Neuzugang Lukas Hüller will die Fäden in der Schaltzentrale des Handball-Drittligisten HG Saarlouis ziehen. Der Studenten-Europameister von 2018 freut sich auch schon auf das berüchtigte Saarlouiser Publikum und darauf, im Saarland Leute kennenzulernen, die jemanden kennen, den man kennt.
Handball-Drittligist HG Saarlouis hat einen neuen Spielmacher. Er heißt Lukas Hüller, ist 25 Jahre alt, macht gerade seinen Master in Sportwissenschaften und fährt in seiner Freizeit gern Motorrad. Vor allem fiebert der Rechtshänder aber dem Saisonstart Mitte September entgegen. „Mein Ziel ist schon seit Jahren, möglichst hochklassig zu spielen“, verrät er. Schon in den vergangenen vier Jahren beim Nord-West-Drittligisten SGSH Dragons hatte er versucht, den Schritt in die 2. Bundesliga zu schaffen. „Das ist mir leider nicht gelungen“, stellt Hüller ernüchtert fest. Er zog einen Berater hinzu und kam so auf die HG Saarlouis. „Weil es ein bekannter und ambitionierter Verein ist, wollte ich mir vor Ort ein Bild machen“, erklärt Hüller, der daraufhin zusammen mit seiner Freundin ins Saarland reiste: „Wir haben uns beide von Anfang an sehr wohlgefühlt. Da sich für meine Freundin die Möglichkeit ergeben hat, im Home-Office weiterzuarbeiten, habe ich diesen Schritt gemacht.“ Mit seiner besseren Hälfte hat er inzwischen eine Wohnung im Saarlouiser Zentrum bezogen hat – „mitten am Ring! Das habe ich anfangs gar nicht so wahrgenommen, aber je länger wir hier wohnen, umso mehr merkt man, wie zentral wir hier wirklich sind.“
Von Anfang an hat er sich im Saarland wohlgefühlt
Ursprünglich kommt Lukas Hüller vom Niederrhein. Geboren in Neuss, aufgewachsen ab dem vierten Lebensjahr in Nettetal bei Mönchengladbach direkt an der holländischen Grenze, machte er seine ersten Schritte in Sachen Handball beim TV Lobberich (damals: HSG Nettetal). „Meine Eltern haben selbst gespielt, auch meine Schwester ist Handballerin. Also war es fast schon selbstverständlich, dass ich auch sehr früh damit angefangen habe“, erinnert sich Hüller, „Ich habe immer mal wieder versucht, etwas anderes auszuprobieren. Ich habe auch eine Weile Tennis gespielt und gekickt – wenn auch nicht im Verein.“ Doch das Handball-Gen setzte sich durch: „Es stellte sich recht früh heraus, dass ich es ganz gut kann und so bin ich dem Handball treu geblieben – ich hatte ja eh keine Wahl. Meine Eltern hatten keine Lust, im Winter draußen in der Kälte am Fußballplatz zu stehen, um mir zuzuschauen“, sagt er und lacht. Mit ernster Stimme betont er: „Diese Sportart hat mich von Anfang an begeistert. Sie ist sehr abwechslungsreich und vor allem eine Mannschaftssportart. Hier habe ich Freunde gefunden, mit denen man gemeinsam etwas reißen und Erfolge feiern kann.“
Schon früh wechselte Hüller in die Jugendabteilung des Viertligisten TV Aldekerk, dessen Damenmannschaft gerade in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist. Dort wurde er durchgängig von seinem Vater trainiert. Nach einem Gastspiel in der A-Jugend-Bundesligamannschaft des Traditionsvereins TuSEM Essen zog Hüller für sein Sportwissenschaften-Studium nach Bochum und spielte die ersten drei Jahre als Aktiver für den TV Aldekerk in der Oberliga. Gleich in seinem ersten Jahr bei den Herren wurde er 2015 als 19-Jähriger mit dem TVA Meister, scheiterte aber in der Aufstiegs-Relegation zur 3. Liga am Longericher SC (21:26 und 30:31). „Diese Saison war einfach atemberaubend“, erinnert er sich, „Gerade die beiden Relegationsspiele. Die Hallen waren beide Male ausverkauft – das sind Erlebnisse, die man nie vergessen wird. Auch, wenn wir es letztlich nicht geschafft haben.“
