Kreative Arbeit unter Zeitdruck gehört für Birgit Blume zum Alltag. Doch manche Inszenierung ist auch für die erfahrene Chef-Maskenbildnerin des Saarländischen Staatstheaters eine echte Herausforderung. So wie die Oper „Der Sturm" von Lorenzo Fioroni.
Ein Opernsänger mit einer Maske? Das wird eine Herausforderung. Gleich nach dem ersten Vorgespräch mit den Kostümbildnern greift Birgit Blume, Chef-Maskenbildnerin am Saarbrücker Staatstheater zum Telefon und hört sich bei ihren Arbeitskollegen aus anderen Theatern um. „Die Vorstellung davon, Solisten auf der Bühne eine Maske tragen zu lassen, fand ich persönlich sehr spannend. Ich hatte auch schon eine Idee, auf welche Materialien ich bei der Gestaltung zurückgreifen könnte." Aber konkrete Pläne, wie sie die Opern-Masken für „Der Sturm", einer Oper nach dem gleichnamigen Theaterstück von William Shakespeare, konzipieren soll, dass wusste Blume zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Gartenparty und Familienfest
Denn die Inszenierung von Lorenzo Fioroni hat es in sich: Im Gegensatz zum Theaterstück interpretiert der preisgekrönte Regisseur –
Fioroni gewann 2005 den renommierten Götz-Friedrich Preis für Regie und wurde 2013 bereits zum zweiten Mal für den Deutschen Theaterpreis „Der Faust" nominiert – den klassischen Stoff auf seine eigene Art. Die Oper des Schweizer Komponisten Frank Martin beginnt bei Fioroni nicht auf einem Schiff. Die Akteure sind weder Adlige noch reisen sie, so wie bei Shakespeare, auf eine Insel. Der Regisseur überträgt die Handlung auf eine Gartenparty bei einem Familienfest. Im Zentrum des Geschehens stehen angetrunkene Partygäste, die sich im Verlauf der Oper den Zuschauern immer mehr offenbaren.
„Somit wirkt der Sturm auch nicht von außen auf die Solisten", erklärt Blume. Vielmehr überträgt Fioroni mit seiner Interpretation des Zauberlustspiels die Naturgewalt auf die metaphorische Ebene. „Der Sturm tobt im Inneren der Figuren, deswegen auch der Einsatz der Masken", führt Blume den Gedanken weiter aus. Sie sind sozusagen das zweite Gesicht der Protagonisten und symbolisieren „das Abgründige, was in jedem von uns steckt".
Schritt für Schritt tastete sich Blume – sie hat vor elf Jahren die Leitung der Maske übernommen – an die anspruchsvolle Aufgabe heran. „Das Wichtigste war für uns die Beweglichkeit", beschreibt sie die mühevolle Teamarbeit in der Maske. „Deswegen kam für mich auch nur Silikon in Frage". Dieses Material kommt der menschlichen Haut am nächsten. „Silikon ist dehnbar und passt sich der Mimik der Solisten am besten an." Eine weitere Herausforderung war die gewünschte Ähnlichkeit der Masken mit ihren Trägern. „Sie sollten zwar maskenhaft bleiben", fasst Blume die zahlreichen Gespräche mit den Kostümbildnern zusammen, „aber auf der anderen Seite schon an die wirklichen Gesichtszüge des jeweiligen Solisten erinnern."
Dafür greift das dreizehnköpfige Maskenbildner-Team tief in die Trickkiste. Zunächst formten sie das Gesicht der jeweiligen Solisten bis zu den Ohren ab. Anschließend wurde die Gipsvorlage nach den Wünschen der Kostümbildner modelliert und mit Silikon abgeformt. Das entstandene Negativ formten die Maskenbildner mit Silikon aus.
„Im zweiten Schritt setzten wir Haare auf die Maske drauf", berichtet Blume. Dafür bedienen sich die Maskenbildner aus dem gigantischer Perückenfundus im Großen Haus und verleihen den alten Perücken ein neues Leben. „Bei manchen Masken arbeiteten wir ganze Teile von Perücken auf", erzählt Blume, „bei anderen wiederum klebten wir nur einzelne Haarsträhnen auf." Eine Ausnahme, denn im Regelfall werden die Haare eigentlich an die Perücke geknüpft. „Aber bei dieser Produktion hatten wir leider keine Zeit dafür", bedauert die Chefin, „dafür hatten wir schlichtweg viel zu viel zu tun."
Hier liegt auch die zweite große Herausforderung der Inszenierung: der Zeitdruck. „Zeit ist beim Theater immer ein schwieriger Faktor", gibt Blume ehrlich zu. Doch dieses Mal stieß auch die erfahrene Maskenbildnerin an ihre Grenzen. Denn bis zur Fertigstellung einer einzelnen Maske vergeht mindestens eine ganze Woche. In seinem Zauberlustspiel setzt Fioroni gleich acht solcher Kunstwerke aus Silikon aus. „Dazu kamen noch 20 Masken für die Chorsänger", sagt Blume mit einem kleinen Lächeln. „Aber zum Glück mussten sie nicht so detailliert ausgearbeitet werden. Wir haben sie also ganz einfach gekauft."
Parallel dazu betreuen die Maskenbildner auch andere Stücke auf dem Spielplan und bereiten sich auch auf die kommenden Inszenierungen vor. An manchen Tagen muss Blume im Alleingang arbeiten. Der Rest des Teams kümmert sich dann um die laufenden Produktionen. „Vor allem, wenn wir am Vormittag eine Märchenvorführung hatten und abends dann noch ein weiteres Stück. Das ging schon mal an die Substanz".
Die Abnahme wird zur Zitterpartie
Doch die eigentliche Zitterpartie folgte mit der Abnahme. Der wirkliche Einsatz der Kunstwerke aus Silikon kam zur ersten Hauptprobe. „Somit wussten wir auch nicht, wie die Solisten auf unsere Arbeit reagieren werden", beschreibt Blume die Stimmung des Teams. „Werden sie ihnen gefallen, oder müssen wir nochmals ran?" Doch was dann tatsächlich passiert, bringt sogar das gestandene Team von Blume zum Staunen.
„Es kam also endlich der Tag, an dem die Solisten gemeinsam mit der Regie und den Kostümbildnern bei uns aufgeschlagen sind", erzählt die Chefin. Einer der jüngeren Solisten, Roman Payer, greift als erster zu seiner Maske, stülpt sie über und stürmt aus dem Zimmer. „Wir wissen nicht genau, wohin er gegangen und was in dieser Zeit vorgefallen ist", sagt Blume und lächelt, „aber als er nach zehn Minuten zurückkam, fällt nur ein einziger Satz": Passt super, funktioniert mit dem Singen. Ab diesem Zeitpunkt ist die Anprobe ein Selbstläufer. Die Solisten zeigen sich zufrieden, der Chef-Maskenbildnerin fällt ein Stein vom Herzen.
Also endlich etwas Zeit zum Ausruhen? „Nicht unbedingt", antwortet Blume. Die nächste Produktion steht schon in den Startlöchern. „Bald beginnen die Arbeiten an ‚Salome’, dem Musikdrama von Richard Strauss", sagt Blume, „für diese Inszenierung brauchen wir neben einem losen Kopf auch einen ganzen Körper." Mit Köpfen hatte Blume schon zu tun, „die rollen bei uns öfters", scherzt die Maskenbildnerin. Aber einen ganzen Körper? Das hatte sie bisher noch nie gemacht. „Es bleibt also spannend".