Seiten wie Twitch, Youtube und Co. machen es möglich: Gaming als Beruf. Gnu alias Jasmin K. hat sich in den letzten Jahren eine große Community aufgebaut und weiß, wie viel Arbeit und Geduld dahinter steckt – aber auch wie viel der Job einem zurückgeben kann.
Jasmin, Du hast Dir in den vergangenen Jahren einen echten Namen in der Gaming- und Youtube-Branche gemacht. Aber Gaming als Beruf – wie kommt man dazu?
Ich zocke schon, seit ich klein bin. Später habe ich neue Medien studiert und viel im Bereich Virtual Reality gearbeitet –
daher wollte ich immer in diesen Bereich. Neben meinem Studium habe ich mit Youtube angefangen. Damals wusste ich noch nicht, dass man damit wirklich Geld verdienen kann. Das ist dann aber irgendwann mit zunehmenden Follower-Zahlen immer ernster geworden und ich habe mich entschieden, diesen Zweig für mich zu wählen. Wichtig war mir aber, vorher eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen zu haben. Youtube und Twitch sind für den Moment schön und cool, der Hype kann aber auch genauso schnell wieder vorbei sein. Dann kommen keine Aufträge mehr. Ich kenne Kollegen, die haben ein, zwei Jahre echt gut davon gelebt und haben jetzt super hohe Schulden und tun sich bis heute schwer, für viel weniger Geld teilweise viel mehr arbeiten zu müssen.
Geld ist ein gutes Stichwort: Wie funktioniert es überhaupt, mit Youtube, Twitch und Co.Geld zu verdienen?
Auf Youtube ist es so, dass man Videos hochlädt und dort Werbung schaltet. Durch diese Werbung generiert man Einnahmen. Wie viel man durch diese Werbung verdient, ist abhängig davon, wie viele Zuschauer diese Werbung sehen. Auf Twitch gibt es auch Werbeeinnahmen, aber auch über ‚Subscriptions‘, also Abonnements, wird Geld eingenommen. Die gibt es in drei Stufen, angefangen bei fünf Euro bis hin zu 24 Euro im Monat. Die Subscriber bekommen dadurch Vorteile im Stream, zum Beispiel spezielle Emotes oder keine Werbung vor dem Stream. Außerdem können Zuschauer während des Streams donaten („spenden", Anm. d. Red.). Dazu kommen dann auch noch Kampagnen: Wenn Firmen einen also beispielsweise für Events oder Neuerscheinungen von Games buchen, damit man diese im Stream spielt.
Fürs Zocken bezahlt werden klingt ja erst mal nicht so schwer. Was aber steckt hintergründig noch alles in deiner Arbeit?
Natürlich kann das jeder. Ich sage den Leuten dann immer: „Dann macht es!" Ich persönlich streame sehr gern, mein Haupt-Ding ist aber Youtube. Für mich ist Streamen nicht wirklich Arbeit, es macht mir Spaß – auch wenn es viel Zeit in Anspruch nimmt. Wenn man streamt, dann muss man das auch kontinuierlich und viel tun. Nicht nur einmal die Woche, sondern vier-, fünfmal die Woche für mehrere Stunden. Für mich ist Youtube die wirkliche Arbeit. Bis vor eineinhalb Jahren habe ich meine Videos noch selbst geschnitten. An einem Video habe ich teilweise zehn bis zwölf Stunden gearbeitet – und ich habe bis zu fünf Videos pro Woche produziert, um alle drei Kanäle zu bespielen. Dazu kamen dann noch Events. Das wurde irgendwann alles sehr viel. Viele sehen auch nicht, wie viel Organisatorisches dahintersteckt. Das nimmt mir nun zu einem großen Teil mein Management ab. Dennoch: Ja, Youtube und Twitch ist ein Traumjob. Ich würde ohnehin den ganzen Tag zocken, auch wenn ich einen anderen Job hätte. Aber man darf eben nicht vergessen: Dieser Job ist temporär. Man weiß nie, wie es in den nächsten Jahren aussieht.
Zuvor gilt es aber erst einmal, sich die nötigen Klicks und Zuschauer zu erarbeiten …
... ja. Bei mir war es auch ein sehr schleichender Prozess. Ich habe ja parallel dazu immer studiert oder gearbeitet. Ich mache das jetzt seit fast sechs Jahren, drei Jahre davon musste ich wirklich sehr viel Zeit darin investieren. Ich hatte keinen Push von einem großen Youtuber. Ich hatte niemanden, der mir irgendwie hilft. Ich musste mir das alles selbst erarbeiten, und das war teilweise echt hart.
Bleibt da überhaupt Zeit für Privatleben?
