Fantastic Moon: Der umjubelte Sieger im diesjährigen Deutschen Galopp-Derby ist als junges Pferd beim Pre-Training im Saarland für seine Rennkarriere vorbereitet worden. In Saarbrücken stehen zum spannenden Saison-Höhepunkt, dem Lotto-Renntag am 15. August, gleich zwei Jubiläen bevor: 75 Jahre Rennbahn Güdingen und 40 Jahre Stall Saarbrücken.
Als beim Galopp-Derby in Hamburg, dem mit 650.000 Euro höchstdotierten deutschen Pferderennen, der dreijährige Hengst Fantastic Moon unter Jockey René Piechulek als Erster die Ziellinie passiert, reißt auch Nastasja Volz-Degel in dem von ihr geleiteten Gestüt Ohlerweilerhof im saarländischen St. Wendel-Dörrenbach jubelnd die Arme hoch. Im Rennfernsehen hat sie gerade miterlebt, wie sich der Derbysieger nach einer Aufholjagd gegen 19 andere Pferde durchsetzt. Und alle vier Erstplatzierten (!) im Derby sind einst als junge noch unerfahrene Pferde beim sogenannten Pre-Training auf dem Gestüt Ohlerweilerhof für Rennen vorbereitet und hier auf 120 Hektar Weideland im grünen Saarland erstmals an Sattel und Trense gewöhnt worden. Der Branchenverband Deutscher Galopp interviewt die früher selbst Rennreiterin gewesene Volz-Degel dazu in einem knapp einstündigen Podcast, lässt sie Details erzählen und titelt süffisant-amüsant: „Obergeilerhof“.
Einzige weibliche Doppelspitze
Als gemeinsame Vorstandsmitglieder führen die 38-jährige Nastasja Volz-Degel und ihre Mitstreiterin Tanja Hauch seit November 2021 auch den Rennclub Saarbrücken mit der Bahn in Güdingen. Sie sind die erste und einzige weibliche Doppelspitze im deutschen Galopprennsport und sollen mit für frischen Wind in der Turfszene sorgen. Ziel ist es, Pferderennbahnen nicht nur für Sportfans, sondern auch für ganze Familien samt Kindern attraktiver zu machen. So gibt es bei den Renntagen in Saarbrücken auch schon mal Islandpferde-, Minitrab- und Steckenpferderennen sowie das elektronische Rennpferd „Emil“ zum Üben für den möglichen Jockey-Nachwuchs. Der langjährige Saarbrücker Galopper-Chef Werner Schmeer (80) selbst hat die beiden jungen Frauen für die Vereinsspitze mit vorgeschlagen.
Die noch von Schmeers Vater und Großvater auf einem trockengelegten Sumpfgelände erbaute Rennbahn in Güdingen erlebte vor 75 Jahren, am 12. September 1948, ihr erstes Rennen. „Waldfee“ hieß damals der erste Sieger der nahe der Saar unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze gelegenen Turfbahn mit ihrem bis heute ganz besonderen Charme. Zum Tag des Pferdes auf den Güdinger Wiesen gab es damals sogar eigens Postkarten und Sonderbriefmarken. 1955 sorgte der bis heute ungebrochene Besucherrekord in Güdingen von 25.000 Zuschauern beim Ritt des Vertrauten von Englands Prinzessin Margaret, Fliegeroberst Peter Townsend, für Schlagzeilen. Später dann auch viele Spitzenjockey-Ritte, ein Araberpferde- und Kamelrennen sowie andere Events zwischen Hufeisen, Fallschirmspringern und Autoshows. Zu den vielen Höhen und Tiefen der immer wieder modernisierten Rennbahn samt Tribüne und Gastrozelt heute zählten allerdings auch Überschwemmung und Hochwasserkatastrophe 1993 sowie die Corona-Pandemie samt dem damals dennoch im Lockdown durchgeführten Renntag mit strikter Besucherbeschränkung.
