Jahrelang herrschte in der Frauenbasketball-Bundesliga ziemliche Langeweile. Der TSV 1880 Wasserburg dominierte – bis er in der vergangenen Saison von den Rutronik Stars Keltern entthront wurde. Nun mischt mit dem BC Pharmaserv Marburg sogar noch ein dritter Verein an der Tabellenspitze mit und sorgt für zusätzliche Spannung in der Liga. Der Titelkampf ist offen wie nie.
So richtig freuen konnte sich Finja Schaake nicht mehr. Zwar hatte die Nationalspielerin des BC Pharmaserv Marburg in der vergangenen Saison mit ihrer Mannschaft erneut das Halbfinale in der Frauenbasketball-Bundesliga erreicht – zum dritten Mal hintereinander. Doch wieder einmal war in der Vorschlussrunde Endstation. Anschließend ging auch noch das Spiel um Platz drei gegen Herne verloren, doch mehr als ein Trostpflaster wäre ein Sieg wohl ohnehin nicht gewesen.
Bereits nachdem Marburg 2017 ebenfalls im Halbfinale gescheitert war, danach aber immerhin Platz drei gesichert hatte, war Finja Schaake von einem Reporter des „BIG-Basketballmagazins" darauf angesprochen worden, dass sie in ihrem achten Bundesligajahr nun schon ihre fünfte Bronzemedaille gewonnen hatte. Der Journalist hatte sie eigentlich aufmuntern wollen, doch Schaake ließ keinen Zweifel daran, dass sie den erneuten dritten Platz nicht wirklich als Erfolg wertete. „Ja, traurig, nicht wahr?", antwortete sie. „Ich habe jetzt einfach schon so oft eine Medaille gewonnen, dass sie nun gern auch einmal eine andere Farbe haben dürfte." Das erklärte Ziel bleibt das Erreichen des Finales: „Eine richtige Serie im Best-of-five-Modus, kein Duell um Platz drei mit Hin- und Rückspiel. Das ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes!"
Nach den ersten Eindrücken der laufenden Saison ist nicht auszuschließen, dass Finja Schaake nicht bloß ihr langjähriges Ziel endlich erreicht, sondern gleich noch einen Schritt weitergeht. Zur Länderspielpause nach acht Spieltagen anlässlich der EM-Qualifikation war Marburg als einzige Mannschaft in der DBBL noch ungeschlagen. Auch in den Topspielen gegen den amtierenden Meister aus Keltern (67:62), Vorjahresfinalist TSV 1880 Wasserburg (63:58) sowie bei der Revanche gegen Herne (61:54) behielt der Tabellenführer jeweils die Oberhand. Der Gewinn der Meisterschaft ist auf einmal nicht mehr völlig ausgeschlossen.
Marburg noch ungeschlagen
Das ist auch insofern bemerkenswert, weil Marburg vor dieser Saison eine der Stützen des Vorjahresteams ersetzen musste. Nationalspielerin Svenja Greunke, die in der vergangenen Saison aus Sicht vieler Beobachter die beste deutsche Centerspielerin in der Liga gewesen war, hat den Club verlassen und war ins Ausland zum französischen Zweitligisten Toulouse gewechselt. An ihrer Stelle räumt nun die Ungarin Alex Kiss-Rusk unter den Körben auf, die zuletzt in Kanada aktiv gewesen war und ihre Aufgabe bislang mehr als ordentlich erledigt.
Ansonsten ist das Team jedoch das dritte Jahr in Folge weitgehend zusammengeblieben. Nachdem Trainer Patrick Unger im Sommer noch gewarnt hatte, man sei dadurch im Vergleich zur Konkurrenz ein wenig stehen geblieben, hat sich die Konstanz im Kader inzwischen als großer Vorteil herausgestellt. „So können wir an das bereits Erreichte anknüpfen und müssen nicht wieder bei null anfangen", sagt Finja Schaake. Während die meisten anderen Mannschaften sich erst einspielen mussten, griffen die Rädchen in Marburg von Anfang an perfekt ineinander. Das hat die Siege gegen die Topteams überhaupt erst ermöglicht, die wiederum für zusätzliches Selbstvertrauen gesorgt haben, das das Team nun durch die weitere Saison tragen soll. Die gute Arbeit in Marburg wurde zuletzt übrigens auch durch den Deutschen Basketball Bund (DBB) honoriert. Coach Patrick Unger wurde vom DBB als neuer Bundestrainer eingesetzt, nachdem Vorgänger Hermann Paar den Posten aus gesundheitlichen Gründen abgeben musste.
Überhaupt ist der Marburger Höhenflug für den Frauenbasketball hierzulande eine gute Nachricht. Jahrelang war es in der Bundesliga ziemlich langweilig zugegangen. Zwischen 2004 und 2017 hieß der deutsche Meister in 14 Jahren elf Mal TSV 1880 Wasserburg. Die Mannschaft holte in dieser Zeit zudem neun Mal den DBBL-Pokal. In der vergangenen Saison waren die Wasserburgerinnen dann von den Rutronik Stars Keltern entthront worden. Dass nun sogar noch ein dritter Verein an der Tabellenspitze mitmischt, sorgt somit für zusätzliche Spannung in der Liga.