In der Anfangszeit habe ich teilweise sogar Familienfeste oder Treffen mit Freunden abgesagt, um Content zu produzieren. Mittlerweile – gerade auch durch meine Managerin Nadine – habe ich wieder mehr Zeit für Privates. Mein Job macht mir so viel Spaß und ist so eine große Leidenschaft, dass ich dazu tendiere, mehr zu arbeiten. Meine Wochenenden versuche ich mir mittlerweile aber freizuhalten. Das schaffe ich nicht immer, aber es klappt inzwischen ganz gut. Das Problem ist eben auch die Angst, dass der Hype vorbei sein kann. Da tendiert man auch eher dazu, mehr zu machen, um die Klickzahlen zu halten. Ich kann aber auch nur jedem raten, auch mal einen Stream ausfallen zu lassen und sich Zeit für seine Lieben zu nehmen.
Wenn man von Gamern redet, haben immer noch viele Leute ein eindeutiges Bild vor Augen. Du und auch viele andere Streamer passen aber so gar nicht in dieses Klischee. Gibt es ihn also überhaupt – diesen „typischen Zocker"?
Es gibt so viele unterschiedliche Gamer. Ich merke das auch so oft, wenn ich mit anderen Streamern zusammen zocke. Da gibt es die, die sind wie ich – die einfach nur Spiele aus Spaß spielen und auch gern einmal ein bisschen anders spielen als die Allgemeinheit. Anderen ist es wichtig, in einem Spiel richtig gut zu werden. Die spielen oft auch nur ein einziges Spiel. Manche lieben Strategiespiele, andere Shooter. Das ist so eine riesengroße Gaming-Bubble, da kann man gar nicht sagen: Das und das ist der Standard-Gamer. Die meisten denken immer noch an einen Single-Mann, der den ganzen Tag zu Hause sitzt und zockt, ich weiß. Das ist aber mittlerweile gar nicht mehr so. Meine Community besteht zum Beispiel zu 40 Prozent aus Mädels. Frauen zocken auch einfach immer häufiger.
Ist die Gaming-Szene dann überhaupt noch so männerdominiert, wie sie mal war?
Das kommt immer stark auf das Spiel-Genre an. Wenn wir über Ego-Shooter sprechen, dann natürlich. „Animal Crossing" aber zum Beispiel ist ein Spiel, das vorwiegend von Frauen gespielt wird. Auch Titel, die sehr filmisch gestaltet sind – nehmen wir als Beispiel „Heavy Rain" oder auch „Detroit become Human" – werden von sehr vielen Frauen gespielt. Das kann man nicht mehr verallgemeinern.
Trotzdem hört man immer wieder auch von Sexismus in der Gaming-Szene. Auch Du hast Dich zu dem Thema schon öffentlich geäußert …
Das ist natürlich ein Thema, aber Sexismus gibt es nicht nur in der Gaming-Branche, sondern eben auch im privaten Umfeld. Ich habe das auf der Arbeit immer erlebt. Da flogen dann auch mal Sprüche wie: „Wir machen eine Messe, stellen wir doch Jasmin mit einem Minirock dahin – hahaha". Sexismus – so wie auch Rassismus – begegnet einem überall, nicht nur in der Gaming-Szene. Das muss man auch einfach mal deutlich machen. Auf Youtube sind mir interessanterweise nur anzügliche Angebote gemacht worden, als ich zu den kleineren Kanälen gehörte. Da kamen teilweise größere Youtuber auf mich zu, die ganz plump gesagt hatten: „Hey, lass uns mal gemeinsam aufnehmen und danach Sex haben". Das Problem ist, dass es ja scheinbar oft funktioniert haben muss, sonst wären sie da nicht so abgeklärt. Als ich dann größer wurde, kam nichts mehr in die Richtung. Wobei schon mal Kommentare kommen wie: „Bei dir würde es viel besser laufen, wenn du mal deine Brüste zeigen würdest". Da bin ich super allergisch gegen. Fame und Reichweite hin oder her: Das erarbeitet man sich lieber selbst oder lässt es bleiben.
Generell sind Hasskommentare im Netz ein immer größer werdendes Problem. Wie gehst du damit um?
Wenn ich merke, Leute prangern mich an oder schreiben dumme Kommentare, dann blockiere ich diese Personen und blende sie aus. In meinem Stream habe ich Moderatoren, die sich darum kümmern. Wenn es zu viel wird, dann mache ich auch einmal eine Ansage. Seit dem Video, das ich dazu gemacht habe, habe ich auch das Gefühl, dass sich die Leute auf meinem Kanal diesbezüglich mehr zurückhalten. Ich sehe aber in vielen anderen Kanälen, in denen ich mal als Gast bin, noch viele, sehr krasse Kommentare, die echt unter die Gürtellinie gehen. Da weise ich die entsprechenden Personen aber auch darauf hin, damit die sich darum kümmern können, dass es gelöscht wird.
