120 Millionen Euro investierte Straßburg in seine neuen Messeflächen. Die Stadt empfindet dies als deutliches Signal für beide Seiten des Rheins – was womöglich auch ein Problem für Saarbrückens Pläne bedeuten könnte. Ein Besuch im Parc des Expositions.
Jung und dynamisch, grün und betont umweltbewusst, gut erreichbar, innovativ und international – seit Anfang September verfügt die Europametropole Straßburg in Grand Est über ein erweitertes hochmodernes Messe- und Kongresszentrum direkt im Stadtzentrum. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Europa sollen künftig noch stärker in den Fokus rücken. Doch der Blick nach Deutschland geht über den Oberrhein Richtung Offenburg, Karlsruhe, Freiburg und Basel und weniger ins Saarland.
In der Landeshauptstadt Saarbrücken gibt man sich betont gelassen hinsichtlich einer möglichen neuen Konkurrenz zweier Messe- und Kongressstandorte, die gerade mal gut 100 Kilometer auseinanderliegen. „Das Einzugsgebiet der Messe Straßburg hat mit den Saarbrücker Messen nur geringe Schnittmengen", ist vom Congress-Centrum Saar zu hören. Die französischen Messegäste kämen zum überwiegenden Teil aus den angrenzenden Regionen, sprich Lothringen. „Deswegen gehen wir davon aus, dass die Neueröffnung des Messegeländes in Straßburg den Messestandort Saarbrücken nicht beeinflussen wird."
Saarbrücken bleibt gelassen
Das mag für reine Verbrauchermessen wie die einstige Saarmesse (oder was davon noch übriggeblieben ist) und die Europamesse in Straßburg gelten, aber für Spezialmessen und Sonderausstellungen mit entsprechenden Fachkongressen sieht die Welt anders aus. Und von diesem Kuchen möchte Saarbrücken künftig gerne ein Stückchen abbekommen – wie auch Straßburg. „Ein Schwerpunkt für die Nutzung des neuen Messegeländes werden neue Formate und Fachkongresse sein, allen voran in der Medizin, Medizintechnik und neuen Spitzentechnologien wie Laseranwendungen", erklärt Claude Feurer, Vorsitzender des Verwaltungsrats des Strasbourg Convention Bureau. Trennen könne man Kongresse mit Fachpublikum und die dazugehörigen Ausstellungen sowieso nicht mehr, denn schon aus finanziellen Gründen bedingten sie sich gegenseitig. „Aber auch das Umfeld und die Infrastruktur müssen stimmen", so Feurer weiter.
Und da hat Straßburg mit dem neuen Veranstaltungskomplex unter der Regie des japanischen Stararchitekten Kengo Kuma einfach einen Meilenstein gesetzt und nicht gekleckert, sondern geklotzt: Rund 120 Millionen Euro Investitionen, davon 90 Millionen Euro von der Eurométropole de Strasbourg, 24.000 Quadratmeter zusätzliche Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche zu den insgesamt 75.000 Quadratmetern inklusive des bestehenden Palais de la Musique et des Congrès, verteilt auf fünf flexibel gestaltbare Hallen für große, mittlere und kleine Events, mit Ruhezonen, Lounges, Bars und Rückzugsmöglichkeiten für Besprechungen, dazu modernste Technik in den jeweiligen Räumen.
Das Umfeld in Straßburg passt sowieso, denn die Europametropole mit ihren knapp 300.000 Einwohnern in der Kernstadt und 800.000 mit Vororten ist eine junge Stadt mit 65.000 Studenten, einer renommierten Universitätslandschaft aller Fachrichtungen, allen voran im Medizinbereich auf Nobelpreis-Niveau, mit elf internationalen Institutionen wie dem Europarat und dem Europaparlament, einer neuen zukunftsorientierten ökologischen Ausrichtung wie Vorrang für das Fahrrad – mittlerweile gilt Straßburg als Fahrradstadt Nummer eins in Frankreich –, einem Straßenbahnnetz im Minutentakt mit Park-und-Ride-Plätzen in den Vororten und der Konzentration auf nachhaltiges, energieeffizientes Bauen in neuen Wohn- und Arbeitsvierteln. Die neuen Messehallen werden durch Wärmepumpen mit Umweltwärme beheizt und mit Strom aus PhotovoltaikÂanlagen versorgt; das Holz für die Gebäude stammt aus den Vogesen und sorgt durch die Bauweise je nach Jahreszeit für Kühle oder Wärme. Straßburg will weiter punkten: als grüne Stadt mit vielen Parkanlagen, begünstigt durch den Fluss Ill und dessen Seitenarme, seine gute Erreichbarkeit und Infrastruktur mit Rheinhafen, Flughafen, TGV-Verbindung nach Frankfurt, München und Paris und Autobahnanbindung, fast 11.000 Hotelbetten, Gastronomieszene sowie Freizeitangebot.
„Kooperation ausbaufähig"
Mag der Vergleich zwischen Straßburg und Saarbrücken auch hinken, da die finanziellen und wirtschaftlichen Voraussetzungen andere sind, etwas Orientierung am Nachbarn schadet sicher nicht: Saarbrücken sieht sich gern als die französischste Stadt Deutschlands, aber Straßburg hält sich umgekehrt für die deutscheste Stadt Frankreichs und rühmt sich heute beider kultureller Einflüsse. Das war nicht immer so. Erst in den letzten Jahren entdeckte die Stadt verstärkt die Öffnung über den Rhein, der bislang nur als natürliche Grenze zu Deutschland gesehen wurde.
Der Ausbau des Rheinhafens zum zweitgrößten Binnenhafen nach Duisburg, die Weiterentwicklung neuer Ökoquartiere unter dem Label „les deux rives", rund 200 Millionen Euro Investitionen allein für Tourismus- und Messeentwicklung in den letzten fünf Jahren trotz Corona-Pandemie, Ukrainekrieg und den damit verbundenen Schwierigkeiten machen deutlich, wohin Straßburg will. „Die Kooperation mit Deutschland ist weiter ausbaufähig und ein wichtiger Trumpf für unsere Stadt im internationalen Standortwettbewerb", betont Claude Feurer. Auch wenn die grenznahe Zusammenarbeit zwischen Grand Est, Saarland, Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Wallonien von den Regionalpolitikern in ihren Sonntagsreden gern betont wird – Straßburg blickt doch eher auf das reichere Baden-Württemberg auf der anderen Rheinseite und weniger in die saarländische Richtung.
Eine Zusammenarbeit im Messe- und Kongressbereich gibt es aus Straßburger Sicht in der Region allenfalls mit Metz, das sich ebenfalls in den letzten Jahren in diesem Bereich neu aufgestellt hat, und weniger mit dem Saarland und Luxemburg. Die Elsässer seien auf jeden Fall stolz auf ihre Stadt, ihren wirtschaftlichen Erfolg, so Claude Feurer. Eine starke Identität des Elsass ist in einem zentralistisch regierten Frankreich wohl auch nötig, um sich sowohl national als auch international Gehör zu verschaffen. Vielleicht ist es das, was das Saarland vom Elsass lernen kann: das Besinnen auf die eigenen vorhandenen Stärken.