In der Euro League gab es zuletzt eine schmerzhafte Pleite, in der Bundesliga läuft für Alba Berlin aber alles optimal.
Manchmal ist der eng gestrickte Terminplan für Alba Berlin auch ein Segen. Nur 40 Stunden nach der 84:103-Niederlage in der Euro League beim FC Barcelona vergangene Woche Freitag, der bitteren Lehrstunde auf allerhöchstem Niveau, musste der Vizemeister schon wieder in der Basketball-Bundesliga BBL ran. Gegner s.Oliver Würzburg hoffte am vergangenen Sonntag auf einen Durchhänger der Berliner. Darauf, dass ihnen die Pleite im Konzert der Großen psychisch und physisch zugesetzt hat.
Doch die Hoffnung der Würzburger erfüllte sich nicht. Alba spielte beim 110:82 (60:38)-Sieg so, als ob es den stressigen Trip nach Katalonien, wo ein Generalstreik die Region fast komplett lahm gelegt hatte, nicht gegeben hätte. Kraftvoll, aggressiv, treffsicher – selbst der sonst so kritische Trainer Aito Garcia Reneses hatte nicht viel zu meckern. Auch der Spanier hatte nach dem Spiel bei seinem Ex-Club Barca mit deutlich größeren Problemen gerechnet. „Ich dachte am Anfang eigentlich, dass es ein schwierigeres Spiel für uns werden würde", gab Reneses zu. „Aber wir haben mit sehr viel Energie angefangen und hervorragend von außen getroffen." Elf von 14 Dreipunktwürfen landeten im ersten Durchgang im Korb. Schon zur Halbzeit sei der Vorsprung so groß gewesen, „dass es für Würzburg hinterher nicht mehr möglich war, noch einmal zurückzukommen", sagte Reneses weiter.
„Hervorragend von außen getroffen"
Alba holte sehr souverän seinen vierten BBL-Saisonsieg – und stellte einen Rekord ein: 18 erfolgreiche Dreipunktewürfe hat es in der Clubgeschichte erst einmal gegeben (im Februar 2010 gegen Tübingen). Würzburgs Trainer Denis Wucherer gab zu, dass sein Team vom explosiven Start der Berliner etwas überrascht und vor allem überfordert gewesen war. „Uns haben die ersten fünf bis sieben Minuten etwas schockiert, davon konnte die Mannschaft sich dann nicht mehr erholen", sagte der Ex-Nationalspieler, der die Albatrosse über den Klee lobte: „In Puncto Größe, Athletik und Basketball-IQ sucht dieses Team seinesgleichen." In der BBL könne nur Alba „Bayern München das Wasser reichen".
In der Tat deutet schon früh in der neuen Saison vieles darauf hin, dass die Finalisten der Vorsaison auch diesmal den Titel unter sich ausmachen werden. Beide Teams kamen mit vier Siegen und 8:0 Punkten aus den Startlöchern, Meister München liegt nur um neun Treffer im Torverhältnis zurück. Das Überraschungsteam Crailsheim Merlins hat sich zwischen die beiden Topteams geschoben, die „Zauberer" dürften im Laufe der Saison aber noch abgefangen werden. „Viel besser hätte es eigentlich nicht laufen können", zeigte sich Albas Geschäftsführer Marco Baldi mit dem Saisonstart sehr zufrieden. Das Punktekonto stimmt, noch viel mehr freut Baldi aber die Kompaktheit und Souveränität bei den meisten Auftritten seiner Mannschaft: „Wir haben jetzt wirklich ein Team, das schon relativ homogen auftritt zu diesem frühen Zeitpunkt."
In der Liga nimmt sich Alba aber erst mal eine Pause, bis zum nächsten Spiel gegen ratiopharm Ulm stehen drei Partien in der Euro League auf dem Plan: zu Hause gegen ZSKA Moskau (Freitag, 25. Oktober) und Armani Mailand (Dienstag, 29. Oktober) sowie auswärts bei Real Madrid (Freitag, 1. November). In allen drei Partien muss Alba anders auftreten als gegen Barcelona, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben. „Manchmal ist es gut, sich vor Augen zu führen, gegen wen man gespielt hat", sagte Luke Sikma nach der deutlichen Niederlage in Barcelona. Der Power Forward aus den USA gab zu: „Das macht demütig, es war eine gute Erfahrung."
