Kunstturn-Bundesligist TG Saar will 2023 das kleine Finale erreichen. Das gelang eigentlich schon 2022, doch eine kuriose Entscheidung am grünen Tisch verhinderte die Teilnahme.
Die Revanche ist geglückt. Mit dem 38:26 (8:4 Gerätepunkte)-Heimerfolg gegen Rekordmeister SC Cottbus ist die TG Saar gut in die neue Saison der Kunstturn-Bundesliga gestartet. Noch vor einem Jahr war das ganz anders: Da kamen die Saarländer, immerhin Deutscher Meister von 2020, beim späteren Vizemeister mit 25:57 und 0:12 Gerätepunkten unter die Räder. „Das war aus mentaler Sicht ein sehr wichtiger Sieg. Zum einen gibt er uns gleich zu Beginn der Saison Selbstvertrauen, zum anderen konnten wir die offene Rechnung begleichen“, sagte der TG Saar-Vorsitzende Thorsten Michels nach dem Ligaauftakt in der Dillinger Kreissporthalle.
Aufgrund des mit nationalen und internationalen Wettkämpfen voll bepackten Rahmenterminkalenders startete die Bundesliga-Saison 2023 schon sehr früh. Der zweite Wettkampftag findet allerdings erst am 22. April statt, wenn die TG Saar beim TV Wetzgau zu Gast ist. „In den sieben Wochen seit dem Auftakt kann also sehr viel passieren. Damit haben aber alle Mannschaften zu kämpfen“, merkt Michels an. Dazwischen liegen nämlich unter anderem der Weltcup in Baku/Aserbaidschan (9. bis 12. März), die Junioren-Weltmeisterschaft (29. März bis 2. April) und die Europameisterschaft (11. bis 16. April) – beides in Antalya/Türkei. Nach dem dritten Bundesliga-Wettkampftag am 29. April, an dem die KTV Straubenhardt im Saarland gastiert, pausiert die Liga bis zum 21. Oktober. Das Finale der Deutschen Turnliga steigt am 2. Dezember 2023 in der Ratiopharm Arena in Neu-Ulm.
Sieben Wochen bis zum zweiten Wettkampf
Nicht ganz so viel passiert ist in Sachen Kaderplanung. Die Mannschaft der TG Saar ist im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert und nach eigenen Angaben erneut eine der jüngsten in der Bundesliga. „Die 2022 stattgefundene Neuformierung und das enorme Potenzial des Teams wird uns in diesem Jahr viel Freude bereiten. Die Jungs werden enger zusammenwachsen und zusammenstehen. Dabei wird das Kollektiv der Grundstein für den Erfolg sein“, prophezeit x. Einzig auf Mehrkampf-Europameister Joe Fraser (24) aus England müssen die Saarländer vorerst verzichten. Nachdem 2021 bereits seine rechte Schulter operiert werden musste, war vor Kurzem die linke dran, und Fraser wird für die Wettkämpfe im Frühjahr nicht zur Verfügung stehen. Als Back-up wurde deshalb der mehrfache griechische Meister und Weltmeisterschafts-19. von 2021 im Mehrkampf, Nikolaos Iliopoulos (29), verpflichtet.
Angeführt wird der TG-Kader erneut vom deutschen Nationalturner Felix Remuta (25). Der armenische Ringe-Spezialist Artur Avetisyan (25), der italienische Mehrkämpfer Matteo Levantesi (25) und der Franzose Benjamin Osberger (21) besetzen zusammen mit dem noch fehlenden Fraser die Ausländer-Positionen. Darüber hinaus gehören bewährte Kräfte wie Alexander Maier (28), Waldemar Eichorn (36), Stefanos Tsolakidis (23), Florian Lindner (31), Luca Ehrmanntraut (26) sowie die deutschen Toptalente Daniel Mousichidis (17), Maxim Kovalenko (18), Gabriel Eichhorn (17) und Moritz Steinmetz (17) zum Kader von Trainer Eugen Spiridonov. Während Maier, der für die Vorbereitung auf seine Abschlussprüfung bei der Bundespolizei in Trainingsrückstand geriet, und Gabriel Eichhorn nach seinem Fußbruch im vergangenen Jahr noch nicht wieder bei 100 Prozent Leistungsfähigkeit angekommen sind, wird Remuta „an dem einen oder anderen Gerät“ zurückkommen. Auch der 25-jährige Sprung- und Boden-Spezialist wurde zuvor an der Schulter operiert.
