New England Patriots gegen Los Angeles Rams lautet die Begegnung beim Super Bowl am 3. Februar. Und größer als zwischen diesen Mannschaften könnten die Unterschiede kaum sein: Die Patriots setzen auf Erfahrung, die Rams auf Unbekümmertheit. Welches Konzept setzt sich am Ende durch?
Eben noch schien das Arrrowhead Stadion zu explodieren. Im Halbfinale der National Football League (NFL) sorgten die Fans der heimischen Kansas City Chiefs wieder einmal für einen Höllenlärm. Das Stadion der Chiefs gilt als das lauteste der Welt, was dem Club 2014 sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde einbrachte – damals waren in der Arena über 142 Dezibel gemessen worden, was in etwa der Lautstärke eines startenden Düsenflugzeugs entspricht. Doch mit einem Mal war es mucksmäuschenstill. Es genügte ein Mann, um die Zuschauer zum Schweigen zu bringen: Tom Brady, Quarterback der New England Patriots, führte seine Mannschaft in der Verlängerung ungeachtet des akustischen Handicaps zum 37:31-Sieg und bescherte den Patriots damit die dritte Super-Bowl-Teilnahme in Folge. Der Gegner beim größten Sportereignis der Welt heißt in der Nacht vom 3. auf den 4. Februar Los Angeles Rams.
Erst drei Mannschaften ist es bislang gelungen, dreimal hintereinander das Endspiel zu erreichen. Zuletzt waren es zwischen 1990 und 1993 die Buffalo Bills, die allerdings jedesmal leer ausgingen. New England dagegen ist in der NFL seit fast zwei Jahrzehnten der Inbegriff des Erfolgs. Zum neunten Mal in den vergangenen 18 Jahren stehen die Patriots im Super Bowl, die seit 2002 fünfmal die Meisterschaft geholt haben. Experten und Fans sprechen längst von der größten Football-Dynastie aller Zeiten und von Tom Brady als deren König.
Brady ist der dominierende Quarterback der Neuzeit. Mit seinem starken Passspiel, dem Blick für den freien Mann und einem schier unerschütterlichen Nervenkostüm ist er der ideale Spielführer. Trotz dieser Qualitäten auf der wohl wichtigsten Position im American Football galten die Patriots über weite Strecken der regulären Saison nicht unbedingt als Anwärter auf den Super Bowl. „Ich weiß schon, dass jeder denkt, dass wir nichts taugen", sagte Brady noch nach dem Erfolg gegen die Los Angeles Chargers in der zweiten Runde der Play-offs. Das Überteam startete langsam, scheint jetzt aber gerade rechtzeitig wieder in Bestform zu sein. Eigentlich ist also alles wie immer, wenn die Saison in ihre entscheidende Phase geht.
Zum neunten Mal in den vergangenen 18 Jahren im Super Bowl
Im Halbfinale gegen die Kansas City Chiefs waren die Patriots früh in Führung gegangen, kassierten aber kurz vor Schluss noch den Ausgleich per Fieldgoal. Es folgte die Verlängerung, in der jede Mannschaft nur einmal den Ball bekommt – wer zuerst Punkte erzielt, hat gewonnen. Als New England den Münzwurf um den Ballbesitz für sich entschied, war die Sache eigentlich schon entschieden. „Sobald ich sah, dass die Münze Kopf zeigte, war ich mir sicher, dass wir gewinnen werden. Jedesmal, wenn wir in die Verlängerung gehen und den Ball bekommen, mache ich es mir bequem", sagte Safety Devin McCourty aus der Patriots-Abwehr, die von außen mitansah, wie Tom Brady zur Höchstform auflief. Gleich dreimal stand New England in der Verlängerung im dritten Versuch mit dem Rücken zur Wand, weil noch mehr als zehn Yards zu gehen waren – und jedesmal fand Brady noch das passende Rezept. „Verlängerung auswärts gegen ein großartiges Team. Sie hörten nicht auf und wir auch nicht. Wir haben unseren besten Football am Ende gespielt. Ich bin müde, das war ein höllisches Spiel", erklärte der Held des Abends nach der Partie.
Viele neutrale Football-Fans dürften insgeheim den Kansas City Chiefs die Daumen gedrückt haben. Außerhalb New Englands sind die Patriots vielerorts verhasst, was zu großen Teilen auch einfach Neid auf ihre Erfolge sein dürfte. Nachdem es im Halbfinale gegen die Chiefs gleich zwei Fehlentscheidungen zugunsten der Patriots gegeben hatte, kursierten deshalb schnell die ersten Verschwörungstheorien. Ein Duell zweier Clubs aus Boston und Los Angeles – beides äußerst lukrative Werbemärkte – sei der Liga einfach lieber als ein Spiel zwischen Kansas City und New Orleans.
