Eine Packung mit schwarzem Beuteltee kostet drei Euro, die Teepflücker bekommen davon einen Bruchteil. Das zeigt eine neue Studie der Hilfsorganisation Oxfam. Was können Verbraucher tun?
Von dem Geld, dass die Kunden im Supermarkt für schwarzen Tee der Sorte Assam zahlen, erreicht die Pflückerinnen und Pflücker: 1,4 Prozent. Das Gros hingegen bleibt bei den deutschen Lebensmittelhändlern, bei Aldi, Edeka, Lidl oder Rewe, und Teeunternehmen wie Ostfriesische Teegesellschaft und Teekanne: zusammen gut 86 Prozent. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die die Hilfsorganisation Oxfam kürzlich vorgestellt hat.
Deren Expertin Barbara Sennholz-Weinhardt rechnete vor: „Bei einer Packung Markenschwarztee für drei Euro gehen nur circa vier Cent an die Menschen, die den Tee gepflückt haben." Bei den Supermärkten und Herstellern blieben indes rund 2,60 Euro. 20 Cent erhielten Zwischenhändler, 16 Cent die Plantagenbesitzer.
Tee ist weltweit beliebt, nur Wasser wird noch mehr getrunken. Ganz vorne: die Ostfriesen. 300 Liter trinken sie pro Kopf und Jahr, mehr als zehnmal so viel wie Bundesbürger in anderen Regionen – Weltrekord. Kräuter- und Früchtetees sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. 2016 wurde die ostfriesische Teekultur von der Unesco gar als Immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Berühmt und viel beworben ist die ostfriesische „Teetied": Knacken muss es, wenn der frisch aufgebrühte Tee über ihren Kandis rinnt. Obendrauf eine Wolke aus Sahne, mit einem Löffel eingefüllt, aber bitte nicht umrühren. Nur: Was genau im Ostfriesentee steckt und wie er produziert wurde, erfahren Kunden selten.
Ostfriesen trinken 300 Liter Tee Pro Jahr
Oxfam hat nun auf 50 Plantagen in der Region Assam 510 Arbeiterinnen und Arbeiter befragen und Daten zu den Lieferbeziehungen nach Deutschland analysieren lassen. Dort, im Nordosten Indiens, liegt eines der größten Teeanbaugebiete der Erde. Von dort stammt der Hauptbestandteil des Ostfriesentees. Assam, der als „dunkler, kräftiger und anregender Tee" gilt, steckt aber auch in anderen Mischungen, dem English Breakfast etwa. In Reinform gibt es ihn auch. Dass die Arbeit der Pflücker hart ist, wurde schon öfter beschrieben. Die neue Studie hat aber noch weitergehende Daten und Fakten zusammengetragen.
Demnach kaufen die Kunden in Deutschland mehr als die Hälfte aller Tees in Supermärkten und Discountern. Beliebt sind deren Eigenmarken und die Produkte der Unternehmen Teekanne und Ostfriesische Teegesellschaft (OTG), zu der Meßmer und Milford gehören. Teekanne und OTG beliefern teils auch die Eigenmarken der Lebensmittelketten. Die Händler und Unternehmen sind damit eine Größe. Sie könnten auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen derjenigen, die die Tees pflücken, mit beeinflussen, sagt Studienautorin Sennholz-Weinhardt.
Doch die Arbeitenden in Assam verdienten pro Tag nur zwischen 137 und 170 indische Rupien, umgerechnet 1,73 bis 2,14 Euro. Das sei weniger als die Hälfte dessen, was in Assam für ein menschenwürdiges Leben notwendig wäre, also einem existenzsichernden Lohn entspräche.
Weitere Ergebnisse der Studie: 56 Prozent der Befragten haben nicht ausreichend zu essen, mehr als ein Viertel nimmt pro Tag weniger als 1.800 Kilokalorien zu sich, mit anderen Worten: leidet Hunger. Dazu kommen laut Sennholz-Weinhardt „katastrophale Arbeitsbedingungen": 51 Prozent der Befragten klagten über Reizungen der Augen, Erkrankungen der Atemwege, allergische Reaktionen. Oft hantieren sie mit Pestiziden, haben aber keine Handschuhe, Masken, Schutzkleidung. Toiletten gibt es auf den Teefeldern keine. Das Trinkwasser, das die Arbeitenden auf den Plantagen trinken, ist oft verunreinigt. 45 Prozent der befragten Arbeitenden gaben an, krank zu sein, etwa an Durchfall, Gelbsucht, Cholera oder Typhus zu leiden.
Verbraucher sollten nachfragen
Was machen Verbraucher, die sich mit diesen Bedingungen nicht abfinden wollen? Ein Tipp von Barbara Sennholz-Weinhardt: „Verschaffen Sie sich Gehör bei dem Supermarkt, in dem Sie einkaufen, und erkundigen Sie sich beim Filialleiter, wo der Tee genau produziert wird und ob die Arbeiterinnen vor Ort faire Löhne bekommen." Neben den Kunden sei auch der Staat gefragt. Oxfam hat gerade erst zusammen mit gut 60 anderen Unternehmen die Initiative Lieferkettengesetz gestartet. Deutsche Unternehmen sollen damit verpflichtet werden, sich bei ihren Geschäften im Ausland besser um faire Arbeitsbedingungen und Umweltfragen zu kümmern.
Die deutschen Firmen allerdings halten ihre Möglichkeiten für begrenzt. Das Unternehmen Teekanne wies darauf hin, dass es „nur 0,06 Prozent der weltweit exportierten Assam-Rohwaren abnimmt". Bei ihren Lieferanten hätten ihre Experten die „angeprangerten drastischen Missstände" auch „zu keiner Zeit" festgestellt.
Die Ostfriesische Teegesellschaft erklärte ebenfalls, dass sie zu „den kleinen Akteuren" gehöre – und weniger als 0,3 Prozent des aus Assam exportierten Tees beziehe. Dafür gebe sie „klare Richtlinien zur Einhaltung sozialer und ökologischer Standards vor". Auf die Lohngestaltung hätten sie zum Beispiel „aber keinen Einfluss". Diese sei Sache der indischen Teeindustrie, der Regierung, Gewerkschaften, Verbände vor Ort. Und weiter: „Trotz aller Probleme halten wir es nicht für richtig, uns aus Assam zurückzuziehen. Denn dann hätten wir gar keinen Einfluss mehr auf eine Verbesserung der Lage."