Alba Berlin kann sein Double aus der Vorsaison nicht wiederholen. Die Pokal-Niederlage gegen Dauer-Rivale Bayern München schmerzte auch, weil sie unnötig war. Der Fokus liegt nun auf der Play-off-Serie gegen Hamburg.
Die ungeliebten Silbermedaillen für die Finalverlierer übergab aus Hygienegründen ausgerechnet Trainer Aíto García Reneses. Sicher aus Respekt vor dem 74 Jahre alten Spanier hängten sich die Spieler von Alba Berlin die Medaillen tatsächlich auch um den Hals. Manche hätten sie aus der Emotion heraus aber wohl lieber in die Ecke gefeuert, denn der Frust nach der 85:79-Niederlage im Pokalfinale in München gegen Gastgeber Bayern saß tief. Dass die Berliner für ein Foto vor einer Bande posieren mussten, auf dem „Deutscher Vize-Pokalsieger 2021" stand, hob die Stimmung natürlich nicht. Erst nachdem die Roten bei der Siegerehrung den Pokal in die Höhe stemmten, durften die Berliner in die Kabine entschwinden. Die donnernde Bayern-Hymne „Stern des Südens" begleitete sie beim Gang in den Katakomben. „Das ist super frustrierend", sagte Kapitän Niels Giffey.
Alba hätte zum elften Mal Titelträger und damit zum alleinigen Rekord-Pokalsieger aufsteigen können – doch die Nerven machten ihnen einen Strich durch die Rechnung. Nach einem famosen Anfangsviertel mit einer Zwölf-Tore-Führung ließ sich der Titelverteidiger von den Münchnern den Schneid abkaufen. Die Bayern traten danach deutlich aggressiver auf, vor allem in der Defensive. „Wir habe es nicht geschafft, dem Spiel unseren Stempel aufzudrücken", meinte Giffey. München habe das Spiel verschleppt und viel geswitcht, „wir spielen eigentlich ein bisschen schneller, das liegt uns mehr". Doch diesen Gefallen tat ihnen der Gegner nicht. Bayern-Trainer Andrea Trinchieri fand den Schlüssel zum Erfolg. „Wir haben das Spiel auf die einzige Weise gewonnen, wie es uns heute möglich war: solides Verteidigen, keine Experimente, Kämpfen, Verlangen, 50:50-Bälle." Das Spiel wurde immer härter – bis an den Rand des Erlaubten. Am Ende saßen auf beiden Seiten fünf Spieler mit jeweils fünf Fouls auf der Bank. Der Härte fielen Luke Sikma und Johannes Thiemann zum Opfer, die Leistungsträger konnten verletzungsbedingt nicht bis zum Ende mitspielen. Vor allem Sikma fehlte dem amtierenden Meister, um der aggressiven Münchner Defensive die notwenige Körperlichkeit entgegenzubringen.
Berlin traf nur neun von 17 Freiwürfen
Die Bayern waren auf keinen Fall besser, aber abgezockter als Alba. Ein weiterer Beleg dafür: In der zweiten Halbzeit trafen die Berliner nur neun von 17 Freiwürfen. Der Schwede Marcus Eriksson, der in der Liga auf eine Quote von 94 Prozent kommt, vergab zum Beispiel 41 Sekunden vor Schluss beim Stand von 78:82 einen ganz wichtigen Freiwurf. „Eriksson, bist du es wirklich? Zeig Deinen Personalausweis!", sagte der TV-Kommentator bei Magenta Sport. „Das kann doch nicht wahr sein!" Dass Eriksson am Ende mit zwölf Punkten hinter Jayson Granger (17) bester Alba-Werfer war, dürfte ihn überhaupt nicht getröstet haben. Denn in einem Pokalfinale zählen persönliche Statistiken noch viel weniger. Und als Team – das muss man so ehrlich sagen – haben die Münchner an diesem Abend etwas besser harmoniert. Die Art und Weise des Finaleinzugs hat die Spieler scheinbar noch enger zusammenrücken lassen.
