Er verspricht Orientierung im Label-Dschungel: der Grüne Knopf, das neue staatliche Siegel für nachhaltige Textilien. Erste große Unternehmen erwägen seine Einführung. Kritiker wenden ein, dass allein schon die Produktion in Europa automatisch zu dem neuen Gütezeichen führt.
Der „Grüne Knopf", das neue Siegel für nachhaltige Textilien von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), ist anscheinend auf der Zielgeraden: Erste Unternehmen sagen, dass sie wohl mitmachen oder die Teilnahme ernsthaft in Erwägung ziehen. Der Grüne Knopf soll in den Geschäften Produkte mit besonderer ökologischer und sozialer Qualität für die Verbraucher sichtbarer machen.
„Lidl Deutschland steht der Idee des Grünen Knopfes aufgeschlossen gegenüber", so eine Sprecherin des Discounters. „Wir können uns vorstellen, ihn umzusetzen", erklärte die Outdoor-Bekleidungsfirma Vaude. Die Einzelhandelsketten Kik und Tchibo haben unter bestimmten Bedingungen ebenfalls Interesse. Außerdem sollen sich Hess Natur, Otto und Rewe an den vorbereitenden Diskussionen beteiligt haben. Diese Firmen wollten aber keinen Kommentar abgeben. Müller sagte kürzlich, er starte im kommenden Juli mit zunächst zehn Unternehmen.
„Der Grüne Knopf ist ein staatliches Meta-Siegel für sozial und ökologisch nachhaltig produzierte Textilien", heißt es im 36-seitigen Konzept aus dem Entwicklungsministerium. Darin werden die „Strukturen, Prozesse und Kriterien" festgelegt.
So müssen teilnehmende Firmen einerseits Voraussetzungen auf Unternehmensebene erfüllen. Diese orientieren sich am Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte. Beispielsweise sollen sie kontrollieren, dass die sozialen Rechte der Beschäftigten auch in ihren ausländischen Zulieferfabriken eingehalten werden. Jedes Unternehmen ist verpflichtet einen „Beschwerdemechanismus" einzuführen, damit die Arbeiter zu ihrem Recht kommen, ohne Angst vor Repressalien haben zu müssen.
Zusätzlich sollen die mit dem Grünen Knopf ausgezeichneten Produkte einige Bedingungen einhalten, die bislang durch bereits existierende Siegel wie Gots, Best, Fair Wear oder Fairtrade bescheinigt werden. Gots steht beispielsweise für die ökologische Qualität der Baumwolle. Das Fair Wear-Siegel besagt unter anderem, dass die Bezahlung der Beschäftigten sich in Richtung existenzsichernder Löhne bewegt. Unklar ist, ob ein Siegel reichen wird, oder ob mehrere Zertifikate für ökologische und soziale Qualität kombiniert werden müssen.
Müllers Konzept umfasst 36 Seiten
Aber auch Textilhändler, die solche Siegel bisher nicht verwenden, können den Grünen Knopf erhalten – wenn sie die Nachhaltigkeit ihrer Produktion einzeln nachweisen. Unter den dafür genannten Kriterien ist von existenzsichernden, also ausreichenden Löhnen jedoch keine Rede. Erwähnt hat das Ministerium nur, dass die „gesetzlichen Mindestlöhne" der Produktionsländer einzuhalten sind. Diese liegen allerdings oft zu niedrig, um den Arbeitern ein vernünftiges Leben zu ermöglichen.
„Die Kriterien sind noch zu vage", kritisierte deshalb Gisela Burckhardt von der Kampagne für saubere Kleidung. Außerdem sei es nicht akzeptabel, dass Produkte, die innerhalb der EU gefertigt werden, automatisch den Grünen Knopf erhalten könnten. Burckhardt verwies auf die teils schlechten Arbeitsbedingungen in Bulgarien und Rumänien. Weiter betonte sie, dass Müllers Siegel vorläufig nur für den letzten Schritt der Textilproduktion, die sogenannte Konfektionierung, gelte.
Weil das neue staatliche Siegel vornehmlich bescheinigt, dass bereits existierende Zertifikate eingehalten werden, bringt es allein keine zusätzliche ökologische und soziale Qualität. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Fabriken verbessern sich nicht unbedingt, wenn der Grüne Knopf an einer Jeans hängt. Müllers Siegel kann allerdings dazu beitragen, dass nachhaltige Produkte vermehrt gekauft werden. Dadurch mag sich der Markt für sozial- und umweltverträgliche Textilien vergrößern. So heißt es im Konzept des Ministeriums: „Der Grüne Knopf soll den Verbrauchern beim Einkauf Orientierung geben."
