In Deutschland kleben auf jeder Packung Fischstäbchen die unterschiedlichsten Siegel. Sie wollen auf Nachhaltigkeit aufmerksam machen, auf das Fehlen von künstlichen Aroma- und Konservierungsstoffen und den Schutz der Meere. Wie verlässlich sind diese Angaben? Fragen an Dr. Holger Brackemann von der „Stiftung Warentest".
Herr Brackemann, auf meiner Milchtüte sind vier Siegel aufgedruckt: Bioland, Bio nach EG-Öko-Verordnung, Ökotest „sehr gut" und Bio7initiative. Wie soll sich der Verbraucher in diesem Labeldschungel zurechtfinden?
Zunächst müssen wir Testprädikate, Siegel, die von der EU eingeführt wurden, und Label allgemein unterscheiden. Ökotest vergibt wie die Stiftung Warentest nach bestimmten Prüfkriterien, die offen dargestellt werden, ein Qualitätsurteil. Das europäische Bio-Siegel, ein sechseckiges Logo, setzt voraus, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb durch eine Kontrollstelle gemäß den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau zertifiziert wurde. Die anderen Logos werden von Verbänden oder von Händlern frei vergeben.
Darf denn jeder Händler ein Logo vergeben?
Ja, das kann jeder tun. Es gibt bei den Umweltverbänden welche mit strengen Prüfkriterien, die jede EU-Vorschrift übertreffen, wie zum Beispiel Demeter. Auf der anderen Seite kann der Handelskonzern Rewe sich ein Label wie „Pro Planet" ausdenken, um seine Produkte zu bewerben und sie als „ökologisch und sozial nachhaltig" zu bewerben. Wer das überprüft, ist eine andere Frage.
Besteht da nicht die Gefahr, dass die Verbraucher getäuscht werden?
Sicherlich. Verbraucherschutzverbände haben da ein wachsames Auge drauf. So steckt hinter den sogenannten Clean Labels, die Joghurt, Wurst oder Tütensuppen mit dem Zusatz „ohne Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker und künstliche Aromen" bewerben, oft nur ein Marketingtrick. Da sind dann eben doch Hefeextrakt oder andere Mittel drin enthalten, die den gleichen Zweck erfüllen.
Die Ökodesign-Richtlinie der EU schreibt Energieverbrauchslabel vor. Kann man sich auf die verlassen?
Im Großen und Ganzen schon. Die Hersteller von Elektrogroßgeräten sind verpflichtet, als zusätzliche Information zur Kaufentscheidung Energie-Label auf den Geräten anzubringen. Untersuchungen haben ergeben, dass diese zum Beispiel bei Waschmaschinen verlässlich sind. Teilweise sind die Prüfbedingungen allerdings etwas realitätsfern. So werden bei der Labelprüfung für Kühlschränke keine warmen Produkte in den Kühlschrank gestellt.
Was halten Sie von dem überall verbreiteten GS-Zeichen für „Geprüfte Sicherheit"?
Das GS-Zeichen belegt, dass ein Produkt von einem unabhängigen Dritten auf seine elektrische und gesundheitliche Sicherheit bewertet, geprüft und zertifiziert wurde. Um das GS-Zeichen anbringen zu dürfen, muss der Hersteller sein Produkt also von einer zugelassenen Prüfstelle wie einem Tüv untersuchen lassen. Deswegen ist dieses Zeichen nur gültig, wenn die Prüfstelle im Siegel mit benannt ist. Anders ist es mit dem viel weniger aussagekräftigen CE-Zeichen: Das bedeutet einfach, dass derjenige, der ein Produkt in den Verkehr bringt, erklärt, dass es den geltenden gesetzlichen Anforderungen in der EU genügt. Dieses Zeichen haben Produzenten aus asiatischen Ländern in vielen Fällen einfach so mit auf das Produkt aufgedruckt.
Also sind Fälschungen gar nicht so selten?
Bei dem GS-Siegel sind es viele. Missbrauch liegt im System, weil die Hersteller wissen, dass die meisten Verbraucher ihre Kaufentscheidung von Prüfsiegeln abhängig machen. Je mehr Logos auf einem Produkt, umso besser.
Wie können Sie sich vor Nachahmern schützen?
Die Stiftung nimmt seit 2013 Lizenzgebühren für die Nutzung ihres Siegels. Wer damit werben will, muss zwischen 7.700 und 44.400 Euro zahlen. Ein Teil des Geldes wird in Kontrollen und Nachtests investiert.
Sind die Hinweise auf fairen Handel verlässlich?
Wir hatten schon Produkte mit ganz unterschiedlichen Labels und Werbeaussagen im Test. Die größte Verbreitung hat das „Fairtrade"-Zeichen, wobei man dieses Zeichen weniger auf Textilien, sondern überwiegend bei Lebensmitteln findet. Leider ergibt sich keine ganz einheitliche Antwort auf die Frage nach der Verlässlichkeit von Siegeln zum fairen Handel. Aber in der überwiegenden Zahl der Fälle wurden die mit der Kennzeichnung verbundenen Versprechen erfüllt, sodass sie eine sinnvolle Orientierung beim Kauf darstellen.
Wie kann man sich als Verbraucher schützen? Wo gibt es denn Aufklärung im Labeldschungel?
Das ist schwer. Ich kann da nur raten, sich im Internet schlauzumachen. Auf label-online.de finden Sie eine Liste mit über 500 Siegeln, die von der Verbraucherinitiative bewertet wurden.
Worauf kommt es an bei einem Label?
Ob es überprüfbar ist – das ist ein wichtiges Kriterium. Entscheidend ist weiter, ob die gelabelten Produkte auch regelmäßig unabhängig am Markt überwacht werden. Das ist auch bei unseren Tests wichtig. Wir lassen uns keine Prüfmuster zusenden, sondern kaufen am Markt das ein, was wir testen wollen. Ein Label kann jeder erfinden und aufdrucken – es liegt an den Verbrauchern und ihren Interessenverbänden zu prüfen, was dahintersteckt.