2017 folgte schließlich der Wechsel zu den SG Schalksmühle-Halver (SGSH) Dragons in die 3. Liga West und seine bisher größten Erfolge als Handballer: Mit der Studenten-Auswahl der Ruhr Universität Bochum wurde Hüller zunächst 2017 Deutscher Meister und qualifizierte sich mit seinem Team für die European Universities Games, den Uni-Europameisterschaften 2018 in Portugal. Völlig überraschend holten sich die Bochumer dort den Titel und Hüller darf sich seither Europameister nennen. „Das war echt `ne coole Sache, damit hatte niemand gerechnet“, findet er, „Das war natürlich was anderes als Vereinshandball, aber bei den Franzosen, die wir im Halbfinale geschlagen hatten, spielten auch Erstligaspieler mit.“ In der folgenden Saison wurde er mit den SGSH Dragons Vizemeister der 3. Liga Nord West. Die abgebrochenen Spielzeiten 2019/20 und 2020/21 beendeten die Drachen auf dem vierten beziehungsweise dritten Platz. Überschneidungen mit der HG Saarlouis gab es aufgrund der räumlichen Distanz in Hüllers bisheriger Laufbahn nicht. „Mittlerweile habe ich festgestellt, dass manche Mitspieler mit Freunden oder Bekannten von mir befreundet sind“, erklärt er lachend. Er lernt also Leute kennen, die jemanden kennen, den er kennt – diese Erfahrung wird er bei längerer Aufenthaltsdauer im Saarland wohl noch öfter machen. Sein Vertrag mit der HG gilt für zwei Jahre.
Vorfreude auf Spiele vor über 1.000 Zuschauern
Auf dem Handballfeld ist Lukas Hüllers größte Stärke wohl die Schnelligkeit. Sowohl im Umschaltspiel als auch in Zweikämpfen, bei tiefen Läufen oder wenn es darum geht, schnell richtige Entscheidungen zu treffen. Zudem ist der Spielmacher keiner, der sich vor Verantwortung drückt: „Ich mag es, das Spiel in die Hand zu nehmen und meine Mannschaft in die richtige Richtung zu lenken. Das heißt nicht, dass ich derjenige sein muss, der das entscheidende Tor machen will“, erklärt er und ergänzt: „Ich bin eher derjenige, der die entscheidende Szene einleitet und meine Mitspieler in die richtige Position bringt.“ Verbesserungspotenzial sieht der 25-Jährige hingegen in seinem Abwehrspiel. „Das wurde in den letzten Jahren in der Tat etwas vernachlässigt“, gibt er zu, „Das lag allerdings auch an meiner Körpergröße und nicht etwa am ‚nicht Wollen‘ sondern eher am ‚nicht Dürfen‘.“ Das könnte sich in Saarlouis unter Philipp Kessler ändern. Der 36 Jahre junge HG-Trainer und frühere Zweitligaspieler war selbst jahrelang Abwehrchef und hat sicher gute Tipps für den Neuen parat. Von der Mannschaft fühlt sich Spielmacher Hüller „ganz angenehm aufgenommen.“ Um sein Ziel, möglichst viel Einsatzzeit zu erreichen, muss er nun zeigen, was er draufhat. „Ich bin ein Teamplayer und akzeptiere es, wenn die anderen einen bessern Tag haben. Aber ich werde immer alles versuchen, um so viel Einsatzminuten zu bekommen wie möglich“, stellt er klar.
Von der Stärke der für ihn neuen Drittliga-Staffel hat Hüller schon gehört, für eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit der HG reicht es allerdings noch nicht. Nur so viel: „Wir müssen zusehen, vom ersten Spiel an voll da zu sein“, sagt er und hofft auf lautstarke Unterstützung von den Rängen in der berüchtigten Stadtgartenhalle: „Ich habe schon gehört, dass hier immer einiges los ist, und dass es hier schon recht laut werden kann. In der 3. Liga einen Durchschnitt von über 1.000 Zuschauern pro Spiel zu haben, ist schon etwas Besonderes“, weiß er und ergänzt mit einem Funkeln in den Augen: „Ich bin total gespannt und freue mich riesig darauf.“