Im kommenden Jahr wird der 250. Geburtstag Caspar David Friedrichs mit vielen Sonderausstellungen gefeiert. Den Auftakt macht schon jetzt Winterthur in der Schweiz.
In der einstigen Industriestadt zeigt das Kunst Museum Winterthur am Stadtgarten nicht nur Werke von Caspar David Friedrich selbst, sondern auch die „Vorboten der Romantik“. Darunter sind Werke seiner Vorgänger und Zeitgenossen, von denen einige Friedrichs besondere Begabung für die Landschaftsmalerei rasch erkannten und den jungen Künstler weiter ausbildeten.
Begrüßt werden die Ausstellungsbesucherinnen und -besucher vom „Wanderer über dem Nebelmeer“, hier allerdings auf Stoff gedruckt. Das um 1817 entstandene Gemälde, eines der bekanntesten von Caspar David Friedrich, ist im Museum dann im Original zu sehen. Schon hier fällt auf, dass der Künstler seine „Identifikationsfiguren“ auf den Gemälden meist von hinten zeigte. Auch der „Wanderer“ steht mit dem Rücken zum Betrachter gewandt, unklar bleibt für diesen daher, mit welchen Emotionen der Mann auf die Nebelschwaden, die umgebende Landschaft blickt.
Besondere Begabung für Landschaftsmalerei
Das Star-Objekt der Ausstellung ist jedoch das gleich am Saaleingang platzierte Werk „Kreidefelsen auf Rügen“ von 1818. Das wurde erst im Jahr 1920 wiedergefunden. Als eine Prüfung ergab, dass es Caspar David Friedrich gemalt hatte, kaufte es der Mäzen und Kunstsammler Oskar Reinhart, der später seine wertvollen Bilder dem Museum in Winterthur vermachte. Heute ist es das womöglich populärste Werk des romantischen Malers, auch in der Winterthurer Ausstellung. Vielleicht wegen der kunstvoll changierenden Himmeleinfärbung, den Details wie den winzigen Segelbooten, aber auch wegen der drei Menschen im Vordergrund. Links sitzt eine junge Frau im roten Kleid und streckt die Hand nach einem alten Mann auf dem Boden aus. Sein Stock liegt neben ihm, ist er gestürzt? Nein, sagt die Ausstellungsführerin. Bei dem liegend dargestellten Mann handle es sich um den Vater von Caspar David Friedrich, dessen Naturverbundenheit der Maler auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollte.
Caspar steht vorne rechts auf dem Gemälde, schaut aufs Wasser und kehrt den beiden anderen ebenso den Rücken zu wie den Betrachtern. Was verwundert, denn die Frau im roten Kleid ist Friedrichs fast 20 Jahre jüngere Frau Christiane Caroline Bommer, das Gemälde entstand kurz nach der Hochzeit der beiden im Januar 1818.
Friedrich war, als er heiratete, schon 42 Jahre alt. Seine Freunde überraschte dieser Schritt. Immerhin hatte sich Caspar David erst zur Familiengründung entschlossen, als er Mitglied der Dresdner Akademie wurde und 150 Taler verdiente.
Helene von Kügelgen, die Frau seines Freundes Gerhard von Kügelgen, sprach von Friedrich als dem „Unpaarsten aller Unpaaren“, was sich schnell bewahrheitete. Zwar hatten Caspar David und Christiane Caroline bald drei Kinder, doch die Familie musste häufig unter Depressionen des Malers und damit verbundenen Gewalttätigkeiten leiden. „Dass er melancholisch und depressiv war, ist gar keine Frage“, schreibt sein Biograf Werner Busch. War das vielleicht den Ereignissen in seiner Kindheit zuzuschreiben? Als Sechsjähriger verlor Caspar David seine Mutter. Eine Schwester starb an Fleckfieber und sein älterer Bruder nach Caspars Rettung, als der ins Eis eingebrochen war. Zudem soll Friedrich auch einen Selbstmordversuch unternommen haben.
Insofern wundert es nicht, dass viele von Friedrichs Gemälden in der Winterthurer Ausstellung eher dunkel wirken. Lediglich „Der Watzmann“ von 1824/25 zeigt von der Sonne beleuchtete Gipfel. Dieses Werk aus Friedrichs Bergmalerei, eine Leihgabe aus der Berliner Nationalgalerie, empfinden die Schweizer als einen „krönenden Höhepunkt“. Düster und melancholisch wirken dagegen das „Hünengrab im Schnee“ und das „Kreuz auf Rügen“, das Friedrich als religiösen Menschen kennzeichnet. Ob aber „Mann und Frau bei Betrachtung des Mondes“ reinste Romantik vermitteln sollen, ist die Frage. Ohnehin streiten die Experten nach wie vor darüber, was Friedrichs Bilder ausdrücken sollen.
Protest gegen die Klassik
Seine düsteren Bilder seien ein Protest gegen die Klassik gewesen, so erzählt es die Ausstellungsführerin. Vor allem die Vorliebe vieler Zeitgenossen für die helle und lebensfrohe italienische Malerei, die damals in Mode war, habe Friedrich gehasst. Also malte er auf „nordische Art“, wie es einige nannten, und auf diese Weise revolutionierte Caspar David Friedrich auch die Landschaftsmalerei. Nicht das Gesehene auf Papier zu kopieren, war sein Ziel. Vielmehr sollte daraus eine Geschichte entstehen.
Verständnis für seine andersartige Malerei fand Friedrich beispielsweise bei Goethe, Clemens Brentano und Heinrich von Kleist, die sich begeistert über seine Arbeiten äußerten. Schließlich kaufte sogar Zar Nikolaus I. einige Werke an. Als jedoch das allgemeine Interesse verebbte und Friedrich krank wurde, ging es mit ihm langsam bergab. Ohne seinen Förderer, den russischen Kunstsammler Wassili Andrejewitsch Schukowski, hätte Friedrich nach zwei Schlaganfällen in seinen letzten Lebensjahren Bankrott gemacht. Doch auch trotz Schukowskis Ankäufen starb er bitterarm in Dresden am 7. Mai 1840. Nach einem Bittbrief an den Zaren wurde seine Witwe schließlich wie zuvor ihr Mann vom russischen Herrscher unterstützt.
Gekonnt sind die großartigen und doch oft melancholisch wirkenden Werke Friedrichs im Kunst Museum Winterthur in Szene gesetzt worden, doch nach den dunklen Farben kann ein wenig Kontrast nicht schaden. Den gibt es auf Winterthurs Sulzerareal. Das Gewerbegelände wurde nach der Pleite des einst weltweit erfolgreichen Unternehmens der Gebrüder Sulzer saniert und umgestaltet. Jetzt residieren in den Hallen Zweige der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft (ZHAW) und der ETH (Eidgenössische Technische Hochschule). Dazu leuchtet die Hochschulbibliothek in Rot und Weiß, neues Wohnen, Gastronomie, Wissenschaft und Kultur gehen hier eine Symbiose ein, die ein buntgemischtes Publikum anzieht.
Doch zurück zu Caspar David Friedrich, dessen Jubiläum im kommenden Jahr in vielen deutschen Städten mit großen Ausstellungen gefeiert wird: Im Dezember wird eine Schau unter dem Titel „Kunst für eine neue Zeit“ in der Hamburger Kunsthalle eröffnet und in den folgenden Monaten schließen sich Berlin, Greifswald und Dresden an.