Die Berliner Basketballer greifen nach ihrem zweiten internationalen Titel. Doch im Eurocup-Finale wartet eine denkbar schwere Aufgabe.
Eigentlich ist es eine „Mission Impossible" für Alba Berlin. Finalgegner Valencia Basket Club ist Rekordsieger im Eurocup, bei sechs Endspielteilnahmen konnten die Spanier dreimal den Pokal in die Höhe stemmen. Im Finale vor neun Jahren fügte Valencia den Berlinern eine bittere 44:67-Pleite zu. Im laufenden Wettbewerb ist der spanische Topklub seit 14 Spielen ungeschlagen.
Ist Albas zweiter internationaler Titel nach dem Triumph im drittklassigen Korac-Cup 1995 also unmöglich? Nicht unbedingt. Der deutsche Hauptstadtklub ist extrem motiviert: In der am 9. April beginnenden Best-of-three-Finalserie soll endlich ein Titel her, nachdem es in den vergangenen Jahren trotz guter Leistungen nichts Zählbares gab. „Natürlich ist das immer ein Thema", sagt Kapitän Niels Giffey und rechnet die verpassten Chancen vor: „Wir waren letztes Jahr in zwei Finals und haben beide verloren. Jetzt waren wir auch im Pokalfinale gegen Bamberg unterlegen. Das hätten drei Titel sein können für uns."
Waren es aber nicht. Umso hungriger sind die Spieler auf den Überraschungscoup im Eurocup. „Das wäre riesig. Die Krönung unseres bisherigen Weges", sagt Giffey. Der zwei Meter große Small Forward, der schon als 16-Jähriger von den Marzahner Basket Bären zu Alba gewechselt war, hat ein großes Ziel: „Einen Titel-Banner in unsere Halle hängen zu können."
„Das hätten drei Titel sein können"
Den Vereins-Verantwortlichen ist neben dem Renommee noch etwas anderes wichtig. Der Gesamtsieger des Eurocups, der „Zweiten Liga" bei den europäischen Wettbewerben, ist in der kommenden Saison automatisch für die lukrativere Euro-League qualifiziert. Das ist der wichtigste internationale Klub-Wettbewerb, so etwas wie die Champions League im Fußball. Entsprechend kann der Klub dort deutlich mehr Geld verdienen. Werden im Eurocup insgesamt vier Millionen Euro an die 24 Teams ausgeschüttet, sind es in der Euro-League stolze 30 Millionen Euro für nur 16 Klubs. Allein pro Sieg in der Hauptrunde mit garantierten 30 Spielen pro Teilnehmer gibt es 40.000 Euro. Geld, das Alba gut gebrauchen kann, um den Rückstand zum deutschen Branchenprimus Bayern München zu verkürzen.
Dass das junge und talentierte Berliner Team mit dem Serienmeister punktuell mithalten und ihn an einem guten Tag sogar schlagen kann, hat es im Pokal-Viertelfinale Ende des Jahres gezeigt. Und genauso will Alba als Außenseiter auch das Duell gegen Valencia angehen: Nichts muss, aber alles kann. „Das Team ist immer noch jung, da muss man die Erwartungen ein bisschen herunterschrauben", sagte Giffey, der auf die Unterstützung der Anhänger setzt: „Die Fans sind happy, die Leute lieben es, in die Arena zu kommen. Sie sehen einen besseren Basketball. Aber natürlich ist ein Titel das nächste Ziel."
Ein Nachteil ist, dass Berlin zunächst am 9. April in Valencia antritt und auch in einem möglichen dritten Finalduell am 15. April an Spaniens Südostküste reisen müsste. Dazwischen ist das Heimspiel in der Mercedes-Benz-Arena am 12. April terminiert. „Natürlich ist der Heimvorteil besser, weil man dann auch weniger reisen muss", sagte Flügelspieler Joshiko Saibou.
Doch davon wolle man sich nicht entmutigen lassen. Der hohe Erwartungsdruck könne für Valencia auch ein Problem werden, sagt Saibou: „Jede Serie hat ihre eigene Geschichte."
