Auf der Center-Position hat Alba Berlin in Landry Nnoko ein wahres Kraftpaket verpflichtet. Der Kameruner bringt ein neues Element ins Spiel.
An den kalten Winter in Berlin muss sich Landry Nnoko erst noch gewöhnen, aber die Zahlungsmoral der Deutschen dürfte dem Basketball-Profi aus Kamerun sehr gefallen. Bei seinem alten Club, dem türkischen Erstligisten Sakarya BB, bekam Nnoko wegen Finanzproblemen mehrere Monate kein Geld überwiesen. Und das war das Glück von Alba Berlin.
Der Basketball-Bundesligist beobachtete den Center seit drei Jahren. Durch Sakaryas Finanzschwierigkeiten ergab sich die Möglichkeit, ihn beim Training aufzunehmen, weil Nnoko seinen Vertrag in der Türkei gekündigt hatte. Parallel arbeitet die Clubführung an einem Transfer – auch mithilfe des Weltverbandes Fiba. Mitte Dezember des vergangenen Jahres konnte der deutsche Vizemeister endlich Vollzug melden: Das 2,08 Meter große Kraftpaket ist nun ein Albatros. Auf die Gegner kommen harte Zeiten vor allem unter dem Korb zu.
„Er ist sehr athletisch, sehr kräftig" – so lautete der erste Eindruck von Albas Mannschaftskapitän Niels Giffey über den Neuzugang. Auch in seinen ersten fünf Ligaspielen für den Hauptstadtclub, in denen er persönlich 56 Punkte verbuchte, überzeugte Nnoko vor allem durch seine Physis. Genau die hatte Alba auf der Center-Position oft gefehlt. Auch Center Clint Chapman, dessen Kurzzeit-Engagement (zwei Monate) nicht verlängert wurde, brachte andere Qualitäten mit.
„Seine Verpflichtung verschafft uns mehr Tiefe und Körperlichkeit auf den großen Positionen, die uns dabei helfen wird, gegen die Top-Teams in Deutschland und Europa zu bestehen", sagte Sportdirektor Himar Ojeda. Bis Sommer 2020 hat der Club den 24-jährigen Afrikaner an sich gebunden. „Wir glauben, dass er schon jetzt ein sehr guter Spieler ist, gleichzeitig aber noch zusätzliches Entwicklungspotenzial hat." Auch einige Euroleague-Teams hatten Interesse an dem sprunggewaltigen Center gezeigt.
Basketballspielen gelernt hat Nnoko auf den Straßen in Yaoundé, der Hauptstadt seiner Heimat Kamerun. Als Teenager durfte er dann dank seines großen Talents nach Amerika ziehen und wurde dort von der Highschool Montverde Academy, die für ihr starkes Basketballprogramm bekannt ist und von zahlreichen NBA-Profis besucht wurde, aufgenommen. Nach seinem Highschool-Abschluss spielte der Center vier Jahre an der renommierten Clemson University, ehe er seine Profikarriere in der ersten italienischen Liga bei Victoria Libertas Pesaro startete.
Das Abenteuer in Italien zahlte sich aus. Durch seine guten Leistungen dort wurde er ins Trainingscamp von NBA-Club Detroit Pistons eingeladen. Den Sprung in den Profikader schaffte er zwar nicht, aber im G-League-Team der Pistons sorgte Nnoko in der Saison 2017/18 für Furore: Im Schnitt 14,7 Punkte, 11,5 Rebounds und zwei Blocks. Außerdem wurde er zum besten Defensivspieler des Jahres ausgezeichnet.
„Ein guter Rebounder und Shotblocker"
Da die NBA aber erneut keinen Platz für ihn hatte, zog es Nnoko wieder nach Europa, diesmal in die Türkei. Dieser Schritt erwies sich als Fehler. „Es hat nicht funktioniert, aber ich blicke nicht mehr zurück", sagt Nnoko. Nach den ersten Wochen bei Alba hat der Kameruner schon ein viel besseres Gefühl. „Das ist ein Team mit großer Geschichte, es hat große Erfolge gefeiert. Ich habe mit Alba ein neues Level erreicht", sagt er. „Ich weiß, was ich kann. Und ich denke, ich soll vor allem eine Verstärkung in der Defensive sein." Beeindruckt ist Nnoko vor allem von Trainer Aíto García Reneses: „Der Trainer weiß, was er tut."
Der Trainer baut voll auf seinen Neuzugang, auch wenn er die Fans und die Öffentlichkeit gleichzeitig um Geduld bittet. Dann könne Nnoko bald zu einer prägenden Figur werden: „Er wird uns mit seiner Physis helfen." Co-Trainer Thomas Pech schwärmt ebenfalls über den „unglaublich athletischen Spieler", der mit seiner Körperlichkeit ein neues Element in das Spiel der Berliner bringe: „Vor allem ist er ein guter Rebounder und Shotblocker." Nnoko ist bei Alba also der Mann fürs Grobe.
In Berlin fühlt sich Nnoko auf Anhieb wohl. „Was ich bisher gesehen habe, ist es eine wunderschöne Stadt", sagt er. Berlin erlebe er als „sehr lebhaft", die Stadt sei „voller Freude. Und ich freue mich darauf, sie weiter zu erkunden." Doch die Trainings- und Spielhalle von Alba wird Nnoko am meisten sehen, denn er ist in Berlin, um sportliche Erfolge zu feiern: „Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, auf höchstem Niveau zu spielen. Die Euro-League soll der nächste Schritt sein."
Nnoko passt zur Einkaufspolitik von Alba, lieber auf entwicklungsfähige Talente als auf fertige Altstars zu setzen. Weil Nnoko kam, musste der fünf Jahre ältere Chapman gehen. Der Center hatte nur einen Zwei-Monate-Vertrag unterschrieben – und den zur Zufriedenheit von Alba erfüllt: „In den verletzungsbedingt schwierigen Wochen war er eine große Hilfe für uns."
Nnoko wird aber langfristig mehr zugetraut. Der (Transfer-)Erfolg der vergangenen anderthalb Jahre gibt den Verantwortlichen um Sportdirektor Ojeda Recht. Gern hätten die Albatrosse im Winter aber auch noch mehr Erfahrung verpflichtet. Doch der Wechsel von Jordan Crawford platzte in letzter Sekunde, obwohl der 30 Jahre alte Amerikaner bereits einen Ein-Monats-Vertrag in Berlin unterschrieben hatte. Crawford, der in der NBA immerhin 294 Spiele bestritten hat, fiel durch den Medizin-Check. Der Profi selbst zeigte nach dem geplatzten Wechsel Stil. Er bedankte sich via Twitter für das Interesse – und schloss ein späteres Engagement nicht aus. „Auch wenn wir nicht die Chance hatten, uns zu sehen, schätze ich es, dass ihr euch sehr auf mich gefreut habt. Ich war auch sehr aufgeregt! Ich stelle mir vor, wie viel Spaß wir hätten haben können … Vielleicht später! Viel Glück für die restliche Saison!", schrieb Crawford.
Der Amerikaner hätte die Probleme auf der Guard-Position beheben sollen, die durch das Verletzungspech entstanden waren. Als bislang Letzter trug sich Peyton Siva in die lange Verletztenliste ein. Der Point Guard aus den USA verletzte sich Ende Dezember am rechten Knie und fällt wochenlang aus. Siva war gerade erst nach einem Rippenbruch und einer leichten Lungenverletzung ins Training zurückgekehrt.