Aber gehen solche Kommentare spurlos an dir vorbei?
Man stumpft ab. Ich weiß noch, als ich 2017 den Hype hatte, habe ich mir viele Kommentare sehr zu Herzen genommen. Auch heute gibt es noch vereinzelt Kommentare, die es schaffen, mich zu treffen. Oft ist das aber auch an Tagen der Fall, an denen man ohnehin aufgewühlt ist. Wenn es sich um sachliche, wenn auch harte Kritik handelt, dann versuche ich da auch drauf zu antworten. Ich zensiere nicht alles. Stupide, gezielte Beleidigungen sind etwas anderes – da reagiere ich nicht. Was mich trifft, ist, wenn es dann persönlich wird. Wenn sich die Leute vorher mit mir befasst haben und daraus etwas ziehen, was sie negativ auslegen. Solche Leute werden dann auch geblockt, und ich versuche mich lieber auf die positiven Kommentare und Rückmeldungen zu konzentrieren. Man hat 100 Kommentare, davon ist einer negativ – das muss man immer im Hinterkopf behalten.
Jetzt sind es aber nicht immer nur die Hater, sondern auch Fans können unter gewissen Umständen zu einem Problem werden. Ich denke da beispielsweise an Stalking. Ist das bei dir ein Thema?
Als ich auf Youtube noch sehr klein war, hatte ich damit mal Erfahrungen gemacht. Da hatte ich einen kleinen, engen Community-Kreis. Dort ist man den Leuten dann natürlich auch viel näher, als man es als großer Channel sein kann. Auf der Gamescom gab es diese Situation, dass ich alle, die dort waren, zur Begrüßung umarmt habe. Eine Person davon hatte sich daraufhin eingebildet, dass wir jetzt in einer festen Beziehung sind. Das hat er auch jedem erzählt und hat auch versucht, mich zu küssen. Da wurde mir das erste Mal bewusst, dass ich mehr auf Distanz achten muss. Danach war ich dafür sensibilisiert. Was viele falsch machen, wenn sie neu auf Youtube oder Twitch anfangen, ist, dass man zu viel mit den Leuten schreibt. Es ist absolut okay, wenn man mit seinen Zuschauern schreibt und ihnen antwortet, aber irgendwo muss man die Grenze ziehen. Man darf eben nicht vergessen: Da sind Leute, die konsumieren einen jeden Tag, schauen alle Videos. Du bist ein Teil von deren Leben. Ich habe auch heute Leute, die mir jeden Tag schreiben und die sich darauf teilweise etwas einbilden und einreden. Da mache ich aber auch deutlich, dass ich nur zum Entertainment hier bin – für nichts anderes. Ich kommuniziere auch offen, dass ich einen Partner habe. Die meisten verstehen das auch. Es liegt eben auch in der Verantwortung des Streamers, dort einen Riegel vorzuschieben. Aber das sind wirklich Ausnahmen. Meine Community ist für mich eine Bereicherung – das sage ich ihnen auch regelmäßig.
Was sind denn die schönsten Dinge, die du mit deiner Community verbindest?
Durch meine Community haben sich so viele Freundschaften gebildet, was mich so glücklich macht. Da gibt es zum Beispiel ein Mädchen aus Stuttgart, die mittlerweile sehr gut mit einer aus Köln und einer aus Berlin befreundet ist. Sie treffen sich auch regelmäßig. Das sind Dinge, die finde ich so süß. Es hat auch mal einer gesagt, er habe nie Freunde gehabt und erst hier Freunde gefunden. Es haben sich sogar schon Pärchen durch meinen Stream gefunden. Das ist einer der schönsten Parts: Dass man Leute zusammenführt. Es gibt so viel Positives, die Community gibt einem so viel zurück. Ich bekomme auch Nachrichten von Leuten, die sagen, dass ich ihren Tag gerettet habe, Leute, die teilweise in tiefen Depressionen stecken. Oder auch Rückmeldungen, dass man durch mich mehr Selbstvertrauen bekommen hat. Es ist ein super schönes Gefühl, für junge Menschen eine Vorbildfunktion einnehmen zu können. Denn so wie der Creator ist, so ist auch die Community. Wenn ich den ganzen Tag Leute beleidigen würde, dann wäre auch meine Community so, denn sie will mir ja auch irgendwo imponieren. Wenn ich aber ordentliche Werte vermittle, dann wird das auch an meine Zuschauer weitergetragen.
Interview: Svenja Welsch
Mission: Reichweite
Bis man sich auf Twitch einen Namen gemacht hat, kann ganz schön viel Zeit ins Land gehen. Danny Bedürftig ist sich seinem Entertainment-Faktor bewusst, weiß aber auch von den Hürden, die kleinen Streamern begegnen.
