Nach einem schwachen Saisonstart haben sich die Füchse Berlin gut in die Saison gekämpft und phasenweise großartigen Handball gezeigt. Das Spiel in Flensburg war aber ein Rückschritt.
Es war ein Topspiel mit vertauschten Rollen – und die Füchse Berlin kamen damit nicht gut zurecht. Der Hauptstadtclub war als Tabellenzweiter und mit dem Rückenwind von zuletzt vier Siegen in Serie an die Ostsee gereist, Titelverteidiger SG Flensburg-Handewitt strauchelte dagegen in der Bundesliga und flog sogar im DHB-Pokal gegen Hannover-Burgdorf raus. Die Füchse witterten als Favorit ihre Chance – kassierten am Ende aber die fünfte Niederlage in Folge in Flensburg. „Natürlich sind wir enttäuscht. Wir wollten hier unbedingt etwas holen", sagte Nationalspieler Paul Drux nach dem 23:27. „Die Flensburger haben das besser gemacht als wir. Wir haben das gesamte Spiel über auch zu oft in Unterzahl gespielt." Aufgrund von Zeitstrafen mussten die Füchse ganze sechsmal mit einem Mann weniger agieren als der Gegner – und das wird von einem Topteam wie Flensburg gnadenlos bestraft. Trainer Velimir Petkovic war deswegen nach dem Schlusspfiff richtig bedient. „Wir sind ein guter Aufbaugegner für Flensburg gewesen", sagte der Coach mit ironischem Unterton. Dann fügte er deutlich ernsthafter an: „Wir sind mit viel Selbstvertrauen angereist und wollten eine Überraschung schaffen. Aber wir haben ein paar unglückliche Entscheidungen getroffen, unser Angriff hat nicht funktioniert."
„Wir haben zu oft in Unterzahl gespielt"
Die Füchse mussten den Meister in der Tabelle an sich vorbeiziehen lassen, auch wenn in der Liga die Topteams nach wie vor alle eng beieinander sind. Und Berlin zählt wieder zu den Topmannschaften. Nach einem durchwachsenen Start kämpfte sich das Petkovic-Team in die Saison und spielte phasenweise sehr ansehnlichen Handball. „Wir kommen mehr und mehr in unseren Rhythmus", sagt Petkovic, der seine Spieler aber auch in die Pflicht nimmt. Die Leistung bei den vier Siegen in Serie sei ab sofort der Maßstab: „Jetzt haben wir uns gefunden, haben uns stabilisiert, und es gibt jetzt keinen Schritt mehr zurück."
Das Spiel gegen Flensburg war aber nicht nur tabellarisch ein kleiner Rückschritt. Auch spielerisch konnten die Berliner nicht ganz an die hervorragenden Auftritte der Wochen zuvor anknüpfen. Die Berliner hielten die Partie zwar zunächst offen, vor allem in der Abwehr spielten die Füchse stark. Torhüter Dejan Milosavljev trumpfte in der ersten Hälfte groß auf, auch wenn ihm auf der Gegenseite Benjamin Buric in Nichts nachstand. Doch ein Doppelschlag der Gastgeber kurz vor dem Halbzeitpfiff brachte die Berliner sichtlich aus dem Konzept, nach dem Seitenwechsel zog Flensburg davon und siegte am Ende verdient. Trösten konnten sich die Füchse damit, dass die Richtung stimmt. Dass die Abstimmung deutlich besser ist, und dass die Einzelspieler ihre Qualität deutlich öfter abrufen als noch zu Saisonbeginn. „Ich habe immer gesagt, dass wir ein bisschen Zeit brauchen", sagt Petkovic. „Simon Ernst kommt langsam, bestimmt unseren Angriff, das gilt auch für Jacob Holm und Fabian Wiede. Das gibt mehr Qualität, und mit den Siegen wächst auch das Selbstvertrauen."
