Theater auf Russisch und Deutsch wird in Berlins Nordosten seit 15 Jahren gespielt. Gegründet im Rahmen des Quartiersmanagements für Marzahn, ist das Tschechow-Theater heute eine wichtige Adresse im Kiez, die Kulturen zusammenbringt.
Wenn das Jubiläum eines Theaters wie der Geburtstag eines Lieblingsnachbarn gefeiert wird, dann ist das wohl ein Indiz dafür, dass es im Kiez „angekommen" ist. Und nicht nur das: Das kleine Tschechow-Theater in Berlin-Marzahn hat sich seit 2003 zur populären Kulturanlaufstelle im Bezirk gemausert. Zu Beginn des Jahrtausends hätte sich das allerdings kaum einer in Marzahn-Hellersdorf vorstellen können. Theaterenthusiasten, Schauspieler, Regisseure – viele von ihnen Russlanddeutsche – hatten sich 2001 zur Gruppe „Skazka" (russisch: Märchen) zusammengefunden, um Theater auf Russisch zu spielen. Dafür allerdings gab es selbst in Marzahn-Nord, wo sich viele Aussiedler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken angesiedelt hatten, auf die Dauer nicht genügend Publikum. 2002 gründete dann der Kulturring Berlin das Tschechow-Theater, das über das Quartiersmanagement Marzahn Nordwest mit Mitteln aus dem Programm „Soziale Stadt" finanziert wurde.
In den ersten Jahren wurden nur vereinzelt Theaterstücke auf Deutsch und Russisch gespielt, inzwischen ist das ein Markenzeichen des Hauses. Später kamen Gastspiele von anderen Ensembles hinzu, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen, Kinderprogramme. Heute ist die Einrichtung ein gesellschaftliches Zentrum, das nicht nur Kultur bietet, sondern auch unterschiedliche Kulturen zusammenbringt.
Und das ganz im Sinne des Namensgebers, des russischen Schriftstellers und Dramatikers Anton Pawlowitsch Tschechow. 1860 wurde er im russischen Taganog geboren, und starb 1904 im Kurort Badenweiler. Und somit galt er vielen Theaterschaffenden in Berlin-Marzahn als Identifikationsfigur. Als einer, der für die beiden Kulturen steht, die bei aller Unterschiedlichkeit doch auch viel Gemeinsames haben.
Kein Wunder also, dass das Gründungsteam des kleinen Tschechow-Theaters immer wieder zweisprachige Inszenierungen auf die Bühne brachte – bekannte Stücke des Namensgebers beispielsweise wie „Der Bär" und „Der Heiratsantrag".
Nicht nur die Organisation ist ein Kraftakt
Auch das jetzige Hausensemble T&T (Theater und Tanz) hält sich an dieses Erfolgsrezept, allerdings nicht ausschließlich. Längst gibt es auf dem Spielplan auch zeitgenössische Stücke, darunter viel Satirisches, das das auch in Marzahn nicht immer konfliktfreie Zusammenleben der Kulturen gern mal aufs Korn nimmt.
In den 15 Jahren seines Bestehens hat sich die Einrichtung im Erdgeschoss eines elfstöckigen Hochhauses zu einem wichtigen Kulturzentrum im Viertel entwickelt. Und so werden hier auch Lesungen und Kabarett, Diskussionsrunden und Ausstellungen organisiert. Ein großer Teil des Angebots richtet sich an Kinder und Jugendliche – die können hier unter professioneller Anleitung tanzen, musizieren und schauspielern lernen – für Kita- und Schulgruppen gibt es außerdem regelmäßig Workshops. Kultur kommt hier zu erschwinglichen Preisen zu denjenigen, die sich teure Theater- und Konzerttickets nicht leisten könnten.
Ob das auch weiter möglich sein wird, ist momentan unsicher – wegen ungeklärter Finanzierung. Schon mehrere Male stand das Theater deswegen kurz vor dem Aus, aber bis jetzt hat Theaterchefin Alena Gawron das Haus immer offenhalten können.
Die in der Slowakei geborene promovierte Philologin übernahm 2003 die Leitung der Einrichtung. Seitdem wird sie nicht müde, neue Ideen zu entwickeln, Kontakte zu anderen Ensembles zu knüpfen, unterschiedlichste Veranstaltungen ins Haus zu holen. Von ihr stammt auch die Idee der Doppelinszenierungen auf Deutsch und Russisch. Was so funktioniert: wenn das Haustheater T&T ein Stück auf Russisch spielt, führt ein Gastensemble das gleiche Stück auf Deutsch auf. So waren beispielsweise schon das Turmalin-Theater aus Nürnberg, die Gruppe Tschaika aus Köln oder das „Theater aus dem Nichts" aus Hamburg auf der kleinen Marzahner Bühne zu Gast. Ein Kraftakt ist nicht nur die Organisation dieser Gastspiele. Denn ein festes Team hat Alena Gawron nicht, allerdings kommen immer wieder temporäre Hilfskräfte. Dazu gibt es den Freundeskreis und eine ganze Reihe von Ehrenamtlichen, die das Theater unterstützen und mithelfen, wann und wo es nötig ist. Dass das kleine Kulturzentrum eine wichtige Anlaufstelle für den Kiez ist, wissen auch die Kulturverantwortlichen im Bezirk. Und wollen sich dafür einsetzen, dass das künftig so bleibt.