Es gibt Bands, die einem über die Jahre fast unmerklich, dafür aber umso fester, ans Herz gewachsen sind. Zu dieser Spezies zählen definitiv die Villagers aus Irland. Schon ihr Debütalbum „Becoming a Jackal" konnte die Zuhörer mit feinem Indie-Folk-Pop bezirzen. Gleichwohl reichte die Aufmerksamkeit nicht weit über den Jahrgang 2010 hinaus. Erst 2013 erinnerte „Awayland" an die Magie des Frontmanns Conor O’Brien und seinen kongenialen Mitstreitern. Trotzdem verschwand auch dieses Meisterwerk fein austarierter Melancholie alsbald vom Radar. Es brauchte erst wieder „Darling Arithmetic" (2015) zur Auffrischung der Erinnerung. Schon seltsam, aber womöglich war das der bittersüßen Unaufgeregtheit dieser Lieder geschuldet. „The Art of Pretending to Swim" konnte 2018 ebenso restlos begeistern. Allmählich dämmerte dem Hörer die schiere, auch nachhaltige Klasse der Villagers. Und im Nachgang sind reichlich Genre-Klassiker hängen geblieben: Der famose Titeltrack des Debüts, das betörende „Nothing Arrived" von „Awayland", das wundersame „Hot Scary Summer" von „Darling Arithmetic". Große Seelenmusik ist das. Und davon gibt es auch auf „Fever Dreams" genug. „The First Day" eröffnet den Reigen mit Schrägcharme und Opulenz. Bläser und Geigen im Verbund mit allerhand Geklöppel und Geklimper setzen eine starke Wegmarkierung für weitere Großtaten: „Song In Seven" zum Beispiel. Harmoniesucht und Experimentierfreude werden nicht nur während dieser vier Minuten gen Himmel geschraubt. Nie hat O’Brien verführerischer gesungen, nie virtuoser mit elektrifizierter Raffinesse jongliert. Das siebenminütige „So Simpatico" mündet in eine herrlich nostalgische, schier ewig währende Saxofon-Meditation. Van Morrison lässt grüßen. „Momentarily" ist eine Mondschein-Ballade mit taghellen Klavier-Laufen, sanfter Jazz-Trompete und Soul-Chorus. Das vergleichsweise rhythmische „Circles In The Firing Line" überrascht mit einem Gitarrensolo, das Jeff Tweedy beigesteuert haben könnte. Ja, die Villagers bespielen wie Wilco die Champions League des Indie-Pop.
KULT[UR]

Foto: Domino
CD-Tipp: Meister des Indie-Pops
Villagers: Fever Dreams. Label: Domino. Laufzeit: 46 Minuten.
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