Wenn mal wieder die besten Jazz-Alben aller Zeiten selektiert werden, findet man darunter selten Aktuelles. So als hätte das Genre heutzutage wenig zu bieten.
Immerhin auf den Saxofon-Tausendsassa Kamasi Washington und den Traum-Trompeter Nils Pettar Molvaer wird sich gemeinhin geeinigt. Doch kommt dahinter wenig, was es über gut informierte Jazz-Zirkel hinaus schafft.
Verdient hätte das zum Beispiel der gebürtige Slowene, im Schmelztiegel New York lebende Jure Pukl. Da seine Ehefrau Melissa Aldana ebenfalls in ein Tenorsaxofon bläst, darf mit windigen Klängen gerechnet werden! Eine dem vertrauten Paar famos zuspielende Rhythmussektion – Joe Sanders am Stand-Bass und Gregory Hutchinson am Schlagzeug – macht das Ganze Album namens „Doubtless" nicht nur bunt (siehe Cover!), sondern auch swingend, pulsierend, kreiselnd, pochend, polternd, schlingernd.
Ja, und die Interaktion von Pukl und Aldana ist wahrlich bezaubernd – wenn auch weniger im Sinne von klassisch schön, sondern vor allem irritierend und herausfordernd, emotional jederzeit aufwühlend. Häufig ist das näher am Free Jazz als am Cool Jazz. Man höre nur die plötzlich in den fein zirkulierenden Sog des Titel-Stückes hereinplatzenden Saxofone …
An dieser Stelle heißt es bereits: festhalten, sonst wird man die faszinierende Umlaufbahn von „Doubtless" womöglich schon nach nur zwei Minuten wieder verlassen. Anderes scheint vordergründig gefälliger, gehorcht eher vertrauter Harmonielehre, tönt bisweilen gar melodisch trivial. Meist aber trügt der schöne Schein, und es lauert bereits die plötzliche Wendung in Form impulsiver Wortmeldungen der Akteure. Mit kürzesten solistischen Einschüben ist jedenfalls immer zu rechnen.
Von wem das Saxofon-Paar muskalisch am meisten gelernt hat? Vermutlich von Eric Dolphy und John Coltrane. Das Ornette Coleman-Cover „Intersong" fügt sich ebenfalls nahtlos ein.
Gewidmet ist das neue Werk allen, die durch Zweifel, Ängste und Ungewissheiten schreiten – damit sie stärker daraus hervorgehen. Jazz als Therapie. Und Genuss.