„Wir beobachten den Markt genau"
Die Rolle des Favoriten trägt aber nach wie vor der Titelverteidiger aus Keltern, der zuletzt einen rasanten Aufstieg erlebt hat. Vor drei Jahren spielten die Rutronik Stars noch in der Zweiten Liga, doch in dieser kurzen Zeit hat sich der Club zur nationalen Nummer eins gemausert. Nach dem erstmaligen Gewinn der deutschen Meisterschaft musste der Club im Sommer zwar einige Leistungsträgerinnen ziehen lassen, darunter Kapitänin Stina Barnert und Amber Orrange, die überragende Spielerin der vergangenen Finalserie. Doch es war gleichzeitig größtenteils gelungen, gleichwertiges Personal zu verpflichten. Unter anderem kamen Jung-Nationalspielerin Emma Stach sowie Kim Pierre-Louis, die bereits in Nördlingen ihre Qualitäten unter Beweis stellen konnte.
Der Start ging jedoch ziemlich daneben. Von den ersten sieben Partien konnte Keltern nur vier gewinnen, verlor dafür unter anderem gegen Außenseiter Göttingen – unterm Strich bedeutete das zur Länderspielpause lediglich Rang fünf. Vor allem von der Dreierlinie zeigt das Team bislang Schwächen, weshalb Kim Pierre-Louis in der Offensive momentan die Hauptlast trägt, die allerdings häufig in Foulprobleme kommt. „Die individuelle Qualität ist momentan noch nicht da, wo sie am Ende der vergangenen Saison war", räumt Trainer Christian Hergenröther in der „BIG" ein und kündigt ebenso wie Sterne-Vorstand Dirk Steidl personelle Konsequenzen an: „Wir werden definitiv noch nachverpflichten, auch weil der Kader aktuell ziemlich klein ist. Wir beobachten den Markt sehr genau und werden zuschlagen, wenn jemand dabei ist, von dem wir glauben, dass sie uns weiterhelfen kann." Abschreiben sollte man den Meister also noch lange nicht.
Mittelmaß wird in Keltern ebenso wenig toleriert wie in Wasserburg. Nach zuletzt fünf Titeln in Folge musste der Club in der vergangenen Saison erstmals wieder mit Platz zwei vorliebnehmen. Es war das Ende einer Ära im deutschen Frauenbasketball, das jedoch noch weitaus dramatischer hätte ausfallen können. Zeitweise war die Rede von einem kompletten Neuaufbau: mit neuer Abteilungsleitung und einem stärkeren Fokus auf den vereinseigenen Nachwuchs, allein schon aus finanziellen Gründen, nachdem das Budget um etwa die Hälfte gesunken war. Damit hätte sich der Club wohl vorerst vom Rennen um die Meisterschaft verabschiedet. Doch so ganz wollte man sich im Club mit dieser Nebenrolle offenbar nicht zufriedengeben. Also wurde die alte Abteilungsführung in neuer Funktion reaktiviert und in kurzer Zeit ein Team zusammengestellt, das erneut zu Höherem berufen scheint. Mit Svenja Brunckhorst und der nach einer Verletzung wiedergenesenen Laura Hebecker stehen gleich zwei Nationalspielerinnen im Aufgebot. Zudem kamen drei starke Amerikanerinnen und mit Leonie Fiebich eine frisch gebackene U18-Europameisterin, die mittlerweile ebenfalls den Sprung in die A-Nationalmannschaft geschafft hat.
„Wir sind der Geheimfavorit"
Stark genug für das Finale scheint das Team allemal, das als Dritter aktuell nur knapp hinter den Marburgerinnen sowie dem momentan zweitplatzierten Team aus Herne steht. „Wir sind vielleicht der Geheimfavorit und gehören zu den drei, vier Mannschaften, die in dieser Saison eine Chance auf die Meisterschaft haben", meint Svenja Brunckhorst. Das sei in Wasserburg eigentlich immer der Anspruch. Mit Horror denken viele Basketballfans in Deutschland immer noch an das letztjährige Finale zwischen Keltern und Wasserburg zurück, weil beide Teams damals fast ausschließlich auf Ausländerinnen setzten und den einheimischen Nachwuchs weitgehend ignorierten. Nachdem Wasserburg nun eine Kehrtwende vollzogen hat und wieder stärker auf die nationale Karte setzt und Marburg ja ohnehin schon seit Längerem den deutschen Spielerinnen das Vertrauen schenkt, könnte das Endspiel in dieser Saison dann schon eher nach dem Geschmack der Fans sein. Und wer weiß: Vielleicht hat dann am Ende auch Finja Schaake endlich einmal Grund zum Jubeln.