Dass sie sich schon früh in Topform befinden, haben die Ausländer der TG Saar schon vor dem ersten Ligakampf bewiesen: Bei der traditionellen Weltcup-Veranstaltung „Turnier der Meister“ in Cottbus sicherte sich der Italiener Matteo Levantesi am Barren die Silbermedaille. „Und das mit einer echt geilen Übung“, betont Thorsten Michels und verweist auf den Schwierigkeitsgrad von 6,5 und den Endwert von 15,266. Auch Artur Avetisyan war in Cottbus erfolgreich und holte an seinem Paradegerät, den Ringen, Bronze. Der Franzose Benjamin Osberger schrammte als Vierter im Boden-Finale nur knapp an einem Medaillenrang vorbei.
Ende März wollen auch einige der Jüngsten im Team auf Medaillenjagd gehen. Und zwar bei der Junioren-Weltmeisterschaft in der Türkei – vorausgesetzt, sie qualifizieren sich. Jedenfalls ruhen auf den Junioren-Nationalturnern Daniel Mousichidis (Jugend-Europameister 2022 am Boden), Maxim Kovalenko, Gabriel Eichhorn und Moritz Steinmetz nach ihrer vielversprechenden Bundesliga-Premierensaison 2022 große Hoffnungen. „Sie arbeiten an neuen Programmen mit neuen, schwereren Elementen. Inwieweit sie diese schon im ersten Wettkampf abrufen können, wird sich zeigen. Aber so oder so werden sie sich im Laufe der Saison steigern“, ist Michels sicher.
Steigerung im Laufe der Saison
Nachdem die Bundesliga-Saison 2022 von einer hohen Leistungsdichte geprägt war und die Teilnahme an der Endrunde erst nach dem letzten Wettkampftag – und dann auch noch am grünen Tisch entschieden wurde, gibt es 2023 einen klaren Titelanwärter: die KTV Straubenhardt. „Durch die Verpflichtung von Nils Dunkel und Lukas Dauser sind sie für mich der klare Meisterschaftsfavorit. Wenn sie topbesetzt antreten, sind sie meiner Meinung nach kaum zu schlagen“, findet Thorsten Michels. Schließlich seien auch die nach Verletzungen zurückgekehrten Karim Rida und Nick Klessing wie Verstärkungen zu betrachten. Ihre Nationalmannschaftskollegen Dunkel und Dauser, der bis 2021 noch für die TG Saar turnte, kamen vom amtierenden Meister TuS Vinnhorst. Demnach reiht sich Vinnhorst zusammen mit der TG Saar, Cottbus und dem TV Wetzgau in die Riege der Verfolger, die um die Teilnahme im großen (Tabellen-Erster gegen Zweiter) und kleinen Finale (Dritter gegen Vierter) kämpfen. Der StTV Singen, der TSV Pfuhl und Aufsteiger Eintracht Frankfurt komplettieren die Liga. Thorsten Michels sieht seine TG mit den genannten direkten Konkurrenten „auf Augenhöhe. Aber wir wollen dieses Jahr unbedingt ins kleine Finale.“
Das gelang der TG Saar schon 2022. Doch nach einer so kuriosen wie kurzfristigen Entwicklung flogen die Saarländer wieder raus: Der TV Wetzgau hatte zunächst wegen unsportlichen Verhaltens der Gastgeber Einspruch gegen die Wertung seiner 31:38-Niederlage bei der KTV Straubenhardt eingelegt. Die Abteilungsleitung der Deutschen Turnliga (DTL) bestrafte die KTV mit zwei Minuspunkten, worauf die TG Saar in der Tabelle an Straubenhardt vorbei auf „Finalplatz“ vier zog. Doch kurz vor dem Wettkampf zog Wetzgau seinen Einspruch zurück, und alles blieb beim Alten. Die Saarländer haben also eine weitere offene Rechnung zu begleichen.