Das Motto der Buchmesse Saar, die vom 18. bis 20. Juni digital stattfindet, lautet „Gemeinsam neue Welten gestalten". Karsten Wolter, Initiator der Messe und Buchhändler in Dillingen/Saar, im Interview.
Herr Wolter, was hat Sie auf die Idee gebracht eine neue Buchmesse zu initiieren, obwohl die Platzhirsche Frankfurt und Leipzig nahe und etabliert sind?
Die ursprüngliche Idee war, eine physische Messe in Saarbrücken zu veranstalten. Ich war selbst fast zehn Jahre als Aussteller auf der Leipziger Buchmesse, und da ist mir aufgefallen, dass kleinere Aussteller unzufrieden waren – die Standgebühren wurden höher, der Service immer schlechter. Zudem fiel auf, dass gerade im Sommerloch viele Veröffentlichungen hinten runterfielen – die einen schaffen es nicht im März nach Leipzig, die anderen nicht im Oktober nach Frankfurt. Ich dachte, die Buchmesse Saar könnte eine schöne Ergänzung zwischen diesen Messen sein. Zwei Jahre – 2018 und 2019 – habe ich mit kleinem Team die Messe geplant. Erstmals sollte die Buchmesse Saar 2020 in der Saarlandhalle Saarbrücken stattfinden – im April mussten wir wegen Corona absagen. Innerhalb von sechs Wochen haben wir dann die digitale Version auf die Beine gestellt. Das war ein bisschen eine Trotzreaktion: Wir schütteln uns einmal, weil die physische Messe nicht möglich ist, und machen eine digitale Buchmesse – fertig!
Pionierarbeit.
Auf jeden Fall. Wir sind und werden immer die ersten sein, die eine digitale Buchmesse in dieser Größe gemacht haben. Zwei Tage nach unserer digitalen Buchmesse Saar meldeten sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Frankfurt Buchmesse per Videocall, um sich Tipps geben zu lassen. Wir hatten als Kernteam von vier Leuten zwei Jahre lang geplant – die Buchmesse Frankfurt hatte ein Team von 100 Leuten, die sich ausschließlich darum kümmerten.
Wie setzen Sie die gewonnenen Erfahrungen des letzten Jahres um?
Alles, was wir im letzten Jahr an Arbeit innerhalb kürzester Zeit hineingesteckt haben, sollte die Basis für dieses Jahr sein. Wir haben die digitale Buchmesse Saar schon damals nicht als Eintagsfliege geplant. Der virtuelle Standbau und der Messeplan sehen zwar ähnlich aus, sind aber in vielem verbessert worden. Die Software, die Einblendungen bei Livestreams erlaubt, ist besser. Der Bücherbestellprozess ist vereinfacht worden. Vor allem aber der Live-Treffpunkt Gather Town ist etwas Besonderes.
Sie halten sogar kontinuierlich Treffen ab, um an das Neuland heranzuführen.
Genau, wir veranstalten Zoom-Calls für Aussteller und Interessierte – ein Coaching. Wir sind auch die Messe der kurzen Wege und der schnellen Kontakte.
Sie haben es angesprochen: Wegen der hohen Standmieten in Frankfurt und Leipzig ist die Buchmesse Saar besonders für kleine Verlage attraktiv.
Uns ist wichtig, dass auch die kleineren Aussteller – darunter sind sowohl Selfpublisher, als auch Autoren und Autorinnen – die Möglichkeit haben teilzunehmen. Dementsprechend haben wir die Preisstruktur gestaltet. Die großen neben den kleinen!
Ja, auch große und renommierte Verlage wie Klett-Cotta, auch die Oettinger Verlagsgruppe, nehmen teil. Mussten Sie dort Überzeugungsarbeit leisten?
Da profitieren wir tatsächlich von unseren Kontakten. Wir haben jahrelang – erstmals 2012 – die Fantasy Leseinsel für die Leipziger Buchmesse betreut. Anfangs war die Fantasy Leseinsel noch ganz klein – und dann haben wir sie groß gemacht. Wir waren für das Leseprogramm zuständig und haben die Autoren betreut. Daraus sind viele Kontakte entstanden. Auch bei „Leipzig liest" haben wir Veranstaltungen betreut und bei einer dieser Veranstaltungen Arno Strobel kennengelernt – er hatte sich erkundigt, wem das Auto mit der Saarlouiser Nummer gehöre. Ich habe ihn gefragt, ob er Lust hätte bei uns zu lesen. Die Großverlage kennen uns auch. In der Planungsphase der physischen Buchmesse Saar habe ich gehört: „Ja, Herr Wolter, wir kennen Sie, also wird es gut. Wir sind dabei!" Wir konnten mit den Pfunden wuchern, die wir uns Jahre davor erarbeitet hatten. Die Verlagsgruppe Random House hat kürzlich sieben Stände für ihre Unterverlage, darunter Heyne, gebucht. Es kommen große Verlage, die auch in Frankfurt die größten Stände haben – und wir erhalten von diesen auch positive Resonanz.