Alba war deutlich ausgeruhter ins Finale der beiden Europa-League-Starter gegangen. Im Halbfinale am Tag zuvor hatte Berlin den Außenseiter BG Göttingen klar mit 112:96 besiegt. Die Göttinger, die nach einer zweiwöchigen Quarantäne Anfang Mai im Dauerstress waren und vier von fünf Ligaspielen verloren, hatten einfach nicht mehr die Energie, um Alba wirklich Paroli zu bieten. Die Bayern hatten sich dagegen in ihrem Halbfinale gegen Ratiopharm Ulm erst nach doppelter Verlängerung zu einem 104:102-Sieg gemüht. Leon Radosevic sprach daher auch den Physios seinen Dank aus, das Final Four sei insgesamt „sehr anstrengend" gewesen. Doch zumindest für die Hausherren hatte es sich gelohnt. „Es ist supergeil, hier zu Hause das Ding zu gewinnen. Wir hatten auch eine Rechnung offen, weil wir es gegen Berlin schon mal verloren haben", sagte Nationalspieler Paul Zipser. „Das war einfach eine Riesenteamleistung." Für Bayern blieb aber kaum Zeit zum Feiern, und Alba hatte die Möglichkeit, sich den Frust schnell wieder von der Seele zu spielen. Schon vier Tage nach dem Pokalfinale stand das erste Duell im Play-off-Viertelfinale gegen die Hamburg Towers auf dem Plan. Die Norddeutschen sind so etwas wie der Angstgegner, schließlich gewannen sie beide Saisonspiele gegen Berlin – als einziges Team der Liga. Man wolle die Play-off-Partien mit „dem gleichen Selbstbewusstsein und der gleichen Leichtigkeit" angehen, kündigte Towers-Chef Marvin Willoughby an. Aber man sei natürlich weiterhin „der Underdog".
Ob die Pokal-Niederlage einen erheblichen Einfluss auf die Play-offs haben würde, konnte Kapitän Giffey unmittelbar nach der Pokal-Pleite nicht beantworten: „Keine Ahnung, ich bin jetzt nur extrem frustriert. Das ist einfach bitter gerade." Die Verantwortlichen warnten davor, dass die Hamburger die Situation ausnutzen könnten. „Sie wissen, wie sie gegen uns spielen müssen. Wir müssen deshalb deutlich besser spielen, als wir es in den beiden Saisonspielen getan haben", sagte Sportdirektor Himar Ojeda.
„Wir sind die, die es zu schlagen gilt"
Denn den Titel erfolgreich zu verteidigen, wird deutlich schwieriger als der Coup im Vorjahr, glaubt Sikma. „Da ist jetzt diese Zielscheibe auf unserem Rücken", veranschaulichte der Power Forward. „Wir sind die, die es zu schlagen gilt." Mit diesem Druck müsse das Team umgehen können, spielerisch sieht Sikma Alba wieder in der Spur. Auch, weil zuletzt wieder etwas Zeit zum Training blieb. „Das hilft uns", sagte der US-Amerikaner der „Berliner Morgenpost". Alle im Team seien bereit, die Schwierigkeiten der Doppelbelastung „hinter sich zu lassen und den Blick auf die entscheidenden Spiele zu richten." Auch wenn das im Pokalfinale nicht ganz geklappt hat. Dass auch der Meistertitel automatisch an Berlin oder München vergeben wird, glaubt Sikma nicht. Es sei „ein Irrtum zu glauben, es gebe einen Zweikampf um den Titel". Und es sei auch „ein großer Fehler" und „sogar respektlos", andere Teams wie Vorrundengewinner Ludwigsburg aus der Meister-Rechnung herauszuhalten: „Sie haben die beste Saison aller Bundesligisten gespielt."
Im Pokal-Final-Four war von Christ Koumadje wieder nichts zu sehen. Kein Wunder: Trainer Reneses verzichtete komplett auf den Center. Der 2,21-Meter-Riese tauchte nach seiner gelungenen Premiere in Frankfurt immer mehr ab, weil er die Automatismen und die sehr eigenwillige Spielidee von Reneses noch nicht verinnerlicht hat. „Es ist schwierig für ihn und schwierig für die anderen Spieler", zeigte Reneses Verständnis. „Die Abstimmung passt nicht. Es wäre für alle besser gewesen, er wäre schon zur Vorbereitung dagewesen." Koumadje aber kam im März – und alle Verantwortlichen baten um Geduld. Der Center aus dem Tschad brauche Zeit für die Eingewöhnung und sei eher ein Vorgriff auf die kommende Saison. Sein Vertrag läuft erst 2023 aus. „Prinzipiell ist es wichtig, einen Spieler mit seiner Charakteristik zu haben", sagte Reneses über den großen Center mit den langen Armen. Koumadje gebe „sein Bestes, aber es ist nicht leicht für ihn."