„Das war ein höllisches Spiel"
Noch krasser war jedoch die Fehlentscheidung, die sich zuvor im anderen Halbfinale zwischen den New Orleans Saints und den Los Angeles Rams abgespielt hatte. Knapp zwei Minuten vor Schluss standen die Gastgeber noch einmal kurz vor der Endzone. Doch beim Passversuch von Saints-Quarterback Drew Brees auf Tommylee Lewis wurde dieser von Rams-Verteidiger Nickell Robey-Coleman regelwidrig zur Seite geschubst – der fällige Pfiff der Schiedsrichter blieb jedoch aus. Anstelle eines Touchdowns erzielten die Saints nur noch ein Fieldgoal, das die Rams kurz darauf ausgleichen konnte. Die sorgten in der Verlängerung mit einem weiteren Fieldgoal für die Entscheidung zum 26:23. New Orleans’ Trainer Sean Payton war danach außer sich: „Ich weiß nicht, ob es jemals eine eindeutigere Pass Interference gegeben hat. Wir werden vielleicht niemals darüber hinwegkommen." Da tröstete es ihn auch nicht, dass die NFL den Fehler noch am selben Abend einräumte.
Im Super Bowl kommt es somit zu einem Duell der Generationen. Auf der einen Seite New England, angeführt vom mittlerweile 41-jährigen Tom Brady und trainiert vom 66 Jahre alten Trainerguru Bill Belichick. Auf der anderen Seite die Los Angeles Rams, bei denen Quarterback Jared Goff erst 24 Jahre zählt und auch Coach Sean McVay als jüngster Cheftrainer der Liga nicht älter als 32 Jahre ist. Als Brady und Belichick 2002 mit den Patriots ihren ersten Titel holten, war McVay 16 Jahre alt und Goff besuchte als Siebenjähriger gerade die zweite Klasse. In Sachen Erfahrung kann der Club also nicht mithalten, dafür strotzt gerade die Offensive der Rams geradezu vor Feuerkraft. Selbst mit einem angeschlagenen Todd Gurley – der Runningback und letztjährige Offensivspieler des Jahres war im Halbfinale nur noch ein Schatten seiner selbst – bleiben immer noch genügend Optionen übrig, etwa der erst spät verpflichtete C. J. Anderson oder die beiden Wide Receiver Robert Woods und Brandin Cooks. Man darf gespannt sein, wie New England auf diese geballte Offensivpower reagieren wird, die durch die taktische Rafinesse Sean McVays noch veredelt wird. Patriots-Trainer Bill Belichick ist zwar bekannt dafür, dass er akribisch die Stärke des Gegners herausarbeitet und sich darauf konzentriert, genau diese auszuschalten. Bei einer derart vielseitigen Mannschaft wie Los Angeles wird das allerdings auch für einen so gewieften Mann wie ihn eine Herausforderung.
Goff immer noch mit Rookie-Vertrag
Die Rams waren im Sommer volles Risiko gegangen und hatten für viel Geld gleich mehrere Spieler verpflichtet, die in der vergangenen Saison im Pro Bowl standen, dem alljährlichen All-Star-Spiel der NFL. Das war jedoch nur möglich, weil Quarterback Jared Goff immer noch unter seinem Rookie-Vertrag läuft, der ihm deutlich weniger Gehalt bezahlt, als ein Spielführer seiner Qualität normalerweise bekommen würde. Bislang ist der Plan aufgegangen. Im Endspiel heißt es für Los Angeles nun allerdings: hopp oder top. Wenn nach dieser Saison der Vertrag von Goff neu verhandelt wird, werden die Rams für ihn künftig wohl deutlich mehr Geld hinblättern müssen. Gut möglich also, dass man sich von dem einen oder anderen Topspieler bald wieder trennen muss. Umso mehr sehnen sich die Fans in Los Angeles nach einem Erfolg im Super Bowl. 1999 hatten die Rams schon einmal den Titel gewonnen – damals spielten die Rams allerdings noch in St. Louis. Drei Jahre später unternahm die Franchise einen erneuten Anlauf, zog im Finale 2002 allerdings den Kürzeren. Der Gegner damals: die New England Patriots. In diesem Jahr könnte sich für beide Mannschaften nun der Kreis schließen.