Die Doppelbelastung macht Alba Berlin in dieser Saison zu schaffen. Vor allem die vielen Spiele und Reisen in der Euro League bedeuten enorme Belastungen für Körper und Geist.
Sieben Tage Pause – für die Spieler von Alba Berlin fühlte sich das fast wie Urlaub an. Zwischen den beiden Partien in der Euro League mit dem Sieg bei Roter Stern Belgrad (85:94) und der Niederlage bei Zalgiris Kaunas (104:80) war beim deutschen Basketball-Vizemeister vor allem Durchschnaufen angesagt. Eine Woche zum Regenerieren und Trainieren sind für Alba in dieser Saison ein wahrer Luxus. In den ersten drei Monaten des neuen Jahres sind für Alba 29 Spiele angesetzt, das ist im Schnitt alle drei Tage eine Partie. Eigentlich wollten sich die Berliner über die Doppelbelastung öffentlich nicht beklagen, sie haben es sich durch den Einzug in die prestigeträchtige Euro League ja sogar gewünscht. Doch der Dauerstress nervt. „Bei der Dichte der Spiele ist das wirklich ein Problem. Es geht nur noch ums Überstehen", sagte Alba-Geschäftsführer Marco Baldi. „Man hat praktisch nicht einmal ein Training, um etwas rauszuschütteln. Das hatten wir in dieser Form so noch nicht. Das sind einfach zu viele Spiele."
Überspielt – dieses Attribut traf daher sehr treffend auf einige Partien der Albatrosse zu. So wie bei der 71:72-Niederlage bei der BG Göttingen oder dem wenig überzeugenden Pokalsieg gegen den Mitteldeutschen BC (116:108). „Dass wir müde sind, darf keine Entschuldigung dafür sein, dass wir schlecht verteidigen", haderte Spielmacher Martin Hermannsson. Trainer Aíto García Reneses ist da etwas nachsichtiger. Der erfahrene Spanier, der in seinem Heimatland dreimal als Trainer des Jahres ausgezeichnet wurde, kennt die Tücken der Doppelbelastung sehr gut. Und er weiß auch, dass die junge Berliner Mannschaft erst noch lernen muss, diese körperlich und mental wegzustecken. „Es ist nicht einfach", erklärte der 74-Jährige, „bei unserem Pensum, den vielen Spielen und dem Reisen, konzentriert und fokussiert zu bleiben."
„Es geht nur noch ums Überleben"
Auch auf das Verletzungspech dürfte der eng gestrickte Spielplan einen erheblichen Einfluss gehabt haben. Zwischendurch brachen in den Spielmachern Peyton Siva und Stefan Peno sowie den Centern Johannes Thiemann und Tyler Cavanaugh gleich vier Stützen des Teams weg – und das konnte die Mannschaft nur schwer kompensieren. Mit ein paar Millionen Euro mehr im Budget hätte man den Substanzverlust vielleicht mindern können, doch genau diesen Weg will Alba ja ganz bewusst nicht gehen. Für eine zweimonatige Rückkehr von Bogdan Radosavljevic, der schon von 2016 bis 2018 bei Alba spielte, war aber doch noch Geld vorhanden. „Mit Bogdan Radosavljevic haben wir einen passenden Spieler für diese schwierige Situation gefunden", sagte Sportdirektor Himar Ojeda. „Er kennt bereits die Trainer, große Teile des Teams sowie unsere Basketballidee und wird sich schnell einfinden." Nach dieser Verpflichtung und der Rückkehr von Siva, Thiemann und Cavanaugh lief es gleich besser bei den Berlinern, vor allem in der Euro League standen sie mit sieben Siegen aus den ersten 20 Spielen besser da als erwartet – und sogar vier Plätze vor dem mit so großen Ambitionen gestarteten FC Bayern München. „Es ist gut zu sehen, dass wir auch auswärts starke Gegner besiegen können", sagte der Isländer Hermannsson. Selbst der achte Platz, der zur Teilnahme an den Play-offs berechtigt, ist zumindest nicht völlig außer Reichweite. Das freut die Fans und auch Verantwortlichen, schließlich kämpft der Club um eine Dauer-Eintrittskarte für das Konzert der Großen. Auf der anderen Seite würde die Teilnahme an den Play-offs noch mehr Spiele bedeuten, und das könnte sich negativ auf den Kampf um den deutschen Meistertitel auswirken.
Die Aufstockung der Euro League auf 18 Teams mit jeweils 34 Vorrundenspielen ist Baldi ein Dorn im Auge. „Wir müssen aufpassen", warnte Albas Geschäftsführer. „Die Euro League ist ja nicht die NBA. Und wir können nicht besser werden als die." Soll heißen: Die Gefahr der Übersättigung besteht, zumal das Niveau bei zu vielen Spielen nicht unbedingt besser wird. „Unser Kerngedanke ist doch, dass der Ausgang und die Qualität eines Spiels im Vordergrund steht", sagte Baldi. „Aber das geht eben nur, wenn man eine gewisse Anzahl von Spielen hat." Solange das neue Format der Euro League aber genug Geld abwirft, wird sich daran nichts ändern. „Wir sprechen über Spiele mit rund 10.000 Zuschauern – das kann kein anderer Wettbewerb bieten", sagte kürzlich Euro-League-Boss Jordi Bertomeu bei seinem Besuch in Berlin. „Ich bin nicht dafür, solche Spiele zu reduzieren."
„Wir können das auf Dauer nicht kompensieren"
Die Spieler müssen mit der Terminhatz leben – und sich anpassen. „Es wird keiner abends feiern gehen. Essen, Trinken, das muss alles eingehalten werden", sagte Albas Physiotherapeut Henrik Lange. Power Forward Tim Schneider weiß: „Unser Körper ist unser Kapital, und wir müssen ihn pflegen und dafür sorgen, dass alles gut funktioniert." Doch selbst bei einer optimalen Vor- und Nachbereitung lassen sich nicht alle Probleme der Doppelbelastung vermeiden. Schneider zum Beispiel klagt immer mal wieder über Rückenbeschwerden, die auch durch die vielen Flugreisen bedingt sind. Beinfreiheit ist für einen 2,08-Meter-Mann in der Economyclass nun mal nicht inklusive. In Ausnahmefällen bucht Alba aber auch Charterflüge, um den Reisestress so gering wie möglich zu halten. „Wir besprechen uns täglich, stimmen uns immer mit dem gesamten Team ab", sagte Team-Arzt Moritz Morawski.
Zwischenzeitlich konnte man sich keinen einzigen Ausfall mehr erlauben. „Wir können das auf Dauer nicht kompensieren", hatte Baldi geklagt. „Die Energie ist endlich." Inzwischen hat sich die Personalsituation bei Alba wieder deutlich entspannt. Vor allem Spielmacher Siva, den muskuläre Probleme immer wieder zurückgeworfen hatten, blühte zuletzt wieder auf. „Das ist entscheidend und das hilft uns massiv", sagte Baldi über die Rückkehrer, die sofort für Impulse und vor allem für Entlastung sorgten. „Durch mehr Tiefe im Kader haben wir auch wieder mehr Frische."
Die einwöchige Spielpause Mitte Januar nutzten Siva und Co, um wieder verstärkt Abläufe und Automatismen zu trainieren. Denn dafür war zuletzt überhaupt keine Zeit. „Das lief ja meist immer unter dem Radar, sodass wir fast die gesamte Saison improvisieren mussten", sagte Baldi. Nun könne man aber „die Rückkehrer weiter integrieren und unser Spiel verfeinern".