Er nennt sich Danny2L8 (gesprochen: „Danny too late", deutsch: „Danny zu spät") – „Weil ich offensichtlich zu spät mit Twitch angefangen habe." Aber gibt es das wirklich? Zu spät mit Twitch anfangen? „All die großen Streamer und Youtuber haben angefangen, als ich gerade mein Studium beendet habe – also vor sechs, sieben Jahren", erzählt der Streamer, der mit bürgerlichem Namen Danny Bedürftig heißt. „Ich wollte immer vor die Kamera, aber habe damals nur den seriöseren Weg gesehen." Der 31-Jährige arbeitet eigentlich als freiberuflicher Moderator, unter anderem für den Radiosender 89.0 RTL sowie im Fernsehstudio der Aidanova.
Über das Streamen habe er schon früher nachgedacht. „Ich hatte aber immer Gründe, es nicht zu tun. Zum einen war ich oft beruflich unterwegs, sodass es zeitlich und logistisch erst gar nicht möglich gewesen wäre, mich regelmäßig zu Hause vor den PC zu setzen. Zum anderen war es sicherlich auch meine Faulheit. Das ist erst einmal eine Herausforderung: Du musst dich dafür einrichten und damit beschäftigen. Twitch ist keine Plattform wie Instagram oder Tik Tok, wo du eigentlich erst einmal nur dein Handy brauchst. Da muss einige Zeit investiert werden, bis allein technisch alles so ausgestattet ist, dass ein Zuschauer nicht sofort wieder abschalten will", begründet er. „Bevor ich angefangen habe zu streamen, habe ich mir erst einmal stundelang Youtube-Tutorials zu der Software angeschaut, die ich dafür nutze." Seine Wahl sei dabei auf das Programm OBS gefallen.
Der ausschlaggebende Punkt für den Twitch-Start sei schließlich Corona gewesen: „Da war dann eben klar: Weg kann ich erst mal nicht." Die durch die Zwangspause der Kreuzfahrtschiffe entstandene Zeit nutzt der junge Moderator, der sich auf der Streamingplattform selbst auch gerne scherzhaft als „guten boi" bezeichnet, seitdem fürs Gaming.
„Du musst auf dich aufmerksam machen"
Aber nicht nur mit technischer Ausstattung und strategischer Spieleauswahl – denn nicht jedes Spiel generiert zu jeder Tageszeit neue Zuschauer – versucht der Gelsenkirchener zu punkten: Als Moderator hat er quasi Heimvorteil. Oder? „Klar, ich achte bestimmt zum Beispiel mehr auf meine Stimme als andere. Aber in der heutigen Zeit kristallisiert sich teilweise auch raus, dass so was vielleicht gar nicht so wichtig ist. Viele heute sehr bekannte Youtuber hätte man vor einigen Jahren im Fernsehen sicher niemals ohne Weiteres vor die Kamera gelassen. Aber das Internet bietet genau diesen Leuten eine Plattform – vielleicht gerade auch weil sie eben nicht besonders auf irgendwelche Dinge achten, sondern einfach so sind und so sprechen, wie viele ihre Zuschauer auch." Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Danny2L8-Stream ohne kecke Sprüche, bissige Witze und die ein oder andere emotionale Berg-und-Tal-Fahrt – begonnen beim aufwühlenden Kampf um jeden einzelnen Punkt bei „Mario Kart", bis hin zum Siegestanz nach dem grandiosen „Fall Guys"-Finalspiel – auskäme. Die – wenn bislang auch kleine – Community um den 31-Jährigen scheint genau das zu schätzen, schaltet ein Großteil derer doch fast täglich als Stammzuschauer wieder ein. „Ich hatte das Glück, dass ich relativ schnell Leute gefunden habe, die regelmäßig da sind", erzählt er. „Ich weiß, wie es ist, vor vielen Leuten zu stehen. Ich bin nicht aufgeregt, wenn ich die Kamera anmache. Aber dieses Gefühl, zu wissen, dir schaut gerade keiner zu, das ist schrecklich."
Seit einem halben Jahr ist er nun dabei. Seine Zuschauerzahlen sind seitdem gestiegen – wenn auch langsam und unstetig. „Du musst irgendwie auf dich aufmerksam machen. Twitch sortiert so, dass die kleinen Streamer ganz unten stehen. Daher muss man auch andere Plattformen einbeziehen, um über Instagram und Ähnliches Leute in den Stream zu bringen." Im Durchschnitt habe er aktuell zwischen zehn und 15 Zuschauer. „Was ziemlich cool ist. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte diese Zuschauer hier in meiner Wohnung sitzen, dann wäre die voll!" Wichtig sei es an diesem Punkt nicht die Motivation zu verlieren. Und Motivation hat der junge Streamer eine ganze Menge …