Bislang galt die Immuntherapie als wirksamstes Mittel gegen Katzenallergie, von der jeder zehnte Mensch betroffen ist. Nun haben Luxemburger Forscher einen neuen Schutzansatz auf Basis eines Adjuvans getauften Hilfsstoffs gefunden.
Katzen sind die beliebtesten Haustiere der Deutschen. Doch die Freude an den ebenso kuscheligen wie eigensinnigen Mitbewohnern kann schnell getrübt werden, wenn Herrchen oder Frauchen plötzlich feststellen müssen, dass sie allergisch auf die Liebsten reagieren. Generell können Menschen gegen zahlreiche Tierarten überempfindlich reagieren, aber die größten Probleme machen die Pelzträger – mit den Katzen an der Spitze. Deshalb kommt die Katzenallergie dreimal häufiger vor als die auf Hunde. Schätzungen zufolge soll jeder zehnte Mensch von einer Katzenallergie betroffen sein. Wie überhaupt Tiere, unter denen die Katze die bevorzugte Spezies speziell in Familien mit Kindern ist, gleich nach Pollen und Hausstaubmilben die dritthäufigsten Allergieauslöser sind.
Eine direkte Berührung muss nicht mal sein
Um gleich mal ein weit verbreitetes Missverständnis auszuräumen: Bei der Überempfindlichkeit handelt es sich nicht um eine „Katzenhaarallergie". Denn das Fell der Tiere ist nicht der Übeltäter, sondern ein darauf sitzendes Protein namens Fel d 1. Dieses Eiweiß wird über den Speichel der überaus reinlichen und sich ständig putzenden Tiere daher gleichmäßig über den Pelz verteilt. So kann es beim Kontakt mit dem Menschen die typischen allergischen Symptome wie Hautausschlag, Nesselsucht, Augentränen, Naselaufen, Kopfschmerzen bis hin zu Asthma auslösen. Die mikrokleinen Allergene können sich ausgehend vom Fell durch Bindung an Feinstaubpartikel im gesamten Wohnumfeld verteilen, weshalb Betroffene nicht einmal direkte Berührung mit den Katzen haben müssen.
Der gängige und bislang einzig wirksame Schutz gegen Katzenallergie ist eine klassische Allergen-Immuntherapie, die auch unter den Namen Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung bekannt ist. Bei bis zu 85 Prozent der Betroffenen schlägt diese Therapie an. Dabei werden über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren anfangs wöchentlich, später monatlich, stetig steigende Dosierungen des Katzenhauptallergens Fel d 1 unter die Haut gespritzt, damit sich der menschliche Körper durch Bildung von Antikörpern allmählich an den Fremdstoff gewöhnen und ihn schließlich tolerieren kann. Im Jahr 2019 konnten Immunbiologen der Universitäten Zürich und Bern um Prof. Martin Bachmann erste Hoffnungen auf einen alternativen Therapieansatz wecken, bei dem ein Impfstoff namens „Hypo-Cat" nicht mehr den Menschen, sondern den Katzen injiziert werden sollte. Dadurch sollten die Tiere selbst Antikörper gegen das Protein Fel d 1 entwickeln und damit die Allergieauslöser im eigenen Körper binden. Das laut den Forschern für die Tiere gut verträgliche Mittel wurde im Rahmen einer Studie an gut 70 Katzen durch dreimalige Verabreichung getestet. Danach konnten die Wissenschaftler durch Proben der Tränenflüssigkeit eine signifikante Reduzierung des Fel-d-1-Eiweißes nachweisen. „Wir nehmen das Allergen und machen daraus etwas, was wie ein Virus aussieht", so Prof. Martin Bachmann, „Dann denkt das Immunsystem der Katze, dass es ein Virus ist und entwickelt entsprechend eine starke Immunantwort dagegen – vor allem Antikörper – eben auch gegen das Fel d 1."
