Wirtschaftliche Neustarts zu wagen während einer Pandemie kann schwierig sein – es sei denn, man produziert Masken und erarbeitet Hygienekonzepte. Unternehmer Pascal Borger hat sich in der Krise selbstständig gemacht. Insgesamt ging die Zahl der Gründungen 2020 jedoch zurück.
Die Pandemie hat deutliche Bremsspuren hinterlassen – auch in der deutschen Gründerszene. Rund 537.000 Menschen machten sich im Jahr 2020 selbstständig und damit 68.000 weniger als in den zwölf Monaten zuvor, wie die Förderbank KfW ermittelt hat. 2019 war die Zahl der Existenzgründungen erstmals seit fünf Jahren wieder gestiegen.
Der Schritt in die Selbstständigkeit ist generell ein schwerwiegender – während einer veritablen Krise ist er aber vielleicht sogar doppelt gewagt. Pascal M. Borger hat seine Entscheidung, ein eigenes Unternehmen in der Corona-Pandemie zu gründen, zwar rasch, aber dennoch unter nicht allzu gewaltigem Druck treffen müssen. „Da der öffentliche Dienst nicht annähernd so agieren kann, wie es einem freien und unabhängigen Wirtschaftsakteur möglich ist, habe ich den Schritt gewagt und meine Tätigkeit in den privaten Sektor verlagert", erklärt der Geschäftsführer von Bumble Protectives. Nach Ausbruch der Pandemie war Borger bis Mitte 2020 bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Saarland (KZV) zuständig für „risikoadjustierte Aufrechterhaltung" im Gesundheitswesen. Sprich: Er bestellte und verteilte im Auftrag der KZV medizinische Schutzausrüstung für Zahnärzte im ganzen Saarland (FORUM berichtete bereits im April darüber).
„Wir durften einen nicht unerheblichen Teil dazu beitragen, dass viele Mediziner ihren Versorgungsauftrag weiterhin ausführen konnten", erklärt er. Das machte er jedoch so gut, dass es im Laufe des Jahres keinen Bedarf mehr für seine Arbeitsleistung gab. Die Konsequenz: die Selbstständigkeit „Ich habe mein vorheriges Tätigkeitsfeld im Prinzip eins zu eins weitergeführt", erklärt der gebürtige Homburger, vertreibt mit seinem Unternehmen nun weiterhin Schutzausrüstung und hat eine medizinische Mund-Nasen-Schutzmaske mit einer Besonderheit mitentwickelt: Sie ist wiederverwendbar.
Der Grund: Zu Beginn der Pandemie besaßen zahlreiche Unternehmen, niedergelassene Mediziner, Kliniken, das Bildungswesen, der öffentliche Personennah- und Fernverkehr, die Luftfahrt, die Tourismusbranche, das produzierende Gewerbe und viele weitere Branchen keinen Zugriff mehr auf die dringend benötigte Schutzausrüstung. Die weltweite Logistik versagte. Zu sehr hatte man sich bei der Produktion auf Unternehmen aus Fernost verlassen. Denn: „Die Lohnnebenkosten sind hier zu teuer", konstatiert Borger. „Tatsächlich existieren jedoch direkt vor unserer Haustür unzählige Unternehmen, welche mithilfe von Kooperationen diesen Schutz bieten können", fügt er hinzu. In Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Wirtschaft wolle er helfen, dieses Problem aufzulösen.
Jene Maske ist gemeinsam mit der Firma Casco entstanden. Das 1989 gegründete Familienunternehmen entwickelte und produzierte vor der Krise Schutzhelme und Brillen für Reiter und Fahrradfahrer. Am Entwicklungs- und Produktionsstandort Satu Mare in Rumänien – nahe den Grenzen zur Ukraine und zu Ungarn – wurde während der Pandemie eine Maske mithilfe des dortigen Militärs in deren eigenem Labor getestet, entwickelt und produziert. Eine europäische Zusammenarbeit, die im März 2020 begann. Bereits Ende April war schon der Prototyp soweit fertig, um an erste Kunden zum Testen im Alltag ausgeliefert zu werden.