Zur außergewöhnlichen Erfolgsstory von „Galopperglück made im Saarland“ gehört auch der vor 40 Jahren gegründete „Stall Saarbrücken“, der beim nächsten Renntag an Mariä Himmelfahrt, 15. August, in Güdingen sein Jubiläum feiert. 1983 hoben Amateurrennreiter Werner Schmeer (237 Siege in 793 Rennen), der langjährige Rennclub-Geschäftsführer Wolfgang Lauff, sowie Prominente wie der damalige „Mister Sportschau“-ARD-Fernsehmoderator Werner Zimmer oder Napoleon-Sekt-Unternehmer Rolf Herzberger, Gastronom Hans-Jürgen Lohöfer und andere eine der ältesten deutschen Besitzergemeinschaften aus der Taufe. 130 Siege von Stallpferden wie dem Rekordgewinner Sky Crusader oder auch dem als erstes Rennpferd aus der damaligen DDR erworbenen Socrates stehen bis heute auf der Erfolgsliste – errungen auf so berühmten Rennbahnen wie in Baden-Baden, dem französischen Deauville oder auch in Spanien.
Das letzte große Erfolgspferd des Stalles, die fünfjährige Stute Dynamite Star (Dritter im Silbernen Band der Ruhr als mit 4.000 Meter längstem Galopprennen in Deutschland) ist gerade in die Zucht gegangen. Zum engeren Freundeskreis des Stalles Saarbrücken gehören auch der im Saarland groß gewordene deutsche Spitzenjockey und Derby-Sieger von 2017, Maxim Pecheur und dessen Vater. Und im Gestüt von Rennclub-Präsidentin sowie Ex-Vizeweltmeisterin Nastasja Volz-Degel hat auch die derzeit um den Weltmeistertitel der Amateurrennreiter mit konkurrierende junge Marie Gast schon auf dem späteren Derbysieger-Pferd gesessen.
Erfolgspferd in die Zucht gegangen
Etwa 130 Renntage stehen laut Verband Deutscher Galopp in diesem Jahr bundesweit auf dem Programm. Dabei rangieren Galopprennen hinter Fußball und Formel 1 weiterhin ganz weit vorn in der Zuschauergunst. Zig-Zehntausende Besucher sorgen für alljährliche Millionen-Wettumsätze in Deutschland. Doch Frauke Delius vom Internet-Portal Turf Times weiß: „Die Wettumsätze reichen dennoch nicht aus, das alles zu finanzieren“. Gesucht werden allerorts – auch in Saarbrücken – dringend Sponsoren zur Finanzierung und Aufstockung der Rennpreise. Ansonsten gehen die Zahl der Pferdebesitzer und Züchter und somit auch die Starter auf immer weniger Rennbahnen weiter zurück. In Lebach, wo einst das traditionelle Grüne Band der Saar ausgeritten wurde, gibt es heute ebenso wie in Blieskastel-Webenheim oder früher in Heiligenwald für die Traber schon gar keine Rennen mehr. Auch andere Rennbahnen sind schon auf der Strecke geblieben. Warum? Frauke Delius erklärt: „In Katar gibt es in einem einzigen mit 20 Millionen Dollar dotierten Rennen so viel zu gewinnen wie in Deutschland bei allen Rennen in einem ganzen Jahr.“
Dennoch dürfen sich die Besucher auch beim Jubiläumsrenntag in Güdingen am Feiertag Mariä Himmelfahrt wieder auf packende Rennen mit viel Freizeit-Flair drumherum, Wettgewinne und eine Pechvögel-Verlosung freuen. „Die Rennbahn ist an diesem Dienstag einer der schönsten Orte zum Verweilen mit spannender Unterhaltung und bester Stimmung“, verspricht der Rennclub. So ist auch eine Autogrammstunde mit Fußballern der in die 2. Bundesliga aufgestiegenen und von Ursapharm gesponserten SV Elversberg auf der Rennbahn geplant. Partner und Unterstützer des Renntages sind Saartoto, die Saarland-Spielbanken und das Saar-Ministerium für Inneres, Bauen und Sport.