Simon Ernst ist in der Tat ein Schlüssel für den Aufschwung. Der 25-Jährige war mit viel Vorschusslorbeeren vom VfL Gummersbach nach Berlin gewechselt, dabei baten die Verantwortlichen von Beginn an um Geduld. Der Grund: Der Rückraumspieler hatte eine 16-monatige Verletzungspause hinter sich, wegen der schlimmen Knieverletzungen hatte seine Karriere sogar auf der Kippe gestanden. In Berlin wagte Ernst einen Neuanfang – und verletzte sich nur zwei Wochen nach seinem Debüt im Füchse-Trikot erneut. Doch beim 28:25-Sieg in Göppingen bewies Ernst erstmals, dass er das Team als Spielmacher und Torschütze führen kann. „Ich freue mich, dass ich immer besser reinkomme in die Saison", sagt er. Füchse-Manager Bob Hanning hegt keine Zweifel daran, dass der Europameister von 2016 noch mal an seine Topform herankommt: „Er ist ein Spieler, der voll von Energie steckt, er hat uns so lange gefehlt. Er ist so ein toller Mensch, so ein toller Handballer."
„Ich glaube, jeder Spieler hat Lust, Meister zu werden"
Ein Garant für den Aufschwung ist ohne Zweifel auch Torhüter Milosavljev. Der 23 Jahre alte Serbe, der im Sommer vom mazedonischen Champions-League-Sieger RK Vardar Skopje gekommen war, hat sich nach Startschwierigkeiten in die Mannschaft und in die Herzen der Fans gekämpft. Silvio Heinevetter? Dem einstigen Publikumsliebling werden manche Anhänger keine Träne nachweinen, wenn er nach elf Jahren die Füchse Berlin verlässt und zur MT Melsungen wechselt. Der 1,96 Meter große Milosavljev, der wegen seiner Körperfülle im Team auch „Teddy" genannt wird, harmoniert prächtig mit seinen zentralen Abwehrspielern. Und das gibt dem Schlussmann sichtlich Selbstvertrauen. Vor dem Flensburg-Spiel war Milosavljev mit 34,88 Prozent gehaltener Bälle die Nummer eins in der HBL unter allen Torhütern. Beim 31:26-Sieg der Füchse beim TBV Lemgo-Lippe hielt er gleich drei Siebenmeter in einer Halbzeit und war am Ende der gefeierte Mann. „Er hat gezeigt, warum wir ihn geholt haben", sagte hinterher Trainer Petkovic, der ansonsten mit Einzellob eher sparsam ist. Auch Manager Hanning ist zufrieden mit dem Mann, den er trotz des Nationalspielers Heinevetter in den eigenen Reihen verpflichtet hatte: „Da sieht man mal, wie wichtig es ist, gute Keeper zu haben."
Und vorne ist zurzeit auf Kapitän Hans Lindberg Verlass. Der 38 Jahre alte Däne ist mit 58 Toren der treffsicherste Spieler der Liga. Auch seine Trefferquote von 79,73 Prozent ist herausragend. Hinzu kommen Lindbergs Qualitäten als Leader in der Kabine und auf dem Feld, die ihn für die Füchse derzeit so unverzichtbar machen. Erfahrung zahlt sich aus, immerhin ist es bereits die 13. Saison für Lindberg. „Ich fühle mich momentan in einer guten Form. Wenn ich mich verletzungsfrei halten kann, fühle ich mich gut vorbereitet auf das, was kommt", sagt der dänische Weltmeister. Lindberg weiß, wie man Titel gewinnt. „Ich glaube, jeder Spieler hat Lust, Meister zu werden", sagt er, „aber sowas rauszubrüllen, ist immer schwierig."
Das Spiel gegen Flensburg hat Lindberg und Co. gezeigt, dass sie für den ganz großen Coup vielleicht noch nicht bereit sind. Aber in dieser Saison scheint es kein Ausnahmeteam zu geben, alle sind eng beisammen. Auch die Füchse sind noch in Reichweite zur Spitze. „Das wird eine lange Saison", sagt Lindberg daher. „Du weißt nie, was passiert."