Der Saisonabbruch durch Corona hat für Spitzenhandballer wie Paul Drux auch etwas Gutes. Der über die Jahre geschundene Körper bekommt endlich etwas Erholung.
Freundin Linda ist gar nicht so böse, dass Paul Drux zurzeit kein Handball spielen kann. Nach dem vorzeitigen Saisonabbruch in der Corona-Krise hat der Nationalspieler nämlich seine Kochkünste erheblich verbessert, neuerdings serviert er seiner Linda sogar Dinkelmehl-Pizza oder Brokkoli-Quinoa-Salat. Drux steht in der für einen Handballprofi ungewohnten Freizeit aber nicht nur am Herd. Er macht auch viele Ausflüge mit seinem Motorrad, einer Triumph T120. Und der Rückraumspieler der Füchse Berlin legt oft auch einfach nur die Füße hoch, er verschafft seinem in den letzten Jahren so geschundenen Körper die dringend notwendige Erholung. Die Corona-Krise sei zwar „schlimm“, gesellschaftlich und wirtschaftlich sogar „eine Vollkatastrophe“, sagt Drux. Aber „für uns Sportler ist es etwas, was wir uns irgendwo auch gewünscht haben, dass man mal eine Sommerpause hat und wirklich den Kopf frei kriegt und dem Körper Ruhe geben kann“.
Solch offene Worte sind im Profisport selten, weil die meisten aus Sorge um ihre Arbeitsplätze lieber heute als morgen wieder loslegen würden. Die Sorgen kann zwar auch Drux nicht gänzlich abstreifen, aber überdramatisieren will er es auch nicht. „Ich habe Rücklagen, bin ein bodenständiger Mensch, hatte vorher nie Zeit, viel Geld auszugeben“, sagte der 25-Jährige der B.Z. Natürlich mache auch er sich Gedanken, „wie das alles weitergehen soll, wenn man jeden Morgen in die Zeitungen schaut“. Aber man dürfe sich davon nicht verrückt machen lassen. „Es hilft ja nichts, den Kopf in den Sand zu stecken“, sagte der 81-malige Nationalspieler.
„Es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu stecken“
Und so zieht Drux das Positive aus der Situation heraus: „Diese Zwangspause ist auf alle Fälle viel gesünder für meinen Körper, er erholt sich jetzt, und auch mein Problem-Fuß bekommt mehr Zeit zum Heilen.“ Der linke Sprungfuß schmerzt Drux schon lange, zuletzt hatte sich dort die Plantarsehne entzündet. Doch das war nur ein körperliches Gebrechen von vielen. Fuß, Schulter, Knie – alles wurde schon mal in Mitleidenschaft gezogen. Ein Spitzenhandballer wie Drux kommt mit den nationalen und internationalen Wettbewerben pro Saison auf 80 Spiele oder mehr – ein Mammutprogramm mit einem enormen Gesundheitsrisiko. „Viele Jahre hatten wir Nationalspieler im Sommer nur zwei bis drei Wochen Urlaub vom Handball, haben gefühlt immer durchgespielt“, berichtet Drux. Schon vor der Zwangspause vor Corona habe er daher verstärkt auf eine effektive Regeneration geachtet. „Mir persönlich tut es zum Beispiel sehr gut, wenn ich regelmäßig nach dem Training in die Sauna gehe, um erst einmal vom Kopf her runterzukommen und gleichzeitig den Körper zu entspannen.“ Außerdem legt Drux mehr Wert auf eine gesunde Ernährung. „Ich würde jetzt lügen, wenn ich behaupten würde, nie eine Pizza zu essen“, sagt er, „aber auch hier arbeite ich mit einer Ernährungsberatung zusammen, die mir hilft, mich ausgewogen und passend zur Belastung zu ernähren.“
Bei den Füchsen registrieren die Verantwortlichen diesen Sinneswandel wohlwollend. Drux gilt als Vorzeigeprofi für die Clubstrategie, Spieler in der eigenen Jugend auszubilden und zu Stars zu formen. Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning hat das Talent des gebürtigen Gummersbachers früh erkannt und immer gefördert. Als Drux 19 Jahre alt war und sich seine ersten Meriten in der Bundesliga verdiente, bezeichnete ihn Hanning als „das größte Talent, das wir in Deutschland haben“ und hievte ihn „in die Kategorie Nikola Karabatic“. Den Durchbruch in die absolute Weltklasse eines Karabatic hat Drux aber noch nicht geschafft, obwohl er mit nun schon fünf Starts bei großen Turnieren seine internationale Reife nachgewiesen hat. Mitunter fehlt dem 1,92 Meter großen Rückraumspieler aber die Raffinesse, manchmal auch die Ruhe in hektischen Situationen. Doch man darf nicht vergessen: Er ist mit 25 Jahren noch immer nicht im besten Handball-Alter.
„Er passt rein, will den maximalen Erfolg“
Einen Leistungssprung erwarten die Füchse in der kommenden Saison, wenn Jaron Siewert als Trainer übernimmt. Siewert und Drux arbeiteten schon in der A-Jugend des Clubs erfolgreich zusammen, deshalb ist der Spieler voller Vorfreude auf seinen neuen Cheftrainer: „Er wird taktisch einen neuen Wind reinbringen, hochmotiviert sein und viel darauf setzen, die Spielanteile zu verteilen.“ Das war zuletzt bei den Füchsen verletzungsbedingt nur selten der Fall. Drux musste vor allem nach dem Ausfall von Fabian Wiede im Rückraum viel spielen – oft auch angeschlagen. Die Leistungsdelle kam für Hanning daher nicht überraschend. Drux lebe „von seiner Kraft und seiner Dynamik und braucht deshalb mehr Pausen als andere Spieler, um den Tank wieder aufzuladen“, erklärt Hanning. „Wenn er einmal in den roten Bereich reinkommt, dann kriegt man ihn selten wieder auf grün.“ Auch deshalb blieb er bei der EM 2020 etwas hinter den Erwartungen zurück, die Rolle als Spielmacher lag ihm gar nicht. In der Abwehr und beim Tempospiel wusste Drux aber zu überzeugen, auch unter dem neuen Bundestrainer Alfred Gislason ist der Berliner eine feste Größe im Nationalteam. Drux ist von Gislason, der vor allem als Meistertrainer des THW Kiel viele Erfolge vorweisen kann, überzeugt: „Er passt rein, will den maximalen Erfolg.“ So wie Drux, der stets einen unbändigen Siegeswillen vorlebt. „Er nimmt das Heft in die Hand und steht in der Abwehr seinen Mann“, lobt Hanning. „Dazu ist er ehrlich, bodenständig und hat einen klaren Kopf.“
Sein Vertrag bei den Füchsen läuft noch bis 2023, doch auch darüber hinaus sieht Drux seine Zukunft beim Hauptstadtclub. Die Füchse wollen in naher Zukunft um Titel mitspielen und den Kader qualitativ verstärken. Man befinde sich in einem Prozess, „wo viele merken, dass in der Stadt und bei uns im Club etwas geht“, sagt Drux, „das will man miterleben“. Doch dafür muss der Handball aber erst mal wieder loslegen. Und dann wird der Terminkalender noch voller sein als zuvor. In der nächsten Saison mit den Olympischen Spielen in Tokio als Highlight wartet ein „Hammer-Programm“, so Drux. „Man muss sehen, wie das mit den Spielplänen funktioniert.“ Bis dahin genießt er aber noch die freie Zeit. Die Bundesligaspiele im Fußball interessieren ihn dabei nicht, Drux schaut „lieber Basketball“. Oder er kocht seiner Freundin etwas Schönes.