Luke Sikma kennt die Atmosphäre im Pabellón Fuente de San Luis, das 9.000 Plätze fasst. Er hat dort selbst von 2015 bis 2017 für das Spitzenteam der spanischen Liga gespielt. „Das ist für mich natürlich großartig", sagte der Power Forward, der mit dem spanischen Verein 2017 den Meistertitel gewann. Doch der Sohn der NBA-Centerlegende Jack Sikma verriet auch: „Der Finalgegner war uns eigentlich egal."
Schon allein der Einzug ins europäische Endspiel ist ein „Riesenschritt" für Alba, wie Giffey es nennt. Denn die junge Mannschaft hat vor allem im Halbfinale gegen Morabanc Andorra viel internationale Erfahrung gesammelt. Gerade der 87:81-Auswärtssieg in der auf 1.000 Metern gelegenen Spielstätte in den Pyrenäen war ein echter Gradmesser für das Team von Trainer Aito Garcia Reneses.
Der Trainer ist für alles bereit
„Ich hatte nichts erwartet, aber jetzt bin ich für alles bereit", sagte Garcia Reneses: „Es war ein sehr kompliziertes Spiel, weil es so schwierig ist, die Emotionen zu kontrollieren". Sein junges Team spielte zunächst abgezockt und nervenstark, brach dann bei einer 16-Punkte-Führung ein – und rettete doch noch einen kleinen Vorsprung über die Zeit. „Mein Team hat einen großartigen Job gemacht, weil wir Liga, Pokal und Eurocup zusammenbringen müssen", lobte Garcia Reneses seine Spieler: „Das ist sehr schwierig für unseren Klub, aber das ist wichtig, und wir sind glücklich, im Finale zu stehen."
Doch nur dabei zu sein und wieder dem Sieger zu gratulieren – das wollen die Berliner diesmal mit aller Macht verhindern. Ein Schlüsselspieler ist dabei Luke Sikma. Der Amerikaner ist Albas Dauerbrenner, keiner bekommt in der Liga mehr Einsatzzeit als er (25,6 Minuten). Außerdem führt der 29-Jährige teamintern einige Statistiken an: bester Rebounder (6,4) und beste Plus-Minus-Bilanz (9,7). „Luuuuke" schreien die Fans, wenn Sikma mal wieder zum Dreier ansetzt.
Das Talent liegt quasi in seinen Genen. Vater Jack war siebenfacher NBA-Allstar und 1979 sogar Meister in der besten Basketballliga der Welt. Druck verspürt Sikma Junior deswegen keinen mehr: „Ich habe mir meinen eigenen Namen gemacht, und mittlerweile ist es nur noch eine coole Geschichte, die ich erzählen kann und auf die ich sehr stolz bin."
Seine herausragendste Fähigkeit ist seine Spielintelligenz. Der 2,03 Meter große Athlet antizipiert Situationen schneller als andere, er erkennt Schwächen des Gegners und weiß diese taktisch auszunutzen. Kein Wunder, dass Sikma als verlängerter Arm von Trainer Garcia Reneses gilt.
„Ich versuche nur zu geben, was dem Team hilft", sagt Sikma bescheiden. Albas sportliche Verantwortliche sind da schon deutlich euphorischer. „Er hat gedanklich eine hohe Geschwindigkeit", sagt Geschäftsführer Marco Baldi: „Luke Sikma und unser Alba-Stil", sagt er, „das passt perfekt."
Deshalb haben die Berliner die Hoffnung, dass ihr Schlüsselspieler auch in der kommenden Saison für sie auf Korbjagd geht – obwohl sein Vertrag ausläuft und zahlreiche europäische Klubs an ihm Interesse zeigen. Doch der bodenständige Sikma, der in nur anderthalb Jahren zu einem Publikumsliebling aufstieg, weiß auch, was er an Alba hat. „Berlin fühlt sich an wie mein Zuhause", sagt er. „Wenn er nicht Luke wäre, würde ich sagen: Er geht sicher", sagte Sportdirektor Himar Ojeda, „doch so bin ich optimistisch."
Ein Triumph im Eurocup wäre sicher ein starkes Argument für Alba im Vertragspoker. Sikma muss dafür nur seinen Ex-Verein Valencia Basket ärgern. Aber was heißt schon „nur"? Viel schwerer könnte die Aufgabe kaum sein.