten also einen Haushalt. Wir haben uns als Cluster eintragen lassen, damit galten für uns als Gruppe keine Abstandsregeln. Andererseits durften wir keine weiteren Personen mehr treffen.
Ihr Stück heißt „The Garden". Worum geht es da?
Vorlage war das „Decameron", eine Novellensammlung von Giovanni Boccaccio. In Florenz wütet die Pest, der Adel hat sich aufs Land zurückgezogen. Zum Zeitvertreib erzählt man sich dort – in einem Garten – Geschichten. Wir hatten den Stoff weit vor der Pandemie ausgewählt, nun passte er mit einem Mal gespenstisch gut. Ursprünglich ging es mir bei der Pestmetapher um die Krisen Europas, den Rechtsruck und zunehmende Autokratie, das Klima der Angst, die daraus resultierende Abschottung. Wir wollten kein „Corona-Stück" machen, daher haben wir das Konzept entsprechend angepasst. Es gab kein fertiges Skript, die Schauspielenden haben die Geschichten erzählt, die sie erzählen wollten. Zudem waren alle nach Monaten im Lockdown emotional dünnhäutig. Das führte zu sehr schönen Probenmomenten, war aber auch für mich als Regisseurin eine große Herausforderung.
Konnten Sie Ihr Diplomstück denn überhaupt aufführen?
Ja, und zwar wenige Tage, bevor der harte Lockdown kam. Wir hatten im Dezember fünf Vorstellungen, 20 Zuschauende aus der Hochschule und Theaterfachpublikum.
Es brach mir fast das Herz, das Stück nicht einem größeren Publikum zeigen zu können. Denn es ist eine Arbeit, auf die ich stolz bin. Aber ich bin felsenfest überzeugt: Das ist nur eine Frage der Zeit. Geplant sind nämlich einige Vorstellungen im April in Kopenhagen, ebenso wie ein Gastspiel im Sommer in Polen, und für Oktober haben wir eine Festivaleinladung nach Frankreich.
Ich selbst arbeite an meiner Diplomarbeit zu „feministischen Perspektiven auf Führung". Ansonsten bewerbe ich mich um Förderungen für Stücke und schreibe Anträge, zum Beispiel für Stipendien für Berufseinsteiger oder Regienachwuchswettbewerbe.
Hätten Sie sich mehr Unterstützung gewünscht?
Teilweise war es wirklich schwer. Manchen Kolleginnen und Kollegen ist die ganze Existenz weggebrochen, ich bin noch einigermaßen gut durchgekommen. Aber mir hätte manchmal einfach nur Zuspruch gereicht. Eine Dozentin aus Kopenhagen schickte mir eine Mail und fragte, wie es mir geht. So was hilft. Ich habe dann in der Hochschule angerufen, weil ich mich einfach nicht gesehen fühlte, und dann kam viel Unterstützung, aber ich musste sie einfordern.
Wie sieht es nach dem Studium aus, haben Sie bereits konkrete Pläne?
Im Augenblick kräht in den Institutionen kein Hahn nach Absolventinnen. Die Stadttheater haben alle Inszenierungen verschoben und vergeben deswegen kaum Stückaufträge für Newcomer.
Ich wusste ja, was mich erwartet: keine festen Engagements, von Stück zu Stück, immer flexibel sein. Meinen Optimismus lasse ich mir nicht nehmen. Das ist Willenssache. Gerade arbeite ich an Konzepten für Projekte im Sommer. Wir sind mit unserer Wanderbühne im Strandbad Tegel und am Landestheater Neustrelitz. Außerdem entwickle ich Vermittlungsprogramme fürs Kinder- und Jugendtheater und bin weiterhin an internationalen Koproduktionen interessiert. Gerade habe ich erfahren, dass meine Diplomarbeit für das Körber Studio Junge Regie nominiert ist. Eine Riesenehre, denn das Festival gilt als wichtigste Plattform für den Regienachwuchs.