Eine Erfahrung, die die Berliner aber nicht unbedingt ein zweites Mal machen wollen. Dass man gegen die Topteams mit den deutlich höheren Etats verlieren kann, ist einkalkuliert. Aber so chancen- und auch ein wenig wehrlos, wie sich der deutsche Vizemeister in Barcelona präsentierte – das war zu wenig. „Für uns war es schwer, körperlich mitzuhalten und ihrem Rhythmus zu folgen", sagte Trainer Reneses. „Wir sind aber genau deshalb in der Euro League, um zu lernen." Der gebürtige Madrilene weiß, dass sein junges Team gerade im Duell mit den besten Spielern des Kontinents noch Leistungsschwankungen unterworfen ist. Entsprechend ehrfürchtig geht der 72-Jährige jedes Spiel auf europäischem Parkett an: „Für mich und uns ist es eine Ehre, in der Euro League zu spielen, denn das Potenzial vieler Teams in diesem Wettbewerb ist sehr groß." Auch Sportdirektor Himar Ojeda meinte: „Wir müssen uns alle daran gewöhnen, dass wir oft verlieren."
Das Comeback im wichtigsten europäischen Basketball-Clubwettbewerb nach viereinhalb Jahren fing eigentlich gut an. Einem etwas überraschenden Sieg zum Auftakt gegen Zenit St. Petersburg (85:65) folgte eine unglückliche Niederlage nach Verlängerung beim favorisierten türkischen Club Anadolu Efes Istanbul (105:106). Alba muss sich also trotz Mini-Etat – manche Spieler bei Top-Clubs verdienen mehr als die komplette Berliner Mannschaft – nicht verstecken. Den Weg von Meister Bayern München, der deutlich mehr Geld in die Hand nimmt, um international konkurrenzfähiger zu sein, will Alba bewusst nicht gehen. „Wir wollen eigene Spieler weiterentwickeln", sagte Alba-Vorstandsboss Axel Schweitzer.
„Er hat das Team angeführt"
Eines dieser Top-Talente ist ohne Zweifel Jonas Mattisseck. Der Point Guard hatte schon im vergangenen Jahr viel Verantwortung übernommen, zum Beispiel im Pokal-Viertelfinale, als er mit 15 Punkten maßgeblich am Sieg gegen Bayern München beteiligt gewesen war. In dieser Spielzeit erwartet Baldi noch mehr vom 19-Jährigen: „Jonas ist jetzt ein Jahr weiter und wird deshalb auch mehr Kontinuität zeigen können. So wächst ein ganzes Team zusammen, und das ist genau die Route, die wir weiterverfolgen wollen."
Der Kader, das lässt sich schon jetzt erkennen, besitzt im Vergleich zum Vorjahr mehr Tiefe. Als zum Beispiel der eigentlich als unersetzbar geltende Peyton Siva zu Beginn ausfiel, sprang Martin Hermannsson in die Bresche und überzeugte auf der Spielmacher-Position. Auch Siva lobte seinen Kollegen: „Er hat das Team angeführt und seine Mitspieler gut eingesetzt." Auch Mattisseck, der von der Bank als Spielmacher gute Ansätze zeigte, bekam lobende Worte vom US-Amerikaner: „Jonas bringt sehr viel Energie von der Bank und spielt jetzt freier als in der Vorbereitung. Da hat er noch zu viel nachgedacht." In Zukunft sollen aber vor allem Siva und Hermannsson ein kongeniales Duo bilden. „Zwei Spieler auf dem Feld zu haben, die passen und werfen können, gibt uns eine Menge Möglichkeiten", sagte Hermannsson. Vielleicht ja auch mal gegen Top-Teams aus der Euro League.