Daran hapert es bisher. Textilhändler zeichnen die Produkte in ihren Geschäften mit zahlreichen unterschiedlichen Zertifikaten aus, die nicht selten viel versprechen, aber wenig halten. Um etwas Übersichtlichkeit zu schaffen, betreibt das Entwicklungsministerium bereits die Internetseite www.siegelklarheit.de: Verbraucher können dort nachschauen, welche Siegel wirklich soziale und ökologische Qualität anzeigen. Elf Zertifikate hat das Ministerium als „sehr gut" eingestuft, darunter Fair Wear, Fairtrade, Gots, Naturland und Naturtextil. Vier weitere erhalten das Prädikat „gut". Diese Vielfalt soll der Grüne Knopf zusammenfassen.
Wer sich beim Einkaufen umschaut, kann den Eindruck gewinnen, dass viele Textilhändler ihre Sortimente mittlerweile flächendeckend auf nachhaltige Waren umstellen. Einige tun tatsächlich etwas. So hat Tchibo den Anteil von Biobaumwolle am gesamten Angebot mittlerweile auf 86 Prozent angehoben. Ketten wie C&A oder H&M erwecken ebenfalls den Eindruck, nachhaltige Textilien stünden bei ihnen hoch im Kurs. Außerdem haben sich in den besten Lagen der Großstädte hippe Zeitgeistläden wie Nudie-Jeans aus Schweden etabliert.
Viele Textilhändler setzen bereits auf Nachhaltigkeit
Insgesamt ist die Bedeutung der Gutes-Gewissen-Produkte für den Gesamtmarkt jedoch gering. So bezifferte das Umweltbundesamt den Anteil von Textilien mit dem Gots-Siegel in einer Untersuchung von 2017 auf sage und schreibe 0,05 Prozent. Rechnet man andere ökologische Qualitätszertifikate hinzu, ist es mehr – allerdings wird nun mal insgesamt nur ein Prozent der Baumwolle weltweit biologisch angebaut und hergestellt. Ähnlich sieht es bei sozialverträglichen Textilien aus. Nur etwa 0,2 Prozent der hierzulande verkauften Stücke kommen aus Fabriken, deren Besitzer beispielsweise vernünftige Löhne, Gewerkschaftsfreiheit und Arbeitsschutz garantieren.
Ein Grund für das geringe Angebot ist der mangelnde Nachschub. Während Biobaumwolle oft von kleinen Produzenten geliefert wird, kommt der Löwenanteil des Rohstoffs weltweit von den riesigen Monokulturen landwirtschaftlicher Großbetriebe. Diese beherrschen den Markt. Der Anteil ökologischer Baumwolle lässt sich nicht beliebig steigern.
Außerdem sind die globalen Produktionsketten komplex. Vom Feld in Indien bis zum Geschäft in einer bundesdeutschen Innenstadt sind Dutzende Firmen in Herstellung, Transport und Vertrieb der Kleidung eingebunden. Für die Textilhändler am Ende der Kette bedeutet es einen erheblichen Aufwand, die zahlreichen Produktionsschritte zu kontrollieren und auf jeder Stufe eine höhere Qualität sicherzustellen.
Dazu kommen die Kosten: Ökologische und soziale Produktion ist teurer als konventionelle Herstellung. Bei Biobaumwolle ist der Ertrag pro Fläche oft geringer, weil die Pflanzen beispielsweise ohne künstlichen Dünger und Pestizide auskommen müssen. Auch bessere Arbeitsbedingungen haben ihren Preis: Die Löhne liegen höher, Brandschutz in den Fabriken kostet ebenso Geld wie mehr Urlaubstage, kürzere Arbeitszeiten und Fortbildungen für die Arbeitnehmer. Das schlägt sich oft entweder in geringeren Gewinnmargen der Firmen oder etwas höheren Preisen in den Geschäften nieder. Die Unternehmen lassen deshalb lieber die Finger davon.
Schließlich muss sich bisher kein Unternehmen an besondere ökologische und soziale Standards halten. Nach katastrophalen Unfällen in asiatischen Textilfabriken übt die Bundesregierung zwar sanften Druck aus, um die schlimmsten Missstände abzustellen, doch der Weg dorthin ist lang. Ein Gesetz für Sorgfaltspflichten hiesiger Firmen könnte die Sache beschleunigen. Das Entwicklungsministerium hat inzwischen einen Gesetzentwurf geschrieben. Ob der aber jemals beschlossen wird, steht noch in den Sternen.