Das deutsch-französische Festival für junge Zuschauer „Loostik" erfreut im November diesseits und jenseits der Grenze mit Theater, Tanz, Zirkus und Kino sein Publikum. Martha Kaiser ist für die Programmgestaltung zuständig.
Frau Kaiser, von welchen Kriterien lassen Sie sich bei der Zusammenstellung des Loostik-Programms leiten?
Zusammen mit Fabienne Lorong vom Le Carreau Forbach bilden wir eine Doppelspitze beim Festival Loostik. Das Festival ist nicht als Konkurrenz zu dem, was es bereits für Kinder in der Region gibt, gegründet, sondern um Bühnenkunst in anderer Form zu zeigen, beispielsweise Objekttheater für die Kleinen oder Neuer Zirkus. Wenn man die verschiedenen Stücke sichtet, sitzt man ja mit vielen Kindern im Raum, das heißt man bekommt sofort die Rückmeldung von den Kindern, wie ein Stück funktioniert. Kinder sind ehrlich. Es sind die Kinder, die mich beeinflussen. Und ich habe selber total viel Spaß, das ist eigentlich das Wichtigste dabei.
Wesentlich für die neuronale Entwicklung des menschlichen Gehirns ist, dass einem Kleinkind eine Vielzahl von Reizen angeboten wird. Aber Theater für ein Zweijähriges? Das erscheint befremdlich.
In Frankreich ist man schon relativ weit, was das Anbieten von Theaterstücken ab sechs Monaten angeht. Wir hatten das schon im vorigen Jahr getestet, wobei ich anfangs auch etwas skeptisch war. In den Stücken wird nicht viel gesprochen, sondern mit Licht, Tönen oder Lauten gearbeitet. Es findet eine Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern statt. Ich habe mich überzeugen lassen, dass das funktioniert.
In „Ha Zwei Oohh", einem Theaterstück ohne Worte ab zwei Jahren, erkunden vier Schauspieler das Element Wasser. Dass Eis in der Sonne schmilzt, ist das nicht eine Entdeckung, die ein Kind in der Natur machen sollte?
Auch. Aber es ist etwas ganz anderes, ob man die Erfahrung mit den Eltern im Wald macht, oder bei einer Aufführung, bei der Theatermenschen sich künstlerisch mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Deshalb finde ich schon, dass man diese Erfahrung auch im Theater machen sollte.
„Popcorn" feiert Deutschlandpremiere. Ist die Vorstellung ein wunderbarer Tipp für den samstäglichen Familienausflug am 10. November?
Ja (lacht). Auf jeden Fall!
In „Horses" begegnen einander fünf Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren und fünf Erwachsene zum Tanz ohne Worte. Das klingt geheimnisvoll. Irgendwas mit Pferden? Was können Sie verraten?
Es handelt nicht von Pferden. Vielmehr um die Beziehung zwischen Menschen, zwischen Erwachsenen und Kindern, um das Machtverhältnis zwischen Klein und Groß. Dabei gilt das Pferd als Metapher. Es geht um die Lust am Erwachsenwerden und gleichzeitig um die Lust, Kind zu bleiben. Und alles wird im Tanz zum Ausdruck gebracht.
„Die Königin ist verschwunden" vom belgischen Theater Kopergietery scheint ein außergewöhnliches Musiktheater zu sein. Das Stück in deutscher Sprache wird von einer Live-Zeichnerin begleitet. Was werden wir sehen?
Die Königin, die Mutter der Prinzessin, ist nicht mehr da. Es geht um Trauer und wie man mit ihr umgeht. Aber das Stück ist durch die hervorragenden Schauspieler und Musiker auch sehr fröhlich. Mit Videoprojektion werden die Live-Zeichnungen an die Wand projiziert.
„Ali Baba et les 40 Voleurs", Kino-Theater für alle ab sechs Jahren, erzählt die Ali Baba-Geschichte neu und versetzt sie in die 60er/70er-Jahre. Ich wette, dass sich besonders Eltern bestens amüsieren werden. Sie wetten nicht dagegen, oder?
Nee (lacht). Aber es funktioniert genauso gut für die Kinder. Die Compagnie La Cordonnerie sucht sich Geschichten aus, die es schon gibt oder schreibt eigene. Für „Ali Baba" beginnt die Geschichte an einer Tankstelle irgendwo am Ende der Welt, wo zwei Brüder zusammenleben. Die Compagnie hat einen Film mit Schauspielern gedreht – das ist dann die Grundlage für das Stück. Der Film wird anschließend wieder live auf der Bühne vertont. Das Besondere bei uns ist, dass wir drei verschiedene Versionen haben – auf Deutsch, auf Französisch und auf Deutsch-Französisch, es wird französisch gesprochen und deutsch übertitelt. Unser Wunsch ist immer, dass die Sprache keine Barriere darstellt.
Am Saarländischen Staatstheater war die Kinderoper „Ritter Odilo und der strenge Herr Winter" bereits nach vier Vorstellungen abgespielt. Nun entsteht für Loostik eine deutsch-französische Version des Stücks. Wie genau wird das sein?
Es gibt eine zweisprachige Version, weil das Ziel von Loostik auch ist, dass wir Kinder, egal, ob Deutsch oder Französisch ihre Muttersprache ist, gemeinsam in den Theaterraum bekommen. Der Sänger wird auf Deutsch singen, der Pianist auf Französisch sprechen. Die Geschichte können alle verstehen.
Also ein grenzüberschreitendes Kulturprojekt für die Region?
Die Idee, Stücke zweisprachig zu produzieren, hatten wir schon früher. Die Kooperation zwischen SST und Festival Loostik besteht seit vorigem Jahr. Uns ist es wichtig, über die Grenze zu gehen.
Weder montags um 16.30 Uhr noch dienstags um 10 Uhr kann eine alleinerziehende berufstätige Mutter, aber auch kein Vater mit seinem Vorschulkind beispielsweise das Tanzsolo „Grrrrr" besuchen. Machen Sie auch Angebote an Kitas und Schulen?
Ja, ein großer Teil der Programmangebote richtet sich an Kitas und Schulen. Aber wir wollen auch, dass Familien kommen können. Deshalb finden auch abends und am Wochenende Veranstaltungen statt. Die Uhrzeit 16.30 ist in diesem Jahr ein Test von uns, weil es auch viele gibt, die bis mittags arbeiten.
Sowohl in Saarbrücken als auch in Forbach wird ein Festivalclub eingerichtet. Was passiert dort?
„Chez Loostik" ist das Zuhause, das Nest von unserer Eule, unserem Festival. Ein Raum der Begegnung mit Essen und Trinken, Spielen und Erzählstunden – den Kindern wird zweisprachig vorgelesen, bei kostenfreier Teilnahme. Wir möchten, dass man sich auch außerhalb der Vorstellungen treffen kann. „Chez Loostik" ist Treffpunkt für alle, auch für Babys ab sechs Monaten.