Europäische, nachhaltige Zusammenarbeit
Die Casco Mask 2.0 sei nachhaltig, habe einen hohen Abscheidegrad. Die verbauten Filter „können bedenkenlos nach 24 Stunden Nutzdauer desinfiziert werden", erklärt Pascal Borger. Die Maske liefert er mit zwei Filtersätzen. Nach 24 Stunden könne man den ersten austauschen und desinfizieren. Dieser Filtertausch sei bis zu 20-mal möglich – wohlgemerkt mit beiden Filtersets. So kommt der Unternehmer rechnerisch auf 960 Stunden Nutzdauer. Umgerechnet auf reguläre FFP2-Masken, die man nicht länger als zwei bis vier Stunden tragen sollte, ergebe sich so ein um 480 Stück reduzierter Maskenverbrauch, beziehungsweise 240 medizinische Mund-Nasen-Masken, erklärt Borger.
Der Abscheidegrad liegt nach Prüfungen des rumänischen Laboratoriums bei 98,7 Prozent. Dieser Abscheidegrad ist bei Luftreinigern ein Maß für die Wirksamkeit der Luftreinigung und misst das Verhältnis der Menge beziehungsweise die Konzentration des abzutrennenden Stoffes, der in den Filtern aufgefangen wird, zu derjenigen, die in das System eingetreten ist. Kurz gesagt: Je höher der Abscheidegrad, desto besser die Filterleistung. Nur wenn der Abscheidegrad entsprechend hoch ist, kann die Maske auch entsprechend schützen.
FFP2-Masken müssen einen Abscheidegrad von 94 Prozent aufweisen, FFP3-Masken sogar 99 Prozent. Also ist Borgers Maske fast eine FFP3-Maske? Dies beantwortet der 35-jährige Unternehmer mit „Jein". Seine Maske sei ein nachhaltiges Produkt, weil die Wechselfilter kaum Müll produzieren. Diese Innovation aber komme in der Klassifizierung durch die entsprechende EU-Verordnung so nicht vor. Deswegen dürfe das Unternehmen sie nach der Europäischen Norm EN14683 nur als medizinische Mund-Nasen-Schutzmaske bewerben. Generell werden FFP2-Masken nach der EN149 geprüft, die medizinischen Mund-Nasen-Schutzmasken eben nach EN14683. „Vorausgesetzt natürlich, sie wird richtig getragen", erläutert Borger.
Doch bei der Maske bleibt es nicht. Bumble Protectives entwickelt und vertreibt zudem alkoholfreies Desinfektionsmittel, hocheffiziente Luftreinigungsgeräte, Oberflächenveredelungen gegen Viren, Bakterien oder Pilze oder hilft bei Hygienekonzepten. „Das muss ja immer individuell auf den Betrieb umgemünzt werden", wie Borger erläutert. Seit einigen Monaten bietet Borger auch mobile Schnelltests in Rheinland-Pfalz an – für Menschen, die krank und daher kaum mobil seien, „da bringen wir lieber den Berg zum Propheten", sagt er. Stichwort Diversifizierung – alleine die Maske wird das Geschäft nicht tragen.
Borger ist in der Statistik laut KfW-Bank einer von 332.000 Männern, die in der Krise eine neue Existenz gegründet haben. Diese Zahl ist gegenüber 2019 gesunken, um 58.000 auf 332.000. Dagegen blieb die Zahl der Gründerinnen mit einem Rückgang von 10.000 auf 205.000 nahezu stabil. Gründungen von Frauen machen somit 38 Prozent aller Existenzgründungen in Deutschland aus. Auch bei der Aufgabe des Geschäfts hinterließ die Pandemie im vergangenen Jahr Spuren. Etwa vier von zehn Gründerinnen und Gründern haben nach Erkenntnissen der KfW 2020 ihre selbstständige Tätigkeit binnen fünf Jahren nach Geschäftsaufnahme wieder beendet. Bei mehr als der Hälfte der Abbrüche war den Angaben zufolge die Corona-Krise entscheidend.