Die Schweizer Wissenschaftler kündigten 2019 an, dass sie den Impfstoff spätestens im Laufe von drei Jahren auf den Markt bringen wollten und bis dahin zusätzlich auch einen Impfstoff „Hypo-Dog" gegen Hundeallergie entwickeln wollten. Der Berliner Allergologe und Sprecher der deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie Prof. Jörg Kleine-Tebbe dämpfte allerdings mit Berufung auf das Tierwohl die Erwartungen von Katzenallergikern bezüglich einer Zulassung des Impfstoffs in Deutschland: „Der Nutzen für die Katze ist extrem schwer nachzuweisen. Außerdem ist noch nicht erforscht, wofür die Allergene im Organismus der Katze gut sind, ob sie der Katze nach einer Impfung fehlen, von daher betrachten wir das Ganze mit Skepsis."
Es besteht jedoch für Betroffene kein Anlass, den Kopf enttäuscht hängen zu lassen. Denn Ende 2020 hatten Forscher vom Department of Infection and Immunity am Luxembourg Institute of Health unter Leitung von Dr. Cathy Léonard einen neuen Vorstoß Richtung Bekämpfung der Katzenallergie gemacht und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen Anfang 2021 im Fachmagazin „Allergy" veröffentlicht. Ausgehend von der Beobachtung, dass bei schweren Ausprägungen der Katzenallergie die übliche Desensibilisierung nicht ausreichend Erfolge schaffen kann, haben sie eine Kombination der Allergen-Immuntherapie (AIT) mit einem Adjutans getauften Hilfsstoff entwickelt, der die immunstimulierende Wirkung des Impfstoffs verstärken kann. Neben der Injektion des Katzenhauptallergens Fel d 1 wurden in Versuchen mit Mäusen daher auch hohe Dosierungen des Adjutans Oligonukleotids CpG verabreicht.
Die Forscher gingen von der Annahme aus, dass eine AIT bei Katzenallergien am effektivsten greifen müsste, wenn zwar die Immunreaktion möglichst optimiert werden könnte, aber gleichzeitig die daraus womöglich resultierenden Entzündungsprozesse minimiert bleiben könnten. Die Kombination hatte die erwünschte verstärkte Immunantwort zur Folge, ohne unerwünscht starke Entzündungen oder allergische Reaktionen auszulösen. „Alle Hauptmerkmale der allergischen Reaktion wurden durch die Immuntherapie in Kombination mit hochdosiertem CpG aufgehoben", so Dr. Cathy Léonard.
Signifikant geringere allergische Anzeichen
Für ihre Untersuchungen arbeiteten die Wissenschaftler mit Mäusen, denen eine Katzenallergie angezüchtet worden war. Einem Teil der Tiere wurden das Allergen Fel d 1 sowie eine hohe Dosis des Adjuvans CpG injiziert, die Kontrollgruppe blieb unbehandelt. Dabei zeigte sich, dass die behandelten Mäuse signifikant geringere Anzeichen einer Entzündung der Atemwege und einer Hyperreaktivität aufwiesen, ebenso waren niedrigere Konzentrationen an proallergischen Molekülen und mit allergischen Reaktionen üblicherweise in Verbindung stehenden Antikörpern vorhanden, dafür gab es höhere Konzentrationen an Antikörpern mit entzündungshemmenden Eigenschaften.
Schließlich konnte auch noch eine Zunahme der an der Allergieregulation und -toleranz beteiligten Zellen registriert werden. „Wir zeigen zum ersten Mal", so der Direktor des Luxemburger Department of Infection and Immunity Prof. Markus Ollert, „dass die Verwendung der maximalen Dosis von CpG, die beim Menschen toleriert wird, die Fähigkeit hat, die allergische Reaktion zu modulieren, wenn sie mit dem Fel-d-1-Allergen kombiniert wird." Laut den Forschern kann ihre Therapie nicht nur bei bereits bestehenden Allergien für Abhilfe sorgen, sondern kann ähnlich wie ein klassischer Impfstoff auch vorbeugend genutzt werden.
Weitere Tierversuche sollen den Weg zu baldigen klinischen Studien am Menschen ebnen. „Aufgrund unserer Daten glauben wir, dass CpG nochmals als beim Menschen wirksames AIT-Adjuvans in Betracht gezogen werden sollte und unsere Arbeit die Grundlagen für die Entwicklung neuer und erfolgreicher immuntherapeutischer Behandlungen für Allergien schafft", so Prof. Markus Ollert.