Lautet das Konzept: Verlage, Vereine, Verbände und einzelne Autoren buchen und bezahlen einen Stand und die Besucher haben freien Zugang?
Genau. Wir finanzieren uns über Sponsoren und Standgelder, davon bezahlen wir unsere Helfer und hoffen, dass unterm Strich was hängen bleibt. Und wer bei der Buchmesse Saar als Besucher etwas sehen und hören möchte, kann, ohne Eintritt zahlen zu müssen, dabei sein.
Verfolgen Sie einen Genre-Schwerpunkt?
Eigentlich nicht, aber aufgrund der Kontakte in die Fantasy-Szene, haben wir die wichtigen Autoren dieses Genres dabei, beispielsweise Markus Heitz, oder den international bekannten amerikanischen Autor Tad Williams. Wir versuchen aber, alle Genres abzudecken.
Was haben Sie zur Eröffnung geplant?
Zur Auftaktveranstaltung am 14. Juni kommt Konstantin Wecker: Im besten Fall kann das Publikum vor Ort im Dillinger Lokschuppen lesen, und wir streamen zusätzlich. Im mittelbesten Fall darf kein Publikum vor Ort sein. Im schlechtesten Fall liest Konstantin Wecker von zu Hause aus. Streamen werden wir in jedem Fall.
Folgt das Angebot des Leseprogramms diesem Prinzip?
Genau. Wir bieten Programm von Mittag bis Abend in allen Genres – auch für Kinder. Wir hoffen, dass wir vor Ort im Theater in Saarlouis Besucher zur Lesebühne begrüßen können. Letztes Jahr durften wir bei einer Platzkapazität von 500 mit einem Corona-Hygienekonzept 100 Besucher einlassen. Fünf Lesungen laufen zeitlich parallel: Wir werden aus Saarlouis vor Ort streamen. Die weiteren Autoren werden von zu Hause aus via Zoom zugeschaltet. Die digitalen Leseräume werden moderiert, und die Zuschauer können live Fragen stellen.
Bei kostenfreiem Zugang…
Ja, ja. Wir erwähnen bei den Livestreams gerne, dass man über den „Paypal.Me Button" gerne spenden kann. Letztes Jahr hatten wir daran gar nicht gedacht, dann erhielten wir Anfragen, wie man spenden oder sich unterstützend beteiligen könnte. Wer nicht so viel Geld hat, spendet einen Euro, und ein anderer etwas mehr, dann ist das Angebot am Ende finanziert.
Als Besucher kann man Bücher direkt kaufen. Wie?
Wer am Stand im Regal ein Buch anklickt, kann von dort aus direkt bestellen. Entweder wird in den Shop des Ausstellers weitergeleitet. Oder, wenn jemand keinen eigene Webshop hat, läuft es über unsere Messebuchhandlung – wir verschicken portofrei. Nirgendwo muss man sich extra anmelden – für den Nutzer soll es möglichst einfach sein. Der Kunde hat ohne Extra-Anmeldung die Möglichkeit sich über einen Button – einem Videocallsystem – beraten zu lassen. Auf unserer Website gibt es dazu Videos. Das ist eine Neuheit, die es so noch nicht bei anderen Messen gab. Unser Konzept ist darauf aufgebaut, dass wir möglichst ein Live-Messe-Feeling transportieren wollen. Wir möchten den Kontakt zwischen Aussteller und Kunde möglichst nah gestalten.
Was ist aus Ihrer Sicht das große Plus und das große Minus einer digitalen Veranstaltung?
Das große Plus ist definitiv, dass man sehr, sehr nachhaltig unterwegs ist. Wir können Autoren aus aller Welt zuschalten. Und kein Besucher muss sich ins Auto setzen und durch die Republik gondeln, um die Messe zu besuchen. Wir haben dementsprechend eine viel größere Reichweite –
das ist ein Riesenvorteil! Der Nachteil liegt auch auf der Hand: Der persönliche Kontakt ist nicht zu ersetzen – auch nicht durch das Tool Gather Town. Zukünftig denken wir, die physische Messe irgendwann umzusetzen und das digitale Angebot zusätzlich aufzulegen.
Sie sind Buchhändler und Leser. Was lesen Sie? Auf welchen Autor der Buchmesse Saar sind Sie besonders gespannt?
Ich bin Fantastik-Leser. Manchmal greife ich auch zum Krimi. Auf die Lesung mit Tommy Krappweis, mit dem neuen Buch aus der Ghostsitter-Reihe, freue ich mich.
Welche Eigenschaft, außer Mut, braucht man eigentlich, um so was auf die Beine zu stellen?
Eine gute Frage. (lacht) Ja, Mut auf jeden Fall. Man darf nicht so viel darüber nachdenken, was alles schiefgehen kann – man muss es einfach machen.
In der zweijährigen Planungsphase hat man gemerkt, viele sind skeptisch. Wie Sie anfangs gesagt haben: Zwischen Frankfurt und Leipzig – kann das funktionieren? Wir haben gesagt: Wir haben Lust darauf. Wir wollen das machen. Dann macht man's einfach.